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Chinas Staatschef in Moskau eingetroffen

20.03.2023 • 14:20 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
Chinas Staatschef Xi Jinping ist zu Gesprächen in Moskau eingetroffen
Chinas Staatschef Xi Jinping ist zu Gesprächen in Moskau eingetroffen (c) IMAGO/ITAR-TASS (IMAGO/Sergei Savostyanov)

Kiew befürchtet, Peking könnte Waffen an Moskau liefern.

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping ist am Montag zu einem Staatsbesuch in Moskau eingetroffen. Er erhoffe sich von dem Besuch neue Impulse für die Beziehungen zwischen beiden Ländern, sagte Xi laut Nachrichtenagentur Tass in Moskau. China sei bereit, an der Seite Russlands eine Weltordnung auf der Basis des Völkerrechtes zu verteidigen. Russlands Präsident Wladimir Putin werde “Klarstellungen” zu Russlands Standpunkt zum Ukraine-Konflikt liefern, hieß es.

Chinas Staatschef in Moskau eingetroffen
Xi Jinping bei der Ankunft in MoskauImago

“Friedensplan” soll erörtert werden

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine geht es bei dem Besuch laut Kreml um die Entwicklung der Beziehungen zu einer allumfassenden Partnerschaft und strategischen Kooperation zwischen Moskau und Peking. Beide Staatschefs würden auch den von China vorgeschlagenen Friedensplan für die Ukraine erörtern, sagt der Sprecher des Präsidialamtes in Moskau, Dmitri Peskow.

“Natürlich wird die Ukraine auf der Tagesordnung stehen”, meinte Peskow. “Natürlich wird Präsident Putin ausführliche Erläuterungen abgeben, damit Xi aus erster Hand die aktuelle Sichtweise der russischen Seite bekommen kann.”

Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti verbreitete Bilder von Xis Flugzeug nach der Landung auf dem Moskauer Regierungsflughafen Wnukowo. Für den Staatsgast wurde vor der Maschine ein roter Teppich ausgerollt. Es ist der erste Besuch Xis in Russland seit vier Jahren. Es ist auch der erste Besuch, seit gegen Putin ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechens in der Ukraine ergangen ist.

Ein Besuch, der gelegen kommt

Für Putin kommt der Besuch aus Peking auch deshalb gelegen, weil er so zeigen kann, dass er international in dem Krieg nicht isoliert ist. China hat Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht verurteilt und setzt sich für Friedensverhandlungen ein.

Anlässlich Xis Staatsbesuchs in Moskau rief die Ukraine Russland zum Truppenabzug aus ihrem Land auf. Die “erste und wichtigste Klausel einer Formel für die erfolgreiche Umsetzung des ‘chinesischen Friedensplans'” seien “die Kapitulation oder der Rückzug der russischen Besatzungstruppen vom ukrainischen Territorium”, erklärte der Sekretär des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Oleksij Danilow, auf Twitter. Nur so könne die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt werden.

Chinas Staatschef in Moskau eingetroffen
Die Boeing 747 des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping in MoskauImago

China versucht, sich im Ukraine-Konflikt als internationaler Vermittler zu präsentieren. Viele westliche Staats- und Regierungschefs halten den von China vorgelegten Friedensplan jedoch für wenig glaubwürdig. Denn entgegen der Forderungen der Ukraine und des Westens ist darin kein Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine erwähnt. Stattdessen schlug China vor, die “einseitigen” Sanktionen gegen Russland zu beenden.

Waffenlieferung aus China?

Kiew sieht dem Besuch des chinesischen Staatschefs in Moskau daher mit einiger Sorge entgegen. Es befürchtet, Peking könnte als strategischer Verbündeter Russlands beschließen, Waffen an Moskau zu liefern und damit den Ausgang des Krieges zu beeinflussen.

Der deutschen Regierung zufolge muss sich Russland aus der Ukraine zurückziehen. Es könne kein Diktatfrieden im russischen Sinne geben, sagt ein Regierungssprecher für Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz. Es sei nicht hinnehmbar, dass sich Russland einen Großteil der Ukraine einverleibe. China sollte bei seinen Vermittlungsbemühungen auch direkt mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj reden.

Der Kreml warf Washington indes vor, den Konflikt in der Ukraine zu schüren. “Die USA halten an ihrer Position fest, die darauf abzielt, den Konflikt anzuheizen, Hindernisse für das Abflauen der Intensität der Kämpfe zu schaffen und die Waffenlieferungen an die Ukraine fortzusetzen”, sagte Peskow.

“Guter alter Freund”

Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte das Treffen von Putin und Xi “sehr wichtig” und kündigte den Beginn für etwa 16.30 Uhr Moskauer Zeit (14.30 Uhr MEZ) an. Geplant seien eine offizielle Begrüßungszeremonie, ein Zweiergespräch, eine Unterhaltung im Beisein russischer und chinesischer Delegationen sowie ein gemeinsames Abendessen, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Am Dienstag seien die offiziellen Verhandlungen der Delegationen geplant, sagte Peskow.

Putin nannte den chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor dessen Besuch in Moskau einen “guten alten Freund”. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien am bestmöglichen Punkt und würden weiter gestärkt. In den beiderseitigen Beziehungen gebe es keine verbotenen Themen und keine Grenzen. Der russische Handel mit China werde in diesem Jahr das Volumen von 200 Milliarden Dollar übersteigen und es sei wichtig, ihn weiter auszubauen.

Die russisch-chinesischen Beziehungen

Während des Kalten Krieges bekämpften sich Peking und Moskau an ihrer Grenze, heute beteuern die Nachbarländer ihre “grenzenlose Freundschaft”. Ein Rückblick auf die Entwicklung der bilateralen Beziehungen seit 1950 anlässlich des Besuchs des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Moskau:

1950: Freundschaftsvertrag

Nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnen China und die Sowjetunion im Jahr 1950 einen Freundschafts- und Bündnisvertrag. Während des Korea-Krieges von 1950 bis 1953 kämpfen chinesische Streitkräfte an der Seite des von der Sowjetunion unterstützten Nordens gegen den von den USA unterstützten Süden.

1956: Zerwürfnis

Nach dem Tod des sowjetischen Machthabers Josef Stalin verurteilt sein Nachfolger Nikita Chruschtschow den Personenkult und die Brutalität seines Vorgängers. Das ist der Beginn des Zerwürfnisses zwischen der Sowjetunion und der Volksrepublik unter Mao Tse-tung. Die ideologische und strategische Spaltung vertieft sich im April 1960, als Chruschtschow ein bilaterales Atomabkommen aufkündigt. Nach Zwischenfällen an der Grenze und Differenzen in der Kuba-Krise brechen die kommunistischen Parteien (KP) beider Länder den Kontakt 1963 ganz ab.

1969: Grenzkonflikte

Im November 1965 startet die chinesische KP innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung eine Kampagne gegen den “Revisionismus” Chruschtschows. 1969 eskaliert ein Streit über die ostchinesisch-russische Grenze entlang des Flusses Amur in bewaffneten Zusammenstößen, bei denen mehrere hundert Menschen sterben. 1979 kündigt Peking den Freundschaftsvertrag. Nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan werden die Verhandlungen über die Normalisierung der Beziehungen 1980 ausgesetzt.

1989: Annäherung

Nach 30 Jahren des Zerwürfnisses besiegelt ein Gipfeltreffen zwischen den Staatschefs Deng Xiaoping und Michail Gorbatschow im Mai 1989 in Peking die Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Peking und Moskau verpflichten sich 1992, keiner politisch-militärischen Allianz beizutreten, die sich gegen die jeweils andere Seite richtet. Im September 1994 beenden die beiden Länder die nukleare Konfrontation und vereinbaren, ihre Raketen abzuziehen.

1996: Partner gegen die USA

Der chinesische Präsident Jiang Zemin und sein russischer Kollege Boris Jelzin vereinbaren 1996 in Peking eine “strategische Partnerschaft für das 21. Jahrhundert”, um der internationalen Dominanz der USA entgegenzuwirken.

2001: Erneuter Freundschaftsvertrag

2001 vereinbaren die beiden Länder nach fünf Jahrzehnten wieder einen Freundschaftsvertrag. 2005 legt ein Abkommen den Streit über den östlichen Grenzverlauf bei. Seine erste Auslandsreise unternimmt der neue chinesische Präsident Xi Jinping 2013 nach Moskau, wo er rund 30 Abkommen über Öl und Gas schließt.

2011: Beistand für Syrien

Nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 blockieren Russland und China im UNO-Sicherheitsrat mehrere Resolutionsentwürfe zur Verurteilung von Machthaber Bashar al-Assad. Als Moskau 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert, verhält sich Peking neutral.

2014: Zusammenarbeit im Energiesektor

2014 schließen China und Russland nach zehnjährigen Verhandlungen einen gigantischen Liefervertrag für Gas im Wert von 400 Milliarden Dollar über 30 Jahre. Die gemeinsame Pipeline, die Gas aus Ostsibirien nach China transportiert, geht 2019 in Betrieb.

2022: Ukraine-Krieg

Anfang Februar 2022 bekräftigen die russische und die chinesische Führung in Peking ihre “grenzenlose Freundschaft”. Wenige Tage später überfällt Russland die Ukraine. Der Angriff wird von Peking weder verurteilt noch offen unterstützt, die chinesische Führung drängt auf eine Verhandlungslösung. Im September 2022 erklären die Nachbarn, ihre Beziehungen ausbauen zu wollen.

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