Gemeinsam Gärtnern erleben, kinderleicht

Wie geht Inklusion? Indem sie gelebt wird. Genau so, wie Kinder Gärtnern übers Gärtnern lernen – und nebenbei, einander zu helfen.
Die Spätsommersonne scheint schräg in den Begegnungsgarten in einem ruhigen Teil von Feldkirch-Altenstadt. Sie wärmt nicht nur die immer noch eifrig ausschwärmenden Bienen, sondern auch Stefanie Egle-Fiel, Julia Mähr sowie Brigitta Keckeis, alle drei Vorstandsmitglieder der Aufblüherei. Seit Februar, als es an dieser Stelle noch keinen Garten gab, ist vieles gewachsen und geworden. Das findet auch Keckeis, die im Rollstuhl sitzt und unter anderem Garantin der Barrierefreiheit im Garten war und ist.

Dank ihr sind die Hochbeete mit dem Rollstuhl unterfahrbar, gibt es ausreichend Platz zum Rangieren. Zwar ist Keckeis inzwischen in Pension, steuert ihre Erfahrung aber noch immer gerne in diversen Ausschüssen für Behindertenbelange bei: Teilen heißt, dass am Ende alle mehr haben.
Egle-Fiel erklärt die Erfahrung des Vereins Aufblüherei: „Man schützt nur, was man kennt. Man wirft Nahrungsmittel nur dann nicht weg, wenn man ein Bewusstsein für ihre Wertigkeit entwickelt hat.“
Eine GemüseAckerdemie
So wie die Kinder, die ein Schuljahr lang am praxisorientierten Bildungsprogramm „GemüseAckerdemie“ von Acker Österreich in Kooperation mit dem Verein Aufblüherei teilgenommen haben. Sie haben Unkraut gejätet, Beete fruchtbar gemacht, Zucchini, Mais, Gurken und vieles mehr gepflanzt, gegossen, geerntet, verarbeitet, gegessen und weitergegeben.

Oft sind Schülerinnen und Schüler am Nachmittag nochmal gekommen und haben gesagt: ‚Schau mal, Mama, das ist das Beet, wo unsere Tomaten wachsen‘, sagt die Obfrau. Die Kinder haben gut aufgepasst, dass auch ja alles frisch Geerntete verarbeitet wurde, von vorne bis hinten, von oben bis unten, weiß sie. Dass alle anpacken, ist in den Begegnungsgärten selbstverständlich, und das lernt ganz schnell, wer neu dazukommt.
Die Kinder lieben das Gärtnern
Von der neu mit viel Holz gebauten und kürzlich eröffneten Volksschule Altenstadt zieht auch jetzt eine Kinderkarawane in Richtung des hinteren, neu angelegten Gartens: durch die Wiese auf dem direkten Weg, den sie dank der Einwilligung der Grundstücksnachbarn nutzen dürfen.
„Ich hab Lust auf Regenwürmer!“, ruft ein Mädchen, und schon geht es los. Die jetzt vierte Klasse der Volksschule richtet „ihren“ Gartenteil aus dem Vorjahr für die dritte Klasse her, die ihn übernehmen und ein Schuljahr lang pflegen und beernten wird. Allein 30 verschiedene Gemüsesorten wachsen hier, Egle-Fiel zeigt einen Riesenkürbis und einen Johannisbeertomatenstrauch, dessen Tomaten tatsächlich nicht viel größer als Johannisbeeren sind.

Viele helfen mit
Überhaupt helfen viele zusammen, um das Angebot des Vereins möglich zu machen. Immer wieder werden die Obfrau und ihre Mitstreiter dabei positiv überrascht. So hatte eine Frau angeboten, im Sommer einige Zeit für die Kinder der Gärten zu kochen – ehrenamtlich. Inzwischen haben sie eine Gärtnerin angestellt, die nach dem Rechten schaut und nebenbei eine soziale Ausbildung macht. Die ideale Kombination für die „Aufblüherei“.

Dem Verein geht es um eine ganzheitliche Gartenbetrachtung: In Kursen lernen Kinder, aus Gartenerzeugnissen Salben und Kekse zu machen, zu töpfern und Ostereier mit Naturfarben zu bemalen. Zusätzlich zum dreiwöchigen Gartenerlebnis im Sommer gestaltet der Verein auch ganzjährig an einem Vormittag und einem Nachmittag pro Woche ein Gartenerlebnis für Kinder.
Sozialpreis gewonnen
Stolz erzählt Egle-Fiel, dass sie den Sozialpreis der Bank Austria gewonnen haben und nun darüber nachdenken, wie sie das Preisgeld von 6000 Euro nachhaltig für ihre Ziele einsetzen können. „Viele Kinder haben zu Hause keine Gärten mehr, ihnen bringen wir die Natur und wichtige Belange wie den Klimaschutz näher. Für die ‚GemüseAckerdemie‘ sind wir eine Kooperation mit ,Acker Österreich‘ eingegangen. Wir sind deren erste Kooperationspartner in Vorarlberg“, erzählt Egle-Fiel. Die Idee, altersübergreifend zu arbeiten, gehört bei der Aufblüherei zum Konzept. Ebenso Begegnung und Wertschätzung, auch für das, was wächst. Wo kommt die Gurke her, wo geht sie hin? Das Denken in Kreisläufen ist den Vereinsleuten wichtig.

Lernen ohne Druck
In der „Herbstküche für Kinder“ geht es nun darum, zu schauen, was wächst aktuell? „Unkraut wächst immer“, sagt Julia Mähr lachend. Das Lernen geht oft wie nebenbei, „die Kinder sagen, ,heute lernen wir nicht, heute gehen wir in den Garten‘“, erzählt Mähr. „Tatsächlich passiert das Lernen hier ohne Druck. Alle probieren aus, machen neue Erfahrungen.“ Keckeis ergänzt: „Die neuen Erfahrungen können auch neu erfahrene Ressourcen sein. Wir gehen nicht von unseren Defiziten aus, und aufgeben tue ich nur Briefe, und das kostet.“ Diese Einstellung ist für Keckeis wahrlich nicht vom Himmel gefallen. Sie hat sie sich hart erarbeitet. Das spüren auch die Kinder, ihr Interesse an Keckeis‘ Behinderung ist barrierefrei. Solche Begegnungen vergessen sie nicht so leicht, und das Wichtigste lernen sie wohl nicht nur im Klassenzimmer, an Tischen sitzend – sondern zum Beispiel in den wunderbaren Gärten der Aufblüherei.