Wenn das Shirt zu kurz für die Schule ist

Kleiderordnungen an Schulen werden kontrovers diskutiert. In Vorarlberg sind Direktoren und die Schülervertretung nicht überall gleicher Meinung.
Alle Jahre wieder kocht die Diskussion über dieselben Fragen zu Schulbeginn erneut hoch: Wie freizügig dürfen sich Schüler in der Schule kleiden? Wie wird damit verfahren, wenn ein Schüler im Unterricht eine Kappe tragen will? Lehrer, Schüler und Eltern sind uneins und Konflikte sind vorprogrammiert
Viel Diskussionsstoff
Vor rund einer Woche sorgte ein Gymnasium im niederösterreichischen Stockerau für Schlagzeilen, das eine Kleiderordnung für seine Schüler erließ. Darin heißt es etwa, dass Shirts von Mädchen den Brustansatz und den Bauchnabel verdecken müssen. Hosen dürfen nicht kürzer als eine Handbreite unter dem Schritt der Schülerinnen sein. Auch Burschen sind von den Regeln betroffen: Sie dürfen keine Kappen und Hauben im Unterricht tragen. Schuhe mit einem Profil, in dem Schmutz haften bleibt, sind ebenfalls verboten und auch Aufschriften auf der Kleidung, die „diskriminierende Texte und Bilder“ enthalten, sind tabu.
Seither werden die Vorschriften österreichweit kontrovers diskutiert. In Kärnten kam es kürzlich gar zur Eskalation. Ein zwölfjähriges Mädchen wurde von einer privaten Mittelschule verwiesen, weil ihre Mutter die vorherrschende Kleiderordnung in einem Chat zwischen Lehrern und Eltern als „faschistoid“ bezeichnet hatte.
Kein Handlungsbedarf
Vorarlberg ist von solchen Fällen bisher verschon geblieben. Michael Grünwald, Direktor an der HTL Dornbirn, meinte auf Anfrage der NEUE: „Bei uns ist das zum Glück kein Thema. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir in den letzten Jahren mit Freizügigkeit irgendwelche Probleme gehabt hätten. Von daher gibt es an unserer Schule auch keinen Bedarf, die Hausordnung in diese Richtung anzupassen.“ Christoph Prugger, Direktor des BG/BRG Feldkirch, ist gleicher Meinung. So werfe eine Kleiderordnung nur neue Fragen und Probleme auf. Sollte das Thema im Unterricht aufkommen, werde individuell entschieden. Johann Scheffknecht, Direktor der HAK Lustenau, fügt hinzu: „Wir haben derzeit größere Probleme in unserem Bildungssystem, als die Diskussion, ob man einen Bauchnabel sieht.“
Ansprüche des Tourismus
Kathrin Leitner, Schulleiterin der Tourismusschule Bludenz, sagt, dass ihre Schule schon länger Vorschriften habe. „Bei uns gibt es eine Service- und Kochkleidung, außerdem sind Piercings, gefärbte Haare, Tattoos im Gesicht und aufreizende Kleidung im Service nicht gestattet“, erklärt sie. Sie sei überrascht, dass die Diskussion erst jetzt aufkäme. „Eine berufsbildende höhere Schule sollte lehren, wie man sich kleidet, besonders im Hinblick auf das spätere Berufsleben.“ Landesschulsprecherin Noemi Christa ist anderer Meinung: „Kleidervorschriften an Schulen sind absolut nicht sinnvoll. Sie betreffen hauptsächlich Mädchen und stellen sie in die Position, sexualisiert zu werden.“ Daher setzt sie sich mit der Landesschülervertretung für Aufklärung ein: „Wenn Lehrer junge Frauen sexualisieren, sollte man dort ansetzen. Jeder soll sich anziehen dürfen, wie er will, ohne sich im Unterricht unwohl fühlen zu müssen.“
Die Vorarlberger Bildungsdirektion setzt in der Causa auf einen Mittelweg: „Jede Schule kann unter Einbeziehung von Lehrpersonen, Schülern und Eltern autonom über eine Kleiderordnung entscheiden“ Eine Empfehlung dafür gebe es von ihrer Seite nicht.
Landtagsparteien gegen Kleiderordnung
Unter den Landespolitikern fällt die Antwort auf die Frage, ob Schulen eine Kleiderordnung einführen sollten, recht eindeutig aus. Bei den meisten Fraktionen stößt die Idee auf wenig Begeisterung. Manuela Auer von der SPÖ meint: „Ein Kleidungsverbot an Schulen löst weder bildungspolitische Probleme, noch ist es eine Hilfestellung gegen Sexismus. Im Gegenteil: Indem ein gewisser Kleidungsstil angeprangert wird, werden Mädchen diffamiert und in veraltete Rollenbilder gedrängt.“ Sie kritisiert, dass „eine bestimmte Art sich zu kleiden einen Aufruf zur Belästigung darstellt“.

Ähnlich positioniert sich die Klubobfrau der Grünen, Eva Hammerer: „Eine Kleiderordnung wie an der Schule in Niederösterreich verfestigt Geschlechterrollen und sexualisiert Frauenkörper in jungen Jahren.“ Dieser Umstand sei „untragbar“. Schuluniformen hingegen begrüßt Hammerer, sie würden „enorm viel Druck rausnehmen“ und soziale Ausgrenzung verhindern.
Davon sind die Neos gar nicht angetan. Der stellvertretende Landessprecher Johannes Gasser erklärt: „Schuluniformen schränken die Jugendlichen ein – und unser Bildungssystem hat größere Probleme als die Frage, wie sich junge Menschen kleiden.“
Andrea Kerbleder, Bildungssprecherin der FPÖ, sieht das ähnlich: „Der überwiegende Teil der Schüler kleidet sich sicher angemessen.“ Daher sehe man keine Notwendigkeit für eine Kleidungsvorschrift. Wenn eine Schule dennoch den Bedarf dafür habe, soll sie diese autonom einführen.
Auch die Bildungssprecherin der ÖVP, Veronika Marte, will die Entscheidung über eine Kleiderordnung den Schulen überlassen. Allerdings ist sie auch der Meinung, dass es für gewisse Anlässe eine passende Kleidung gebe. Daher unterstütze sie Schulen, die „auf ein entsprechendes Outfit Wert legen“.
Umfrage: Was denken Vorarlbergs Schüler über eine Kleidervorschrift an Schulen?

Ceyda Tezcan, 20:
Wen interessiert es schon, was wir Schüler anziehen? Ich persönlich finde die Diskussion unnötig. An unserer Schule gibt es keine gesonderten Regeln, was die Kleidung der Schüler betrifft.

Galina Ivantsiv, 15:
Man sollte lernen, damit umzugehen, wenn jemand knappe Kleidung trägt, anstatt sich davon vom Unterricht ablenken zu lassen. Daher bin ich gegen eine Kleiderordnung.

Phillip Moses, 16:
Mir ist es egal, wie sich Schüler kleiden. Ich trage selbst Käppis. Wenn sich durch Freizügigkeit jemand gestört fühlt, ist das sein Problem, ich nehme knappe Kleidung nicht als Ablenkung wahr.

Leonhard Klammer, 17:
Ich finde es gut, wenn es gewisse Regeln gibt. Man sollte darauf achten, wie man sich in der Schule kleidet, gerade im Hinblick auf Freizügigkeit. Käppis sollten aber nicht ins Verbot fallen.

Secil Sarikaya, 18:
Ich finde ein Verbot für gewisse Kleidungsstücke nicht gut, denn das schränkt die Freiheit der Schüler ein. Meiner Meinung nach sollte jeder in der Schule anziehen dürfen, was er will.

Bilal Almashhour, 16:
Käppis sollte man im Unterreicht aufbehalten dürfen, denn die sind nützlich, wenn die Haare mal nicht sitzen. Ob jemand bauchfrei in die Schule kommt, ist mir egal.

Paula Futscher, 16:
Ich finde, eine Kleidungsordnung nimmt ab einem gewissen Alter den Schülern ein Stück Freiheit. Am Ende müssen aber die Schulen selbst über eine Vorschrift entscheiden.

Nicolas Stefani, 15:
Eine Kleiderordnung schränkt die Individualität und Vielfalt der Schüler ein. Zudem ist es diskriminierend für Mädchen, wenn man ihnen vorschreibt, was sie anziehen dürfen und was nicht.
Tobias Holzer