Neue Dokumente in Inseratenaffäre

Erwarteten sich Unternehmen für Inserate in der „Vorarlberger Wirtschaft“ Gegenleistungen des Landes?
Im November 2015 schreibt der Geschäftsführer von Spar Vorarlberg einen Brief an den Vorarlberger Wirtschaftsbund. Er bemängelt darin den „fehlenden Rückhalt“ durch die ÖVP-Teilorganisation – zunächst ohne konkrete Punkte zu nennen, bei denen er sich mehr Unterstützung erwartet hätte. Die Konsequenz für das Verhalten des Wirtschaftsbundes wird jedoch schnell klar gemacht: Man werde im kommenden Jahr keine Inserate mehr in dessen Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ schalten, kündigt der Spar-Mann an. Das gelte im Übrigen auch für nahestehende Unternehmen.
Wer damit gemeint sein dürfte, scheint dem damaligen Wirtschaftsbunddirektor Walter Natter klar. Er leitete das Schreiben an den damaligen Landesstatthalter und Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser weiter. Spar und Sutterlüty wollten nicht mehr in der „Vorarlberger Wirtschaft“ inserieren, kommentiert er die Ankündigung knapp – die beiden Unternehmen befinden sich damals aber nicht mehr in einer Partnerschaft, bereits 2003 hat Sutterlüty zu Rewe gewechselt.
Natters Nachricht über den Inserateboykott geht aber nicht an Rüdissers Partei- oder Privatadresse, sondern direkt an dessen Büro im Landhaus. Dort wird der Vorgang, der laut Land nur die Interessenvertretung durch die Parteiorganisation betrifft, aus unbekannten Gründen veraktet. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt geht das Schreiben zusammen mit allen Dokumenten, die nicht von Rüdissers Nachfolger übernommen werden, ins Landesarchiv.
Dort liegt es bis heute in elektronischer Form – gemeinsam mit mindestens einem weiteren E-Mail, das ebenfalls die Inserateaffäre betrifft. Beide Aktenstücke sind versiegelt, wie es das Archivgesetz verlangt. Die NEUE am Sonntag konnte jedoch Einsicht in Kopien der Schreiben nehmen. Außerdem bestätigte das Amt der Landesregierung auf Anfrage deren Inhalt.
Solidarität mit Messepark
Warum sich Spar nicht ausreichend vom ÖVP-Wirtschaftsbund unterstützt sieht, wird erst in einem Nachsatz am Ende des Schreibens deutlicher: Man erkläre sich mit der Entscheidung auch solidarisch mit dem Messepark, heißt es darin. Über die Eigentümerfamilie Drexel bestehen Verbindungen zwischen den beiden Unternehmen. Die Ausbaupläne des Messeparks in Dornbirn sind zur damaligen Zeit gerade festgefahren. Später werden sie auf Eis gelegt und erst 2023 wieder aufgegriffen. Der Raumplanungsbeirat hat eine Empfehlung für den Ausbau abgegeben, demnächst soll die Landesregierung darüber entscheiden.
Bereits beim Aufkommen der Inserateaffäre spekulieren mehrere Medien, dass die zahlreichen Spar-Inserate in der „Vorarlberger Wirtschaft“ im Zusammenhang mit der Erweiterung des Einkaufszentrums stehen könnten. Auch das Skigebiet Lech und dessen Projektwünsche wurden immer wieder im Hinblick auf die häufigen Schaltungen der betreffenden Unternehmen im Magazin genannt.
Wunschliste der Seilbahnen
Tatsächlich stammt das zweite Schreiben, das seinen Weg von Walter Natter ins Büro des Landesstatthalters fand, aus Lech. Zwei Seilbahnunternehmen wenden sich darin vertrauensvoll an den Wirtschaftsbund Vorarlberg – angeschlossen ist ein halbseitiges Inserat für die „Vorarlberger Wirtschaft“. Den „Unterstützungsbeitrag“ solle man bitte auf beide Unternehmen aufteilen, heißt es weiter.
Das ist insofern interessant, als der Unabhängige Parteientransparenzsenat (UPTS) festgehalten hat, bei den Inseratepreisen in der „Vorarlberger Wirtschaft“ handle es sich um marktkonforme Summen und keine verdeckten Parteispenden, wie sie der Rechnungshof geortet hatte. Gegen den vom UPTS angenommenen Werbewert spricht nun aber auch die dezidierte Verknüpfung der politischen Unterstützung durch den Wirtschaftsbund mit der Schaltung von Spar-Inseraten.
Mit dem „Unterstützungsbeitrag“, den die Lecher Seilbahnen ansprechen, könnte freilich auch eine vorab vereinbarte, zusätzliche Spende gemeint sein, die im E-Mail aber nicht weiter erwähnt wird. Vielmehr enthält das Schreiben eine Liste von Projekten, deren Unterstützung man offenbar bereits einmal erwartet hat und die man nun erneut einfordert.
Naturschutzgebiet verkleinert
Das Land interpretiert das E-Mail so, dass der Absender darin „zwar die Schaltung eines Inserats in der ‚Vorarlberger Wirtschaft‘ zugesagt“ habe, ansonsten aber nur „generell mangelnde Hilfestellung seitens des Wirtschaftsbundes moniert“ werde. „Der Absender des Emails listet in weiterer Folge eine Reihe von unterschiedlichsten Projekten bzw. Behördenverfahren auf, bei denen man sich Unterstützung der Interessensvertretung erwarte.“ Darin sei es „um den Umbau/Neugestaltung/Verlegung einer bereits bestehenden Anlage“ gegangen.
Tatsächlich verkleinert die schwarz-grüne Landesregierung im Jahr 2019 per Verordnung das Naturschutzgebiet Gipslöcher in Lech, damit dort Anlagen für einen Skilift errichtet werden können. Der Verfassungsgerichtshof hebt diese Entscheidung jedoch 2022 als unzulässig wieder auf.
Rüdisser erinnerte sich nicht
Beim Aufkommen der Inseratenaffäre berichtet der Kurier im Mai 2022 über die genannten Projekte. Man verweist darin auf den „Wunsch der Betreiber des Messeparks in Dornbirn, dem größten Einkaufszentrum Vorarlbergs, nach einer Erweiterung. Auch das Skigebiet Lech hatte Ausbaupläne am Wunschzettel“, heißt es im Bericht der Tageszeitung. Auf Anfrage erklärte Karlheinz Rüdisser damals dem Kurier jedoch: „Es hat während meiner Zeit als für Wirtschaft zuständiges Mitglied der Landesregierung keine wie immer gearteten Interventionen – weder vom Wirtschaftsbund noch von den genannten Unternehmen – in der Form gegeben, dass Inseratenschaltungen mit Begehrlichkeiten rund um Betriebserweiterungen verknüpft worden sind.“
Das scheint angesichts der beiden Interventionsschreiben, die in seinem Büro einlangten und veraktet wurden, erstaunlich. Rüdisser seien die Schreiben zwischen den Unternehmen „und dem Wirtschaftsbund als politische Interessensvertretung zur Kenntnis gebracht“ worden, heißt es vom Amt der Landesregierung nun auf Anfrage. Allerdings werde darin nur „in sehr allgemeinem Ton mangelnde Unterstützung durch den Wirtschaftsbund beklagt“.
Ob es im Anschluss Treffen mit Unternehmensvertretern gab, ist unklar. Beim Land geht man davon aus, dass Rüdisser die Schreiben nicht beantwortet hat: „Unserem Informationsstand zufolge wurden diese Schreiben lediglich veraktet, aber nicht weiter bearbeitet bzw. beantwortet.“
Anmerkung: In einer früheren Version hieß es, Karlheinz Rüdisser sei zum Zeitpunkt des Einlangens der Schreiben Obmann des Wirtschaftsbundes gewesen, tatsächlich wurde er dies erst im Zuge des Wirtschaftsbundskandales interimistisch.