Kian Soltani im Tanz mit dem Orchester

Am letzten Festspieltag bereitete das Symphonieorchester Vorarlberg bei der Matinee unter der Leitung von Leo McFall einen feierlichen Abschluss.
Ein begeisterndes Konzert gestalteten der Cellist Kian Soltani, der Dirigent Leo McFall und das SOV bei seinem bereits traditionellen Auftritt am letzten Festspielsonntag: Der britische Dirigent und das Orchester wachsen immer mehr zusammen und brauchen sich mit ihrer Spielfreude und ihrem Engagement nicht vor den Wiener Kollegen zu verstecken. Und dass Kian Soltani bei seinem Heimspiel das zweite, höchst anspruchsvolle Konzert von Schostakowitsch musizierte (im vergangenen Jahr hatte er sein Festspieldebüt mit dessen erstem Konzert), zeigte das Weltklasseformat des mittlerweile in Berlin lebenden Vorarlberger Cellisten.

Im rhythmischen Puls
Paul Dukas hat der Darstellung des „Zauberlehrlings“ in der Ballade von Goethe ein musikalisches Portrait in Form eines Scherzos gewidmet, in dem sich ein Orchester prächtig mit all seinen Farben, aber auch seinem rhythmischen Puls präsentieren kann. Leo McFall arbeitete den Beginn mit seinen fast mystischen Klängen heraus, angeführt von der ersten Fagottistin (Aline Maurer) entwickelte sich das Treiben des wasserschöpfenden Besens, dem der Zauberlehrling nicht mehr Einhalt gebieten kann, zu einem schillernden Perpetuum mobile, das von allen Orchestergruppen lustvoll ironisch angetrieben wurde.
Die Ironie war auch bei Dmitri Schostakowitsch ein Mittel des Ausdrucks, allerdings eher versteckt oder verbunden mit fratzenhaften Grimassen. Immer wieder spiegeln sich in seinen Werken die Unterdrückung und Bespitzelung, denen der Komponist ausgesetzt war, die Angst und das vermeintliche Lächeln.

Ein Hörerlebnis von Soltani
Das zweite Cellokonzert hebt wie ein bohrender Klagegesang des Solisten an, er verbindet sich in großen Bögen mit der Cellogruppe, steigert sich in rhythmischer Besessenheit und sinkt zurück in einer choralartigen Melodie in Doppelgriffen, die größte Einsamkeit auszudrücken scheint. Wie ein Gaukler führt das Cello den Tanz mit dem Orchester an, immer wieder gibt es Dialoge mit den Schlagwerkern oder Solobläsern. Schostakowitsch hat das enorm vielschichtige Werk 1966 für den großen Cellisten Mstislav Rostropowitsch geschrieben, über seinen Lehrer Ivan Monighetti, den letzten Schüler des Meisters, geht eine direkte Linie zu Kian Soltani. Nicht nur dadurch wirkt seine Interpretation ungemein authentisch, intensiv, erdgebunden und im engsten Kontakt mit Leo McFall und dem SOV in symbiotischem Zusammenspiel.
Absolut souverän in spieltechnischen Herausforderungen, klangschön und voller Energie macht er das recht selten zu hörende, oft beklemmende Werk zu einem Hörerlebnis. Zur Entspannung schenkte der bekennende Filmfan dem begeisterten Publikum wie im letzten Jahr – „weil sie so schön ist“ – die selige Melodie aus Schostakowitschs „The Gadfly“ (auf Deutsch mit „Hornisse“ oder „Stechfliege“ übersetzt) und band dabei seine Kolleginnen und Kollegen aus der Cellogruppe ein – wunderbar!
Melodisch blühend
Wie die Celli singen können, machte Leo McFall nach der Pause auch mit den schönen Melodien von Dvoráks achter Symphonie deutlich. Natürlich auch, wie fein die Holzbläser ihre naturnahen Motive artikulieren, wie geschlossen die Hörnergruppe und die Blechbläser klingen und wie sich die Streichergruppe unter der Führung von Konzertmeisterin Michaela Girardi aufschwingen kann. Der böhmische Komponist hat diese Sinfonie vor der Erlangung der Ehrendoktorwürde an der University of Cambridge vorgelegt, der Engländer Leo McFall, in Oxford ausgebildet, brachte sie nun seinem Orchester nahe: melodisch blühend, aber auch reich an Kontrasten, an Dramatik und Intensität, mit einem rhythmisch verschobenen Tanzsatz und einem schmetternden Finale.
Mit seiner plastischen, immer präzisen, oft mit einem Lächeln vermittelten Körpersprache gewann McFall Orchester und Publikum und gab den Applaus an die Orchestergruppen weiter. Das SOV hat ja in dieser letzten Festspielwoche zum Teil auch vier Aufführungen von „Werther“ im Kornmarkttheater gemeistert, nun darf es mit seinem sympathischen Chef in die Ferien gehen.
Von Katharina von Glasenapp