Feldkircher Schönfärberei

Die Pioneers Vorarlberg bestätigten am Dienstag den exklusiven NEUE-Bericht, wonach der Vertrag mit Haupt- und Namenssponsor Bemer im Frühjahr 2024 ausläuft. Wobei die Bestätigung einer Scheindiskussion glich.
Es ist ein alter Kniff, angebliche Vorwürfe zu dementieren, die nie erhoben wurden, um damit die Sachverhalte zu relativieren, die man schlichtweg eingestehen muss. Genau das haben am Dienstag Pioneers-Präsident Pit Gleim und Pioneers-Sportdirektor Michael Lampert im Gespräch mit den VN als Antwort auf einen Bericht der NEUE von diesem Sonntag gemacht. Dort enthüllte die NEUE exklusiv, dass der Vertrag der Pioneers mit Haupt- und Namenssponsor Bemer im Frühjahr 2024 ausläuft.
In der großformatigen Tageszeitung war nun zu lesen, dass Lampert „fast in Rage“ gekommen sei, als er dementierte, dass Bemer (sofort) als Namensgeber aus dem Klub aussteige, und festhielt, dass man als Bemer Pioneers Vorarlberg bei der Liga gemeldet habe und es überhaupt keinen Grund gäbe, Bemer bei der Namensnennung wegzulassen.
Doch nochmal von vorne: Da Bemer für einen Haupt- und Namenssponsor ungewöhnlich wenig präsent ist bei den Pioneers und eben nicht mit großem Logo auf der Trikotbrust zu sehen ist, so wie das eigentlich Usus ist, richtete die NEUE am 11. September eine Anfrage an das Liechtensteiner Unternehmen, ob denn Bemer noch Haupt- und Namenssponsor sei. Weiters hieß es in unserer Anfrage: „Sollte Bemer noch Haupt- und Namenssponsor sein, werden wir selbstverständlich gerne weiterhin Bemer als Teil des Vereinsnamens bei der gesamten Berichterstattung transportieren, falls nicht, stellen wir die Bemer-Nennung im Rahmen der Pioneers ein.“ Drei Tage später antwortete Bemer: „Vielen Dank für Ihre Nachfrage bezüglich unseres Engagements bei den Pioneers Vorarlberg. Der aktuelle Sponsoringvertrag läuft im Frühjahr 2024 aus. Wir passen unsere Sponsorings und Aktivitäten regelmäßig an und in diesem konkreten Fall ist ein weiteres Engagement über diesen Zeitraum hinaus aktuell nicht geplant.“
Einordnung
Mit dieser Rückmeldung beantwortete Bemer eine Frage, die so gar nicht gestellt war. Die NEUE fragte nicht nach dem Ablaufdatum der Sponsoringvereinbarung, bei Bemer hätten sie es sich sehr einfach machen können und antworten können, dass man als aktueller Haupt- und Namenssponsor sehr wohl Wert darauf legt, dass Bemer im Vereinsnamen der Pioneers mittransportiert wird – und der korrekte Vereinsname Bemer Pioneers Vorarlberg wäre. Die Liechtensteiner verzichteten nicht nur auf diese allgemeine Floskel, sondern nannten den Feldkircher Eishockeyklub selbst nur Pioneers Vorarlberg und eben nicht Bemer Pioneers Vorarlberg. Und das wertet die NEUE als Distanzierung.
Ja, die Liechtensteiner haben sich zwar die Namensgebung vertraglich gesichert, sie legen aber offensichtlich keinen großen Wert mehr darauf, dass es Bemer Pioneers Vorarlberg heißt. Darüber hinaus lässt es tief blicken, dass man bei Bemer mit einer so brisanten öffentlichen Kommunikation die Pioneers derart überrumpelt – denn man kann wohl davon ausgehen, dass das Statement nicht mit dem Feldkircher ICE-Verein abgestimmt war. Durchaus brisant dabei ist, dass Pioneers-Präsident Pit Gleim der Sohn von Bemer-Gründer Peter Gleim und Verwaltungsratsmitglied von Bemer ist. Die Wege für eine Abklärung, wie man mit dieser Presseanfrage umgehen soll, wären also kurz gewesen. Stattdessen hat Bemer die Pioneers mit dieser Kommunikation massiv unter Druck gebracht.
Auch Pit Gleim selbst zündete bei den „VN“ eine Nebelkerze, indem er betonte: „Die Verträge werden eingehalten, und der Hauptsponsor bleibt definitiv bis 2024.“ Es wurde von der NEUE nie infrage gestellt, dass Bemer bis 2024 Hauptsponsor bleibt. Noch erstaunlicher ist Gleims Aussage: „Wir halten laufende Verträge ein.“ Es war selbstverständlich in der NEUE auch nie die Rede davon, dass die Pioneers von sich aus den Sponsorenvertrag kündigen. Aber immerhin, mit diesen Stehsätzen ernteten die Feldkircher die Schlagzeile: „BEMER gelobt Loyalität bei Pioneers“ sowie die Titelseitenmeldung: „Pioneers Vorarlberg kontern Vorwürfen um Sponsor.“ Nein, die NEUE hat keine Vorwürfe an Bemer erhoben, sondern die Presseauskunft des Medizintechnikunternehmens veröffentlicht und das Statement im Zusammenhang mit den Entwicklungen am Eishockeystandort Feldkirch eingeordnet.
Ablenkungsmanöver
Gleims Stehsätze wirken wie ein Ablenkungsmanöver davon, dass er und Lampert bestätigten mussten, dass man auf eine unsichere Zukunft zusteuert. So sagte Lampert: „Es stimmt, dass der Vertrag mit Bemer 2024 ausläuft.“ Damit untermauerten er und Gleim die Hauptkritik der NEUE, dass die Pioneers im Vorjahr den Sprung in die ICE Hockey League wagten, obwohl man nur auf zwei Jahre hinaus finanziell abgesichert war. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem man sich keineswegs sicher sein konnte, ob die Coronapandemie wirklich schon überstanden war. Was die Pioneers nun versuchen, ist, die Diskussion auf Scheinthemen zu lenken, statt zu erklären, wie man den Gang in die Erstklassigkeit wagen konnte, obwohl man nur auf zwei Jahre hinaus abgesichert war.
2019 hatte Gleim nach dem Rückzug der VEU-Bewerbung für die seinerzeitige EBEL noch gesagt: „Wenn wir finanziell nicht mindestens für fünf Jahre abgesichert sind, sage ich Nein zum Aufstieg. Mir reicht es nicht, wenn ein Sponsor sagt, dass er es ein Jahr mit uns probiert. Für so ein Abenteuer bin ich nicht zu haben.“ Gleim wurde also nicht nur wortbrüchig, er hat mehr noch alles auf eine Karte gesetzt, auch bei der Planung für die Saison 2022/23. Der NEUE liegen seit September 2022 die Budgetzahlen vor, mit denen die Feldkircher für die ICE-Saison 2022/23 genannt haben. Dabei gingen die Pioneers von einem unrealistisch hohen Zuschauerzuspruch aus. In Wirklichkeit kamen in der Vorsaison im Schnitt 1438 Zuschauer, die Zahl der Vollzahler dürfte deutlich geringer gewesen sein.
Déjà-vu
Mit der Rückzugsankündigung von Hauptsponsor Bemer steht man bei den Pioneers bei der Planung für die Saison 2024/25 nun mit dem Rücken zur Wand. Es braucht nicht nur dringend mehr Zuschauer, es braucht vor allem dringend sportliche Erfolge, um sich für einen Hauptsponsor attraktiv zu machen. Was eine geradezu fahrlässige Ausgangsposition ist, gerade bei der so turbulenten Geschichte des Eishockeystandorts Feldkirch mit drei Konkursen (2000, 2004, 2007) sowie einem Ausgleich (1986). Zudem überstand man mehrere weitere kritische Momente nur knapp. Fakt ist: Nach jetzigem Stand können die Pioneers Vorarlberg in der kommenden Saison nicht mehr an der ICE Hockey League teilnehmen.
Natürlich ist es möglich, dass die Pioneers einen potenten neuen Geldgeber finden, und vielleicht lässt man sich sogar bei Bemer tatsächlich doch noch erweichen, für reduzierte Beträge das Sponsoring fortzusetzen. Aber gelingt das nicht, haben die Pioneers Vorarlberg über die Saison 2023/24 keine Zukunft mehr in der ICE Hockey League oder könnten dann gar ganz Geschichte sein. Für Pit Gleim wäre es ein Déjà-vu, denn schon Gleims Boxstall PGP Boxing hatte nur eine kurze Lebensdauer: Im August 2019 gegründet, musste Gleim den Boxstall ob der nicht mehr stemmbaren Kosten nur elf Monate später wieder schließen. Auch dieses Abenteuer finanzierte Bemer als Sponsor mit, schon damals verhinderte das Medizintechnikunternehmen dann aber nicht das frühe Aus des riskanten Projekts von Pit Gleim.
Steueruntersuchungen
Sicherlich keine Werbung für Gleims Eishockeyprojekt sind die Steueruntersuchungen gegen die VEU Feldkirch, die wie berichtet in den kommenden Wochen ein Ergebnis bringen. Womit sich der Kreis schließt. Nachdem die NEUE am 15. Juni exklusiv davon berichtete, dass gegen die VEU Feldkirch wegen des dringenden Tatverdachts der systematischen Abgabenhinterziehung in den Spielzeiten 2019/2020 und 2020/21 ermittelt wird, versandten die Pioneers tags darauf ein Statement, mit dem die Untersuchungen bestätigt wurden. In der Stellungnahme hieß es: „Die Pioneers Vorarlberg stellen klar (…) Die Organisation der Pioneers Vorarlberg steht in jeglicher Hinsicht auf professionellen Beinen. (…) Für den laufenden Spielbetrieb der Pioneers Vorarlberg in der win2day ICE Hockey League haben diese Prüfungen gegen die VEU Feldkirch keine Auswirkung.“ Selbst beim eigenen Pressestatement war von Bemer und damit den Bemer Pioneers Vorarlberg keine Spur. Aber, um ein letztes Mal auf die Aussagen von Gleim in den „VN“ zurückzukommen: „Wir sind Zielscheiben von medialen Attacken, die gezielt geritten werden.“ Bei den Pioneers glaubt man nämlich an eine große Verschwörung gegen sie. Auch das ist ein bewährter Kommunikationskniff: Bei internen Problemen Feindbilder im Außen zu schaffen, das stärkt den Zusammenhalt. Aber auch das ist am Ende nur ein Ablenkungsmanöver.
Was bleibt, ist ein fragiles Feldkircher Eishockey-Konstrukt, mit dem man womöglich drauf und dran ist, alte Klischees und Vorurteile zu bestätigen. Es ist ein Jammer – und man kann nur hoffen, dass den Pioneers das Glück hold ist. Sie werden es brauchen. Fortsetzung folgt.