Stellt die FPÖ bei Platz eins den nächsten Nationalratspräsidenten?

Die Klubchefin der Grünen, Sigrid Mauer, will nicht, dass die FPÖ den Parlamentspräsidenten stellt – selbst wenn sie nach der Wahl auf Platz eins landen sollte.
Seit 40 Jahren, konkret seit 1983, ist es ein ungeschriebenes Gesetz: Bei der Zusammensetzung des dreiköpfigen Nationalratspräsidiums ist der jeweilige Wahlausgang die einzige gültige Richtschnur. Die stimmenstärkste Partei hat Anspruch auf den Präsidentensessel, die zweitstärkste Partei stellt den Zweiten Nationalratspräsidenten, die drittstärkste Partei den Dritten. Derzeit stehen Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ), Norbert Hofer (FPÖ) dem Haus vor – in Abbildung der Nationalratswahl 2019.
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Grüne zogen 2002 an der FPÖ vorbei
Als die ÖVP im Jahr 1999 unter Wolfgang Schüssel auf Platz drei zurückfiel, allerdings nach turbulenten Regierungsverhandlungen dann doch den Kanzler stellte, musste sich die Volkspartei dennoch mit dem Dritten Präsidenten, in dem Fall Werner Fasslabend begnügen, die FPÖ, die auf Platz zwei vorgerückt war, stellte mit Thomas Prinzhorn den zweiten Präsidenten. Nach Knittelfeld und der Wahl 2002 fiel die FPÖ auf Platz vier zurück, für die Grünen zog Eva Glawischnig als Dritte Präsidentin ins Hohe Haus ein.
FPÖ wirft Grünen “totalitäre Sittenbild” vor
Nun hat Klubobfrau Sigrid Maurer in einem Interview mit der TT zu verstehen gegeben, dass die Grünen, sollte die FPÖ auf Platz eins landen, wovon derzeit alle Umfragen ausgehen, die Freiheitlichen nicht automatisch den Parlamentspräsidenten stellen sollen. “Es gibt ein Vorschlagsrecht, aber es besteht nicht das Recht, von einer Mehrheit gewählt zu werden”, so die gebürtige Tirolerin. Generalsekretär Christian Hafenecker wertete dies als “totalitäres Sittenbild”, das von der Unreife der Grünen zeuge: “Politik und demokratische Spielregeln passen bei den Grünen nicht zusammen.”
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Kein Automatismus, keine Verpflichtung
Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk unterstreicht im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, dass die Verfassung dem Parlament einen großen Handlungsspielraum einräumt. “Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und dritten Präsidenten”, heißt es in der Verfassung. Die Mehrheit entscheidet. “Es gibt zwar Usancen, es gibt allerdings keine Verpflichtung”, so Funk.
Wirbel 2008 um Martin Graf
Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen die Kür eines freiheitlichen Kandidaten für das Präsidium ablehnen. 2008 stellte die FPÖ den wegen seiner Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Burschenschaft ins Gerede gekommenen Martin Graf auf. Die Grünen schlugen den damaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen als Gegenkandidaten vor. Graf wurde mit 109 von 156 gültigen Stimmen gewählt. 1983 sollte der langjährige FPÖ-Chef Friedrich Peter im Präsidium einziehen. Wegen seiner SS-Vergangenheit gab es heftige Kritik an der Bestellung, Peter zog sich zurück, das Rennen machte Gerulf Stix.
Dreier-Vorschlag für Volksanwaltschaft
Bei der Zusammensetzung der dreiköpfigen Volksanwaltschaft orientiert man sich ebenso am Wahlausgang, allerdings sehen die Bestimmungen vor, dass die drei mandatsstärksten Parteien Kandidaten benennen dürfen, so Funk. Entscheidend ist allerdings ein vom Hauptausschuss im Plenum eingebrachter Gesamtvorschlag. Auch da gibt es keinen Automatismus, allerdings wird dem Wahlergebnis bei der Volksanwaltschaft mehr Bedeutung eingeräumt als bei der Besetzung des Nationalratspräsidiums.
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