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„Niemand hat nur Gutes oder nur Schlechtes“

15.05.2023 • 07:00 Uhr / 10 Minuten Lesezeit
Hugo Waldner hat immer viel gelesen. Viele seiner Bücher sind jedoch bei einem Hausbrand 1990 zerstört worden. Hier hält er das Egger Heimatbuch in Händen.<span class="copyright"> Hartinger</span>
Hugo Waldner hat immer viel gelesen. Viele seiner Bücher sind jedoch bei einem Hausbrand 1990 zerstört worden. Hier hält er das Egger Heimatbuch in Händen. Hartinger

In Großdorf wohnt ein Mann, der kaum Schul-, dafür aber viel Selbstbildung besitzt, der sich für andere gerne mit der Justiz anlegt und mit der Monarchie liebäugelt: Hugo Waldner.

Otto Habsburg-Lothringen, der älteste Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl I., wurde im Juli 2011 mit Pomp und Tradition bei einem Requiem im Stephansdom verabschiedet. Könige, Prinzessinnen und Fürsten nahmen an der Verabschiedung teil, ebenso Staatsmänner und – frauen aus aller Welt. Mitten unter ihnen war der Bauer Hugo Waldner aus Egg-Großdorf. Er hatte mit Otto von Habsburg öfters zu tun gehabt, und dessen Sohn Karl Habsburg-Lothringen ist sein Trauzeuge. Deshalb war er zu der Trauerfeier eingeladen worden. Es passt in dieses Bild, dass der heute 75-jährige Monarchist ist. Aber er ist auch noch viel mehr.

Der Großdorfer war zur Verabschiedung von Otto Habsburg-Lothringen eingeladen. <span class="copyright">Reuters</span>
Der Großdorfer war zur Verabschiedung von Otto Habsburg-Lothringen eingeladen. Reuters

Hugo Waldner wurde am 19. November 1947 geboren; seine Mutter war die zweite Frau seines Vaters, die erste war früh verstorben. Mit drei Halbgeschwistern und einer Schwester wuchs er auf einem Bauernhof in Großdorf auf. Wie damals üblich, bestand seine Schulbildung aus dem Besuch einer achtjährigen Volksschule. Da sein Vater eine leichte Behinderung aus dem Ersten Weltkrieg mitgebracht hatte, half Hugo Waldner schon früh in der Landwirtschaft mit. Es ergab sich dann, dass er den Betrieb weiterführte, nachdem der „Däta“ nicht mehr konnte. Einen weiteren Beruf lernte der sechsfache Vater nicht.

Bücher aller Spektren

Dafür bildete er sich ein Leben lang im Selbststudium weiter. Wie viele Bücher er besitzt, oder besser gesagt, besaß, kann er nicht sagen, weil viele Exemplare 1990 beim Brand seines damals frisch renovierten Hauses zerstört wurden. Gewiss ist jedoch: Hugo Waldner liest Bücher aus allen politischen Spektren. Einst sagte deshalb ein Besucher zu ihm: „Anhand deiner Bücher kann man nicht einschätzen, ob du links oder rechts bist.“ Nun, der Autodidakt hat eine klare politische Einstellung, er weiß, wo er steht. Aber: „Ich höre auch den anderen zu. Ich rede gerne mit allen Menschen, egal welcher Partei oder Religion sie sind.“ Das bedarf einer Portion Offenheit, die sich Hugo Waldner vor allem durch seine Lektüren angeeignet hat. Reisen – das auch für eine offene Einstellung sorgen kann – stand bisher kaum auf seinem Programm.

Hugo Waldner mit Familienbild. Er und seine Frau Maria haben sechs Kinder. <span class="copyright">Hartinger</span>
Hugo Waldner mit Familienbild. Er und seine Frau Maria haben sechs Kinder. Hartinger

Das ließ sein Zeitplan auch kaum zu. Der zupackende Mann engagierte sich 25 Jahre in der Egger Gemeindepolitik; fünf Jahre im Vorstand und von 1980 bis 2000 als Vizebürgermeister. Zudem war er in vielen weiteren Vereinen und Vereinigungen ehrenamtlich tätig. Um nur einige zu nennen: Er gründete die Vorarlberger Jungbauernschaft mit, genauso den Maschinenring, den Betriebshelferring und den Heimatpflegeverein. Außerdem stand der lebenskluge Bauer vielen Menschen mit Rat und Tat zur Seite, etwa, indem er sie bei Auseinandersetzungen mit der Justiz unterstützte. Das bereitete ihm Spaß, wie er mit einem Schmunzeln erzählt. Vier Mal zog Hugo Waldner gegen die Bezirkshauptmannschaft (BH) vor das Landesverwaltungsgericht, drei Mal gewann er den Prozess. Diese Fälle betrafen jedoch nicht ihn, sondern Menschen, die seine Unterstützung erbeten hatten. Worum es sich handelte, möchte er deshalb nicht preisgeben.

Sagt, was er denkt

Hugo und Maria Waldner vor ihrem Haus in Egg-Großdorf.<span class="copyright"> Hartinger</span>
Hugo und Maria Waldner vor ihrem Haus in Egg-Großdorf. Hartinger

Dafür erzählt er eine andere Geschichte: Ein Mann hatte kurz nach seiner erfolgreichen Führerscheinprüfung einen kleinen Unfall, die Behörde wollte ihm deshalb den Führerschein abnehmen und Hugo Waldner begleitete ihn zur BH, um sich gegen die Abnahme zu wehren. „Dort sprachen wir mit einem jungen Juristen, unter anderem über die fehlende Fahrpraxis des Mannes. Der Jurist stellte die Frage: ‚Was ist, wenn er einen Unfall verur­sacht, bei dem jemand stirbt?‘ Ich antwortete: ‚Herr Doktor, wenn jemand, der seit 40 Tagen Auto fährt, einen Unfall mit einem Todesopfer hat und genauso jemand, der seit 40 Jahren den Führerschein hat: Wer ist dann toter?‘“ Der couragierte Mann kennt keine Scheu, zu sagen, was er denkt – egal wer ihm gegenübersteht. Er ist Autoritäten gegenüber auch nicht unterwürfig oder schüchtern, wenngleich er sie als die Person akzeptiert, die sie ist. Den Führerschein musste der Mann übrigens nicht abgeben.

Die Kühe in Hugo Waldners Stall sind behornt und gehören zur Rasse des Original Braunviehs. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Kühe in Hugo Waldners Stall sind behornt und gehören zur Rasse des Original Braunviehs. Hartinger

Von seinem Verhandlungsgeschick und seiner Lebensweisheit haben nicht nur Privatpersonen profitiert, sondern auch Unternehmer oder Politiker. So war und ist Hugo Waldner ein väterlicher Freund von Altlandesrat Erich Schwärzler. Dass die Firmen Rupp und Alma in den 1980er-Jahren ein gemeinsames Käsereifungslager gebaut haben, ist der Mitverdienst des beherzten Landwirtes. „Beide Seiten hatten ihre Standpunkte, und die eine wollte weniger davon abrücken als die andere. Ich habe mir beide Parteien angehört und vermittelt, so gut es ging.“ Wer so lange und intensiv in politischen und ehrenamtlichen Funktionen gearbeitet hat, hat naturgemäß aber auch Menschen vor den Kopf gestoßen. Denn: Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

Redensarten

Diesen Spruch könnte Hugo Waldner beim Gespräch mit der NEUE am Sonntag gesagt haben. Währenddessen verwendet er nämlich immer wieder Redensarten, etwa: „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.“ Oder, auf wälderisch: „A große Gwolt weat ned old.“ Das bedeutet: Wenn etwas mit Gewalt erwirkt wurde, hält es nicht lange. Der 75-Jährige redet eher schnell, er antwortet ohne Zögern auf Fragen, lässt sich nichts aus der Nase ziehen, erzählt aber auch nicht uferlos.
Dabei könnte er wohl stundenlang erzählen. Von Otto und Karl Habsburg-Lothringen zum Beispiel. Kennengelernt hat er den Kaisersohn und den Kaiserenkel durch die Paneuropa-Bewegung Österreich, der er in den 1980er-Jahren beigetreten ist und bei der er Vorarlberg-Obmann war. Dies tat er, weil: „Europa hat mich immer sehr interessiert und ich war stets ein grenzüberschreitender Denker.“ Einige Treffen der Bewegung fanden in Großdorf statt, Karl Habsburg-Lothringen reiste öfters dazu an. Im Land weilte der Kaiserenkel auch am 13. Mai 1983, als Hugo Waldner seine niederösterreichische Frau Maria heiratete und er diese Ehe bezeugte. Da die Paneuropa-Bewegung 1995 mit dem EU-Beitritt Österreichs ihr größtes Ziel erreicht hatte, wurde sie zunehmend inaktiver, und auch der Kontakt zwischen dem Bregenzerwälder und den Habsburgern wurde weniger.

Otto Habsburg-Lothringen, der älteste Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl I. <span class="copyright">Reuters </span>
Otto Habsburg-Lothringen, der älteste Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl I. Reuters

Auf die Frage, was für ein Mensch Karl Habsburg-Lothringen ist, antwortet der Landwirt: „Ein Mensch wie andere auch. Genauso wie sein Vater Otto. Ich dachte nie, dass er etwas Besseres ist. Deshalb habe ich mich mit ihm gut verstanden.“

Waldner von Plankenstein

Wenngleich Hugo Waldner auch Republikaner ist und bei der ÖVP mitgearbeitet hat, konnte er der Monarchie immer schon viel abgewinnen. Dass einer seiner Ahnen, der wie mehrere seiner Vorväter Landammann war, zu Johannes Waldner von Plankenstein geadelt wurde, hat damit nichts zu tun. An der Monarchie überzeugt ihn: „Parteien denken nicht generationenübergreifend, sondern schauen nur von einem Wahltag zum anderen. Das ärgert mich an der Politik heute noch. Die Monarchie arbeitet in viel längeren Zeitabständen. Ein Monarch will sein Reich erhalten und gut weitergeben. Deshalb konnte das Habsburger-Reich 1000 Jahre bestehen.“ Keine Staatsform habe nur Gutes und Schlechtes, fährt der ehemalige Kommunalpolitiker fort.

Vorbild

Schwarz-Weiß-Denken ist sowieso nicht seines. Weder in der Politik noch bei Sach­themen oder bei Menschen. „Niemand hat nur Gutes oder nur Schlechtes“, sagt er. Dazu fällt dem belesenen Mann ein Zitat von Franz Michael Felder, dem Schoppernauer Bauern und Schriftsteller ein. „Als die Menschen vom Vorsäß heimzogen, sagte er: ‚Und von jedem fiel mir etwas Gutes ein‘“. Felder, der etwas mehr als 100 Jahre vor Hugo Waldner geboren wurde, ist ein Vorbild für den Großdorfer.

Der Autodidakt liest täglich die NEUE und die VN. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der Autodidakt liest täglich die NEUE und die VN. Hartinger

Hätte er in einem anderen Bereich und nicht so viel ehrenamtlich gearbeitet, wäre er heute wohl ein reicher Mann. Dass dem nicht so ist, ist ihm egal, sagt er und lacht. „Mein Gott und Vater, die reichen Menschen sind auch nicht glücklicher. Ich bin zufrieden. Ich habe eine Landwirtschaft und eine Familie.“ Eine Art von Reichtum ist auch, eine langanhaltende Ehe zu führen, am Samstag feierte Hugo Waldner den 40. Hochzeitstag mit seiner Frau Maria. „Ohne sie wäre es nicht gegangen und ich hätte vieles von dem, was ich gemacht habe, nicht tun können.“

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