Das war nicht einfach nur ein Fehler

Eine Aufarbeitung der grotesken Elfmeter-Entscheidung vom Freitag bei der Partie LASK gegen Austria Lustenau.
Die Elfmeterentscheidung in der Nachspielzeit beim Spiel LASK gegen Austria Lustenau als Fehler abzutun, wäre der eigentliche Fehler. Schiedsrichter Harald Lechner und VAR Christian-Petru Ciochirca ist nämlich kein Fehler unterlaufen. Ein Fehler ist eine falsche Regelauslegung, zum Beispiel bei den leidigen Handspielen. Aber am Freitagabend in Linz scheiterte es ja nicht an der Regelauslegung.
Klare Sicht
Der LASK-Spieler Florian Flecker warf sich in einen zu weit gespielten Ball, Austrias Cem Türkmen stand lediglich daneben. Er konnte gar nicht eingreifen, weil Flecker seitlich in seinen Laufweg geflogen kam. Schiedsrichter Lechner hatte klare Sicht – bei nur wenigen Metern Abstand. Diese Aktion als Foul zu werten, ist, sollte man meinen, eigentlich unmöglich und eines ÖFB-Schiedsrichters unwürdig.
Was dann aber beim anschließenden Videocheck passierte, ist schlichtweg unerklärbar: VAR Christian-Petru Ciochirca bestätigte die Entscheidung, obwohl keine Kameraeinstellung auch nur den Hauch eines Zweifels ließ, dass sich Flecker in den Ball geworfen hatte und dadurch selbst zu Fall kam. Ciochirca empfahl nicht mal, dass Lechner sich die Szene selbst anschaut. Und das wirft Fragen auf, die weit über den spielentscheidenden Elfmeterpfiff vom Freitag hinausgehen. Die Entscheidung stellt mehr denn je das österreichische Schiedsrichterwesen infrage – und die VAR-Handhabe.

Es ist ja beileibe nicht das erste Mal, dass ein VAR abenteuerliche Entscheidungen getroffen hat. In Altach können sie ein Lied davon singen. Im April, man glaubt es kaum, blieb eine Fehlentscheidung gegen die Rheindörfler bestehen, weil der VAR aufgrund eines Stromausfalls die Szene nicht checken konnte. Der Elfmeterpfiff vom Freitag, der dem LASK das 1:0-Siegtor schenkte, ist nun der Tiefpunkt seit der VAR-Einführung im Sommer 2021. Mit Profifußball hat das nichts mehr zu tun.
Es stellt sich die Frage, warum Österreichs Schiedsrichter beinahe Woche für Woche krasse Fehlentscheidungen treffen, und es stellt sich vor allem die Frage, warum selbst ein so eklatanter Fehlpfiff wie der von Lechner am Freitag nicht vom VAR richtiggestellt wird. Sind die österreichischen Schiedsrichter auf dem Feld und vor dem Bildschirm dem Druck nicht gewachsen? Werden die Bilder vom VAR nicht sorgfältig genug gecheckt?
Unangenehme Thesen
Nun stimmt es schon, keine dieser Fragen erscheint bei einer so klaren Szene wie der vom Freitag wirklich schlüssig. Aber wenn diese Fragen mit nein zu beantworten sind, blieben nur noch sehr unangenehme Thesen, die noch harmloseste wäre, dass der VAR mitunter den Schiedsrichter gar nicht richtigstellen will, um die Bewertung des Kollegen nicht zu verschlechtern. Was ein fataler Fehler im österreichischen Schiedsrichterwesen wäre. Eine andere entlarvende Antwort wäre, dass die Kamerabilder zu schlecht sind und man in typisch österreichischer Manier das alles seit zwei Jahren mehr oder minder einfach schleifen lässt.
Das mag dann und wann sogar wirklich eine Erklärung für gewisse Entscheidungen sein, aber sofern sie in Linz in der neuen 85-Millionen-Arena keine Weitwinkel-Webcams der ersten Generation aufgestellt haben, liefert dieser Erklärungsversuch keine Auflösung der Elfmeterentscheidung vom Freitag. Weil es schlichtweg keine Kameraeinstellung geben kann, die eine andere Wahrnehmung erlaubte. Auch nicht die Rückansicht, und damit die Perspektive, die Lechner hatte. Das darf bei der ganzen Diskussion um den VAR nicht in den Hintergrund treten: Auch die ursprüngliche Entscheidung auf dem Feld hätte ein Bundesliga-Schiedsrichter niemals treffen dürfen.

Schon der nächste Gedankengang jedenfalls führt zu der Vermutung, dass Österreichs Schiedsrichter teils nach Sympathie oder Tabellenstand entscheiden. An diesem Punkt angekommen, ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zu wirklich hässlichen Unterstellungen. Und das ist das eigentliche Problem: Das Vertrauen in die österreichischen Schiedsrichter ist am Nullpunkt angekommen. Nicht erst seit Freitag.
So hat der VAR jedenfalls keinen Sinn, und er bringt eben nicht mehr Gerechtigkeit. Aktuell hat man nämlich das Gefühl, die Schiedsrichter lassen sich zu noch viel haarsträubenderen Pfiffen hinreißen als früher, im Glauben, dass sie ohnehin korrigiert werden, wenn sie falsch liegen. Nur stimmt das eben oft nicht.
Nun ist das ja ganz nett, dass Lechner und Ciochirca sich gestern bei Austria-Trainer Markus Mader entschuldigt haben, aber damit ist es nicht abgetan. Zumal Lechners Leistungsprotokoll vom Freitag nicht mit dem gegebenen Elfmeter enden darf. Vier Minuten Nachspielzeit waren angezeigt. Und obwohl die Überprüfung über eine Minute dauerte, bis zur Ausführung des Elfmeters eine weitere knappe Minute verstrich und natürlich auch der Linzer Torjubel einiges an Zeit kostete, ließ Lechner nur 40 Sekunden länger als angezeigt nachspielen.
Was ist die Lösung bei den teils schon blamablen Schiedsrichter-Leistungen? Sicher nicht, unsere Schiedsrichter in den Profistand zu heben; denn wenn man nicht imstande ist, ein Spiel zu leiten, dann schafft man das auch nicht, wenn man neben dem Schiedsrichterwesen keiner Arbeit mehr nachgeht.
Vorarlberger Landesverband vorbildlich
Die Schiedsrichter-Ausbildung in Österreich muss stattdessen schon im Nachwuchsbereich viel besser werden – da trifft es sich hervorragend, dass der Vorarlberger Fußballverband in den vergangenen Monaten unter der Leitung von Sportdirektor Andi Kopf an einer Schiedsrichter-Initiative gearbeitet hat und die Ergebnisse am 9. März präsentiert.
Das ist auf Landesebene ein wichtiger Schritt, national muss viel mehr passieren. Vor allem müssen solche Entscheidungen wie die vom Freitag Konsequenzen haben: für Lechner, aber auch für VAR Ciochirca. Die beiden dürfen so schnell kein Spiel mehr leiten. Denn deren Elfmeterentscheidung in der Nachspielzeit beim Spiel LASK gegen Austria Lustenau als Fehler abzutun, wäre der eigentliche Fehler. Das war kein Fehler. Sondern die Geschehnisse zeigen die Schwächen im österreichischen Schiedsrichterwesen schonungslos auf, die abgestellt gehören. Denn Reue ist Einsicht, die zu spät kommt – und niemandem etwas nützt.
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