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Bildungsdirektorin: „Stehen vor einer schwierigen Situation“

24.05.2023 • 10:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Bildungsdirektorin: „Stehen vor einer schwierigen Situation“
Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani ist gefordert. NEUE

Lehrermangel: Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani möchte erreichen, dass Teilzeit-Lehrkräfte mehr arbeiten, und sieht Zusatzangebote weiter schwinden.

Wie die NEUE in ihrer Sonntagsausgabe berichtete, werden an den Vorarlberger Pflichtschulen auch im nächsten Jahr viele Pädagogen fehlen. Im Rahmen der Hauptausschreibung auf dem Online-Portal „Get your teacher“ fanden sich für 129 von 321 Stellen keine Interessen. Derzeit läuft ein zweiter Bewerbungsdurchgang, ein dritter folgt im Juni. Allerdings – so sagen Insider – sind in den beiden Runden nicht mehr allzu viele Bewerbungen zu erwarten. Willi Witzemann, Personalvertreter der Pflichtschullehrer, warnte im Interview vor massiven Qualitätseinbußen und forderte rasches Handeln von der Politik. Nun bezieht auf Anfrage auch Bildungsdirektorin Evelyn Marte-Stefani Stellung zum Lehrermangel:

Wie fällt ihre Bilanz nach der ersten Bewerbungsgrunde aus?
Evelyn Marte-Stefani: Wir stehen ohne Zweifel vor einer schwierigen Situation. In Zahlen sieht die Bilanz so aus, dass es derzeit im Pflichtschulbereich zu wenige Bewerbungen gibt, um alle offenen Stellen abdecken zu können. Betroffen ist vor allem der Volksschulbereich und an den Mittelschulen sind es Fächer wie Deutsch, Mathematik, Digitale Grundbildung, Musik, Physik, Chemie. Derzeit läuft die zweite Nachtragsausschreibung, im Juni folgt noch eine dritte Runde. Aufgrund der Personallücke ist es aber schon jetzt notwendig, zusätzliche Maßnahmen beim bestehenden Personal zu setzen. Das schaffen wir nur gemeinsam mit den Schulleiterinnen und Schulleitern sowie der Personalvertretung, die frühzeitig in unsere Vorschläge eingebunden wurden.

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Besonders großer Personalmangel herrrscht in der Primarstufe. APA

Welche Maßnahmen wird die Bildungsdirektion ergreifen, um die Lücken möglichst zu schließen?
Marte-Stefani: Angesichts der geringen Anzahl an Bewerbern muss es uns gelingen, ein höheres Beschäftigungsausmaß bei den Teilzeitkräften zu erreichen. Zunächst werden dazu alle Anträge auf Stundenherabsetzung ohne gesetzlichen Anspruch geprüft und zwar unabhängig von der Personalsituation am betreffenden Standort. Hierzu laufen bereits individuelle Gespräche mit allen Schulleiterinnen und Schulleitern, da diese am besten wissen, ob und in welchem Ausmaß eine Erhöhung überhaupt möglich ist. Wir gehen dazu auch in den regionalen Austausch von Schulen, damit sie sich gegenseitig unterstützen und schulübergreifende Lösungen finden. Parallel setzen wir natürlich auf die noch laufenden Ausschreibungen. Mittels Inseraten versuchen wir Quereinsteiger und Lehrpersonen aus jenen Bundesländern anzusprechen, wo es voraussichtlich noch einen Überhang geben wird. Auch pensionierte Lehrpersonen haben wir bereits angeschrieben.

Es unterrichten immer mehr Quereinsteiger ohne pädagogische und didaktische Ausbildung an den Pflichtschulen? Wie stellen Sie trotzdem die Qualität an den Schulen sicher?
Marte-Stefani: Wir sind sehr froh um unsere Quereinsteiger, sie sind eine Bereicherung für die Schule und haben uns zu Beginn dieses Schuljahres maßgeblich geholfen, den Unterricht abdecken zu können. Die Qualität ist jedenfalls durch ein Mentoring an der Schule, eine Induktionsphase im ersten Unterrichtsjahr und die Absolvierung eines verpflichtenden Lehrgangs an der Pädagogischen Hochschule (PH) gesichert. Dieser ist berufsbegleitend zu absolvieren und bedeutet daher eine zusätzliche Arbeitslast. Dennoch liegt unser klarer Fokus auf der Gewinnung von mehr ausgebildeten Lehrpersonen. Bis diese allerdings ihr Studium absolviert und im Schuldienst eingesetzt werden können, braucht es Zeit. Für das nächste Schuljahr braucht es hingegen kurzfristige Maßnahmen.

Willi Witzemann. Personalvertreter der  Pflichtschullerer, warnte im NEUE-Interview vor einer  Qualitätskatastrophe und forderte rasches Handeln von der Politik. <span class="copyright">Hartinger</span>
Willi Witzemann. Personalvertreter der Pflichtschullerer, warnte im NEUE-Interview vor einer Qualitätskatastrophe und forderte rasches Handeln von der Politik. Hartinger

Wie lange wird uns der Lehrermangel noch begleiten?
Marte-Stefani: Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen wird uns diese Situation leider auch noch in den kommenden Jahren begleiten. Insbesondere hoffen wir, dass so rasch wie möglich eine Anpassung der Studiendauer erfolgt. Auch ein Ausbau des Studienangebots an der PH Vorarlberg wäre wünschenswert. Positiv stimmen uns aber die guten Rückmeldungen zur Projektstelle „Arbeitsplatz Schule“, die zum Beispiel intensiv Werbung bei Maturanten für den Lehrerberuf macht und als Anlaufstelle für alle Lehrpersonen bzw. solche, die es noch werden wollen, fungiert.

Welche Fächer bzw. Zusatzangebote werden als erstes gekürzt?
Marte-Stefani: Klar ist, dass Pflichtgegenstände und Rechtsansprüche, etwa Deutschförderung, eingehalten werden müssen und somit Vorrang vor Zusatzangeboten wie Freifächer und unverbindliche Übungen haben. Schon heuer konnten trotz großer Bemühungen aller Beteiligten Zusatzangebote nicht im gewünschten Ausmaß ausgeschöpft werden. Das wird sich im nächsten Schuljahr verstärken. Welche Zusatzangebote davon konkret betroffen sein werden, wird schulautonom entschieden.

Angesichts der Tatsache, dass sich die Bewerbungen auf einige wenige Schulen konzenrieren, dürfte die Zuteilung nicht gerade einfach werden. Wie geht die Bildungsdirektion hier vor? Werden Lehrer möglicherweise versetzt?
Marte-Stefani: Bevor es dazu kommt, werden sicherlich alle anderen zur Verfügung stehenden Maßnahmen ausgeschöpft. Das heißt, wir versuchen, den Bedarf mit den am jeweiligen Standort beschäftigten Lehrpersonen abzudecken.

Würde ein „Teuerungsausgleich grundsätzlich helfen? Was ist hier von der Politik zu erwarten?
Marte-Stefani: Dafür setzen wir uns ein und unterstützen eine entsprechende Entschließung des Vorarlberger Landtages sowie die Bemühungen der Landesstatthalterin. Vorarlberg hat im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht nur höhere Lebenshaltungskosten, sondern ist zusätzlich durch die Konkurrenz der Lehrergehälter im Dreiländereck gefordert. Ein gewisser Ausgleich wäre daher ein wichtiges Zeichen. Das Besoldungsrecht stellt eine Bundeskompetenz dar.