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Der ewige Verlierer, der Erdogan gefährlich werden könnte

13.03.2023 • 06:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Kemal Kilicdaroglu
Kemal Kilicdaroglu (c) APA/AFP/ADEM ALTAN (ADEM ALTAN)

Der von Recep Tayyip Erdogan stets unterschätzte türkische Oppositionschef will endlich Präsident werden. Bisher wurde er als Herausforderer nicht ernst genommen.

Kemal Kilicdaroglu hat lange daran gearbeitet, das Image des ewigen Verlierers abzustreifen. Der 74-Jährige steht seit 13 Jahren an der Spitze der Republikanischen Volkspartei (CHP), der größten Oppositionskraft der Türkei, und hat in dieser Zeit fast alle Wahlen gegen seinen Rivalen Recep Tayyip Erdogan verloren. Doch nun wittert Kilicdaroglu die Chance, Präsident zu werden.

Der verspottete “Herr Kemal”

Für die Türkei ist Kilicdaroglu ist ein außergewöhnlicher Politiker. Er stammt aus der überwiegend kurdischen Provinz Tunceli, in der 1937 und 1938 ein Aufstand gegen die Regierung in Ankara niedergeschlagen wurde; zehntausende Menschen wurden damals getötet. Kilicdaroglu ist selbst kein Kurde, doch seine Herkunft und seine Religionszugehörigkeit (er ist kein sunnitischer Muslim) machen viele türkische Nationalisten misstrauisch. In seinen ersten neun Jahren an der Spitze der CHP kassierte Kilicdaroglu gegen Erdogans Partei AKP eine Niederlage nach der anderen. Erdogan verspottet ihn mit der veralteten Anrede „Bay Kemal“ (Herr Kemal), die ausdrücken soll, dass die CHP und ihr Chef den Anschluss an die Moderne verpasst haben.

Wahlsiege in Ankara und Istanbul

Erst 2018 kriegte Kilicdaroglu die Kurve. Er schloss ein Bündnis mit der rechtskonservativen IYI-Partei, 2019 nominierte er die bis dahin weitgehend unbekannten Politiker Ekrem Imamoglu und Mansur Yavas als CHP-Oberbürgermeisterkandidaten in Istanbul und Ankara. Mit ihren Wahlsiegen endete die langjährige Herrschaft von Erdogans AKP in den größten Städten der Türkei.
Geschickt hat sich Kilicdaroglu jetzt die Präsidentschaftskandidatur der Opposition gesichert. Erdogan hatte eigentlich eine Kandidatur des charismatischen Ekrem Imamoglu befürchtet; die regierungstreue Justiz belegte diesen deshalb mit einem Politikverbot. „Bay Kemal“ wurde bisher von Erdogan als Herausforderer nicht ernst genommen. Das könnte sich als Fehlkalkulation des Präsidenten erweisen.

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