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Akte Jäger Bau: Tschann gerät in Widersprüche

16.09.2023 • 08:21 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die Wohnanlage in der Fohrenburgstraße in Bludenz.  Warum das Verfahren so lange dauert und neue Details immer mehr Fragen aufwerfen. <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Wohnanlage in der Fohrenburgstraße in Bludenz. Warum das Verfahren so lange dauert und neue Details immer mehr Fragen aufwerfen. Hartinger

Seit März 2022 wird gegen den Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann wegen des Verdachts des Amtssmissbrauchs ermittelt.

Seit nunmehr eineinhalb Jahren lässt die Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Bludenzer ÖVP-Bürgermeister Simon Tschann ermitteln. Hintergrund ist eine Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, eingebracht von einem Mandatar der Bludenzer SPÖ.

Wie die NEUE mehrfach berichtete, geht es dabei um ein Bauprojekt in der Fohrenburgstraße, das den Anrainern im Villenviertel wegen seiner Größe von Anfang an missfiel. Aber auch der Gestaltungsbeirat und der städtische Amtssachverständige für Orts- und Landschaftsschutz hatten keine Freude mit der Wohnanlage, die ein Geschoss mehr hat als in dieser Gegend üblich. In der Anzeige vom 19. Februar 2022 wird Tschann vorgeworfen, den Bau trotz einer negativen Beurteilung des städtischen Gutachters zu Gunsten des in Bludenz ansässigen Unternehmens Jäger Bau genehmigt zu haben. Der Bürgermeister weist die Anschuldigungen bis heute zurück.

“Das wünsche ich niemandem”

„Es ist sehr ärgerlich und sehr unangenehm, das wünsche ich niemandem“, beklagt Tschann auf NEUE-Anfrage die lange Verfahrensdauer. Einmal mehr weist er darauf hin, dass bisherige Prüfungen durch die Bezirkshauptmannschaft, das Landesverwaltungsgericht und durch den Landesvolksanwalt die Vorgehensweise der Stadt Bludenz bestätigt haben. „Somit wurde auch festgestellt, dass ich als Bürgermeister nicht falsch gehandelt habe“.

Bürgermeister Simon Tschann weist Vorwürfe zurück. <span class="copyright">Hartinger</span>
Bürgermeister Simon Tschann weist Vorwürfe zurück. Hartinger

Warum sich die Ermittlungen ziehen

Warum dauern die Ermittlungen nun schon so lange an? Ein Grund dürfte wohl sein, dass der ehemalige Leiter der Stadtplanung Anfang Juli 2022 im Strafverfahren gegen Tschann als Zeuge aussagte, ohne sich vorher von der Amtsverschwiegenheit entbinden zu lassen. Daraus entwickelte sich schließlich ein juristischer Nebenschauplatz, der fast ein Jahr lang andauerte.

Weil er die Rechte des Bürgermeisters verletzt sah, erhob dessen Rechtsanwalt Georg Mandl Einspruch gegen die Einvernahme des Stadtmitarbeiters. Das Landesgericht gab diesem statt, woraufhin die Staatsanwaltschaft die Sache vor das Oberlandesgericht Innsbruck brachte. Dort sah man zwar keine Rechtsverletzung, allerdings ordneten die Tiroler Richter eine neuerliche Einvernahme des Zeugen an. Anfang Juli 2023, also rund ein Jahr nach seiner ersten Befragung, wurde der Stadtplaner schließlich – auf Ersuchen seines Anwalts – von der Amtsverschwiegenheit entbunden. Zwischenzeitlich soll die Vernehmung stattgefunden haben. Gegen ihn läuft übrigens ebenfalls ein Strafverfahren. Das Amt der Stadt Bludenz zeigte ihn wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses an.

Der Bürgermeister selbst wurde bis dato noch nicht zu einer Einvernahme geladen. Jetzt, da der wichtigste Zeuge dem Recht entsprechend befragt worden ist, wird wohl auch Tschann den Ermittlern bald Rede und Antwort stehen müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Einvernahme des Bürgermeisters jedenfalls bereits im März 2022 angeordnet.

Hier steht die Wohnanlage.<span class="copyright"> Vogis</span>
Hier steht die Wohnanlage. Vogis

Wie sich der Bürgermeister verantwortet

Bisher behauptete er, dass der damalige Leiter der Stadtplanung das Bauvorhaben im Rahmen eines Jour-fixe am 10. Juni 2021 mündlich freigegeben habe. Der Bürgermeister vertrat diese Argumentation öffentlich im Rahmen einer Anfragebeantwortung in der Stadtvertretungssitzung im Juni 2022 sowie in Stellungnahmen an die Bezirkshauptmannschaft Bludenz und den Landesvolksanwalt.
Wie berichtet, fand sich im Bauakt allerdings kein Dokument zur Freigabe, auch fehlten die negativen Stellungnahmen des Fachbeirats sowie das negative Gutachten des Amtssachverständigen für Ortsbild- und Landschaftsschutz. Das fiel auch der Bezirkshauptmannschaft Bludenz auf, die das Bauprojekt nach einer Aufsichtsbeschwerde prüfte. Die Behörde bemängelte zwar Verfahrensfehler „aufgrund einer unzureichenden Aktenführung respektive einer mangelnden Verschriftlichung von Handlungsschritten“, hob den Baubescheid aber nicht auf. Das Landesverwaltungsgericht setzte sich lediglich mit der Frage auseinander, ob Rechte der Anrainer verletzt worden waren.

Bürgermeister Simon Tschann.<span class="copyright"> hartinger</span>
Bürgermeister Simon Tschann. hartinger

Widersprüche

Insider bezweifeln mittlerweile stark, dass die Stadtplanungsabteilung das Projekt abgesegnet hat. Nach NEUE-Informationen sollen sowohl der Amtssachverständige als auch dessen damaliger Vorgesetzter in ihren polizeilichen Einvernahmen eine Freigabe des umstrittenen Bauprojekts in Abrede gestellt haben.

Aber auch das Datum des Jour-fixe wirft Fragen auf. Wie die NEUE herausfand, gab es am 10. Juni 2021 nämlich gar keine Sitzung – und demnach auch keine Freigabe. Der Bürgermeister bestätigte dies auf Nachfrage. „Dabei handelt es sich um einen Irrtum, der schon mehrfach richtiggestellt worden ist. Normalerweise findet jede Woche dieses Jour-fixe statt, aber an genau diesem Tag hat keines stattgefunden.“ Richtig sei das Datum 17. Juni 2021, sagt Tschann gegenüber der NEUE. „Nach diesem Jour-fixe wurde die Bauverhandlung anberaumt und schlussendlich der beantragte Baubescheid unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.“


Diese Angaben können allerdings so nicht stimmen. Denn die Stadt Bludenz machte die Bauverhandlung nachweislich schon am 15. Juni 2021, also zwei Tage vor dem von Tschann genannten Datum, kund. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Fachbeirat noch am 16. Juni zusammentrat und das Bauprojekt einmal mehr negativ beurteilte.

Einstellung oder Anklage?

Ob die Ermittlungen mit einer Anklage oder Einstellung enden, wird sich zeigen. Die Hürden für die Verwirklichung eines Amtsmissbrauchs sind jedenfalls hoch. Insbesondere müsste dem Bürgermeister nachgewiesen werden, dass er die Rechtsvorschriften nicht nur gebrochen hat, sondern diese vorab auch kannte. Bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung gilt Tschann jedenfalls als unschuldig.