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„Vorarlberg Kodex“ für Asylwerber

03.11.2023 • 23:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die Zahl der Asylanträge ist im Vergleich zu 2022 deutlich zurückgegangen.<span class="copyright"> APA</span>
Die Zahl der Asylanträge ist im Vergleich zu 2022 deutlich zurückgegangen. APA

ÖVP will Verschärfungen für Asylwerber – unter anderem eine Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit.


Die Themen Migration und Asyl bewegen die Bevölkerung zunehmend. Dass sie auch wahlentscheidend sein können, zeigte sich nicht zuletzt bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Da im nächsten Jahr auch hierzulande Urnengänge anstehen, ist es nicht allzu überraschend, wenn die heimischen Parteien das Thema jetzt strategisch zu besetzen versuchen. Ihren „klaren Weg“ präsentierte am gestrigen Freitag die Vorarlberger Volkspartei. Dabei wurden größtenteils alte Forderungen neu aufgekocht. So soll etwa die „Vorarlberger Integrationsvereinbarung“ überarbeitet und die Rot-Weiß-Rot-Karte weiterentwickelt werden.

Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit

Neu hinzu kommt der sogenannte „Vorarlberger Kodex“. Geht es nach der ÖVP, sollen Asylwerbende bei der Übernahme in die Grundvorsorge ein Papier unterschreiben, das sie – als Gegenleistung für kostenlose Deutschkurse – zu gemeinnütziger Arbeit in Gemeinden oder Vereinen verpflichtet. Der zuständige Landesrat Christian Gantner sieht darin einen Beitrag zur Integration. „Die Asylwerbenden kommen dadurch mit anderen ins Gespräch und bekommen einen entsprechenden Tagesablauf.“

Auch Klubobmann Roland Frühstück, der die Idee Anfang des Jahres erstmals auf Tapet gebracht hatte, zeigt sich vom „Vorarlberger Kodex“ überzeugt. Gerade das ehrenamtliche Zusammenarbeiten ermögliche Kontakte und helfe Mauern abzubauen, sagte der ÖVP-Politiker. Bis wann der Kodex umgesetzt sein könnte, darüber wollte Gantner nicht spekulieren. Er verwies auf einen einstimmigen parteiübergreifenden Beschluss der Integrationsreferenten der Bundesländer, wonach das zuständige Ministerium die rechtliche Umsetzbarkeit prüfen und ein Modell ausarbeiten soll. Das dürfte allerdings einigermaßen schwierig werden, da die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Zwangsarbeit außerhalb von Gefängnissen verbietet.

„Integrationsvereinbarung plus“.

„Vorarlberg Kodex“ für Asylwerber
V.l.: ÖVP-Landesgeschäftsführer Dietmar Wetz, Integrationslandesrat Christian Gantner und ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück. ÖVP

Weiters soll die 2016 eingeführte Integrationsvereinbarung für Konventionsflüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte verschärft werden. Diese Vereinbarung stellt wichtige Grundregeln des Zusammenlebens in Österreich klar, aber auch, was an Integrationsleistungen erwartet wird. Wer etwa einen Deutschkurs verweigert, muss mit Kürzungen der sozialen Leistungen rechnen. Künftig soll die Integrationsvereinbarung auch bei negativem Asylbescheid gelten. Darüberhinaus kündigt Gantner Verschärfungen bei den Mittelkürzungen an. Grundsätzlich solle die neue Integrationsvereinbarung „verstärkt kommuniziert“ und umgesetzt werden.

Raschere Abschiebungen

Auf Unverständnis stoßen bei Gantner die rechtlichen Hürden bei der Rückführung. Wer einen negativen Asylbescheid erhalte, müsse rasch abgeschoben werden können, das gelte speziell für straffällig gewordene Personen so Gantner. Aber auch “Einzelfällen, die vielleicht schmerzen“, spricht sich der Landesrat für konsequentes Vorgehen aus. Zudem fordert der Sicherheitslandesrat einen verstärkten Schutz der EU-Außengrenze. Wichtig sind ihm auf europäischer Ebene zudem Asylverfahren an den EU-Außengrenzen, die finanzielle Unterstützung der betreffenden Länder durch die EU, ein einheitliches Grenz- und Visaregime und die gerechte Verteilung geflüchteter Menschen auf alle EU-Länder.

Rascher Asylverfahren

Auch die schon mehrfach vorgebrachte Forderung nach schnelleren Asylverfahren findet sich im ÖVP-Paket wieder. So sollte es möglich sein, dass beispielsweise Antragstellende aus sicheren Herkunftsstaaten binnen 72 Stunden eine ablehnende Entscheidung erhalten können. Bei asylrelevanten Hinweisen soll in den Verfahren die derzeitige Entscheidungsfrist von maximal drei Monaten beibehalten werden.
Fachkräfte. Weitere Verbesserungen forderte die ÖVP bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, schließlich suche die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften. Verfahren müssten vereinfacht, Gehaltsgrenzen und Befähigungsnachweise an die Praxis angepasst werden. Auch Lehrlinge mit Einstellungszusage und Schüler sollen die Rot-Weiß-Rot-Karte künftig erhalten können.

SPÖ-Chef Mario Leiter. <span class="copyright">Hartinger</span>
SPÖ-Chef Mario Leiter. Hartinger

SPÖ-Kritik

Fakten und Zahlen

Wie viele Menschen befinden sich aktuell in Vorarlberg in der Grundversorgung?

Mit Stand 2. November befinden sich 3271 Grundversorgte in Vorarlberg, davon sind 1547 ukrainische Kriegsvertriebene und 1724 Asylsuchende.

Wie entwickelt sich die Zahl der Asylanträge?

Laut Landesrat Christian Gantner gibt es im Vergleich zum Jahr 2022 „wesentlich weniger“ Anträge. In diesem Bereich hätten Maßnahmen wie einheitlichere Visaregimes und klarere Reglungen bei Grenzkontrollen gegriffen. Aktuell befinden sich 1225 Personen in einem Asylverfahren.

Wie steht es um die Flüchtlingsaufnahmequote?

Vorarlberg liegt mit einer Quotenerfüllung von rund 90 Prozent aktuell hinter Wien und Burgenland auf Rang 3 im Bundesländer-Ranking.

Wie viele Ukrainer haben eine Beschäftigungsbewilligung erhalten, wie viele sind beim AMS vorgemerkt?

Mit Stand 16. Oktober .2023 waren laut AMS 923 Ukrainer beschäftigt und 111 Ukrainer als arbeitslos gemeldet.

Kommen noch ukrainische Kriegsflüchtlinge ins Land?

Nach Angaben von Integrationslandesrat Christian Gantner gibt es hier eine Stagnation. Vereinzelt würden Familienangehörige hinzukommen, gleichzeitig gebe es auch Menschen, die in die Ukraine zurückkehren oder weiterreisen.

Wo sind die Flüchtlinge untergebracht?

Derzeit sind in 78 Gemeinden 3271 Flüchtlinge untergebracht. 100 Personen befinden sich im Erstaufnahmezentrum Nenzing, 614 Menschen wohnen in privaten Quartieren. Die Caritas betreut in ihren Unterkünften 350 Flüchtlinge.

Kritische Worte zu den ÖVP-Forderungen fand SPÖ-Landesvorsitzende Mario Leiter. Den „Vorarlberg-Kodex“ bezeichnete er als Populismus. „Dass die Landesregierung sich damit brüstet, kostenlose Deutschkurse anzubieten, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wie sonst soll Integration möglich sein, so Leiter in einer Aussendung.