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„Jeder Mensch kann sich das Leben lang verändern“

14.09.2023 • 19:40 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Jugendliche begehen vor allem bagatellhafte Vergehen. <span class="copyright">Symbolbild/Shutterstock</span>
Jugendliche begehen vor allem bagatellhafte Vergehen. Symbolbild/Shutterstock

Die Kriminalität der Kinder nimmt zu. Welche Gründe das haben kann und wie am besten damit umgegangen wird.

“Jugendliche sind am ehesten bereit, bestimmte Normen zu übertreten“, erklärt Dirk Baier am Donnerstag bei seinem Impulsreferat zur Jugenddelinquenz im Vorarlberg Museum, warum besonders ein Blick auf die Jugendlichen in Verbindung mit Kriminalität geworfen wird. Jugendkriminalität war außerdem das Thema der Veranstaltung von Neustart, wo Rechtsexperten und Personen aus dem Sozialbereich miteinander diskutierten und der Schweizer Institutsleiter Einblicke in die Forschung gab.

Es waren Gäste aus dem sozialen Bereich bei der Veranstaltung. <span class="copyright">Paulitsch</span>
Es waren Gäste aus dem sozialen Bereich bei der Veranstaltung. Paulitsch

Angemessene Reaktionen gefragt

So ergab etwa eine Studie in der Schweiz aus dem Jahr 2022, dass bei den Altersgruppen 15 bis 17 Jahren und 18 bis 19 Jahren die Beschuldigtenzahlen wegen eines kriminellen Delikts am höchsten waren. Dies bringt Baier mit mehreren Phänomenen in diesem Alter in Verbindung, wie etwa das Lösen von den Eltern, der Gruppendynamik, der Umbau des Gehirns, die Identitätsfindung und dass man dabei „hin und wieder gegen die Wand läuft, um die Rückmeldung zu erhalten“. Jugendliche würden aber meist nur ein, zwei Straftaten begehen und dann schnell wieder auf die rechte Bahn kommen, so Baier. Es sei deswegen wichtig, im Jugendalter Reaktion zu erleben, diese müssten nur individuell abgestimmt werden und angemessen sein, ergänzt er.

Dirk Baier bei seinem Impulsreferat. <span class="copyright">paulitsch</span>
Dirk Baier bei seinem Impulsreferat. paulitsch

Denn die häufigsten Delikte, weswegen junge Menschen polizeilich angezeigt werden, sind einfache Bagatelldelikte, wie Ladendiebstahl, Sachbeschädigung oder einfache Körperverletzungen. „Auf bagatellhaftes Verhalten müssen wir nicht mit aller Härte reagieren“, so Baier. Dies verdeutlichte er mit dem Bild, dass ältere Generationen womöglich eher einem Straftäter, der eine Scheibe eingeworfen hat, „die Hände abhacken wollen würden“. Dies sei jedoch in kleinster Weise angemessen, betont er. Anders sieht es hingegen bei schweren Straftaten aus. „Die Jugendliche, die schwere Gewaltdelikte verüben, die nehmen zu. Darüber müssen wir uns Gedanken machen“, führt er aus. Trotzdem ist die steigende Zahl immer noch gering, etwa waren es im Jahr 2022 laut einer Erhebung 27 Tötungsdelikte und 103 schwere Körperverletzungen in der Schweiz.

Jüngere werden straffälliger

Wenn die Entwicklung der Jugendkriminalität der letzten Jahre genauer betrachtet wird, sind vor allem die Zahlen der Jüngeren sowohl in Österreich, Deutschland und der Schweiz auffällig. „Insbesondere bei den Kindern hat sich etwas getan.“ So sind die Zahlen der Straftaten der 10- bis 14-Jährigen in der Schweiz von 2015 zu 2022 um fast 50 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: bei den 15- bis 17-Jährigen waren es 20 Prozent. So sei ein stabiler Trend zu beobachten, dass Jugendliche vermehrt Straftaten begehen.

Dieser Verschlechterungstrend hat nicht nur einen Ursprung, sondern ist von mehreren Faktoren geprägt. Baier sieht als einen dieser Gründe das soziale Klima in der Gesellschaft. Damit spricht er etwa Verhaltensweisen an, dass Personen sich zuletzt vermehrt aggressiv selbst durchsetzen wollen. Auch erwähnt er, dass Männlichkeitsnormen wiederaufleben und gibt die mediale Präsenz von Persönlichkeiten wie Donald Trump als Denkanstoß. Die Zunahme von Raufhandel, Angriffen und Ähnliches kann seinen Ursprung ebenso in der vermehrten Cliquen- und Gangbildung haben. In Gruppen wird man zu Taten verleitet, die man alleine nicht tun würde. Ebenso sieht er in der Verschlechterung der schulischen Rahmenbedingungen eine mögliche Ursache.

Bei der Podiumsdiskussprachen Experten aus Justiz und Sozialarbeit. <span class="copyright">Schwärzler</span>
Bei der Podiumsdiskussprachen Experten aus Justiz und Sozialarbeit. Schwärzler

Um der Jugendkriminalität entgegenzuwirken gibt es diverse Ansätze. Die einen sind wirksamer als die anderen. Etwa sind harte Herangehensweisen wie Boot Camps laut Baier nicht zielführend. Stattdessen sieht er in früher Prävention die Lösung. Doch es sei nie zu spät. „Menschen können sich das Leben lang verändern“, führt er aus. Diesen Satz greift Martina Lecker, Sozialarbeiterin bei Neustart bei der anschließenden Podiumsdiskussion nochmals auf: „Jugendliche sind motiviert, ihr Leben zu verändern und wollen ein straffreies Leben.“