Radhandel: Eine Branche hebt ab

Das E-Bike hat der Branche einen Boom beschert.
Das E-Bike ist für die Fahrrad-Branche in etwa das, was der Carving-Ski für den Skisport-Handel war. Und Corona hat den boomenden Markt noch einmal angeschoben. Ein Blick in das Branchen-Verzeichnis bestätigt das. Fahrradgeschäfte sprießen wie Pilze aus dem feuchtwarmen Sommer-Boden. Für jedes Bedürfnis gibt es ein spezielles Rad. Glaubt man den Berichten der Branche, dann boomt das Geschäft mehr denn je.
Einige sind komplett ausverkauft
Philipp Kettner, Geschäftsführer von Wallride-Mountain-Bikes in Rankweil, bestätigt dies im ersten Satz: „Wir sind komplett ausverkauft. In unserem Geschäft stehen noch genau vier Fahrräder. Und das sind keine E-Bikes mehr. Das hat es noch nie gegeben seit wir das Geschäft haben.“ Es sei egal mit welchen Lieferanten man derzeit telefoniere, alle sagen das Gleiche. Die Nachfrage geht derzeit durch die Decke, so Kettner. Die meisten Hersteller kommen nicht mehr nach mit dem Produzieren. „Und die Lager der Lieferanten sind leer.“ Corona ist da der Hauptmotor. Das bestätigt auch Kettner: “Es waren so viele Menschen bei uns, die gesagt haben, ich gehe heuer nicht in den Urlaub, aber dafür kauf ich mir ein Fahrrad. Zudem wollen alle ein E-Bike.“ Die Umsätze sind schon seit ein, zwei Jahren sehr gut. „Wir sind spezialisiert auf Mountainbikes. Wir besetzen da eine Nische. Aber in Vorarlberg ist das eine sehr breite Nische.“
Ob und wann der Markt gesättigt sein wird, kann Kettner nicht sagen. Aber er glaubt, dass der Boom noch andauern wird, wenn auch nicht auf dem hohen Niveau, wie derzeit. „Zudem gibt es da wirkliche Freaks, die sich jedes Jahr ein neues Rad kaufen und ein älteres verkaufen.“
Vorarlberg ist eine E-Bike Hochburg
„Was die letzten vier Monate abgegangen ist, das war nicht mehr normal“, lacht Werner Drissner, von Radsport Drissner in Bregenz. „Das war echt heftig, sowohl in der Werkstatt, als auch im Verkauf. Das war einfach der Hammer. Das letzte Jahr war schon super und heuer liegen wir noch einmal 30 Prozent darüber.“
Auch bei Radsport Drissner war es die Mischung aus E-Bikes und Corona. „Am Anfang der Saison habe ich mir gedacht, wer gibt schon 5000 Euro für ein Mountainbike aus. Es ist mir himmelangst geworden, als ich die 50 Räder im Lager gesehen habe“, so Drissner.
Aber die sind jetzt alle weg. Für das nächste Jahr hat er bereits 400 E-Bikes bestellt. Vorarlberg ist laut Drissner eine E-Bike Hochburg. Das wirkt sich auch auf das Preisniveau aus. Und die Topografie in Vorarlberg ist ein Hauptargument für viele E-Bike-Kunden.
„Wenn ich ein Rad derzeit nicht mehr lagernd habe, dann wird es echt schwierig.“ Vor Oktober sei es nahezu unmöglich. Und dann kommen schon die neuen Modelle. Viele Händler haben zu Beginn der Corona-Zeit storniert, weil sie ein paar Wochen zu hatten. „Die haben jetzt alle Probleme. Ich habe da sofort reagiert und noch mehr bestellt“, lacht Drissner. Vor allem so genannte Fullys, auch Fullsuspension-Räder, sind derzeit angesagt. Diese Bikes sind vorne und hinten gefedert. Dadurch erhöht sich der Fahrkomfort ungemein. Und auch sonst sind sie voll ausgestattet. „Ein Rad für alle Fälle. Die sind gegangen, wie die warmen Semmeln“, so Drissner. Sein Ausblick fällt durch und durch positiv aus: „So wie es ausschaut geht es ungebremst weiter.“
Leere Lager bei Lieferanten
„Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit zum Telefonieren“, scherzt Stefan Wäger, von Fahrrad Wäger in Altach. „Wir haben so viel zu tun derzeit, das ist ein Wahnsinn. Es ist alles durch die Decke gegangen.“ Jetzt warte man und schaue, was das zweite Halbjahr noch bringt. „Derzeit sind alle Lager leer. Und die kommenden drei Monate ist nichts lieferbar am Markt.“ Jeder Händler, der sich nicht früh genug mit Vorratsrädern eingedeckt hat, kann jetzt, laut Wäger, nichts mehr verkaufen. Es sei derzeit nahezu unmöglich ein E-Bike zu bestellen. Egal was für eine Marke. „Ich habe zum Glück zu Beginn der Corona-Zeit die Räder, die andere Händler storniert haben, gekauft. Das heißt wir haben noch welche.“
Rad statt Urlaub
Vor allem E-Mountainbikes und E-Trekkingbikes sind derzeit in seinem Geschäft in Altach gefragt. „E-Bikes habe ich jetzt auch nicht mehr so viele, aber im Trekkingbereich gibt es noch einiges.“ Viele Kunden gehen nicht in den Urlaub und haben deshalb Geld übrig. Zudem haben einige Kurzarbeit oder gar ihren Job verloren: „Das heißt, sie haben Freizeit. Und genug Geld und Freizeit bedeuten ein neues Fahrrad. In der FAZ ist sogar gestanden, dass Fahrrad-Händler die neuen Klopapierverkäufer seien“, scherzt Wäger. Er könne dem aber durchaus beipflichten.
Rekorde purzeln
„Wir haben vor einiger Zeit von Freitag bis Montagabend 50 Fahrräder verkauft. Das haben wir alle zusammen noch nie erlebt, was jetzt da gerade abgeht.“
Manchmal müsse er sich die Augen reiben. Denn das vergangene Jahr ist auch schon sehr gut gelaufen. Aber: „Ich glaube, dass wir heuer auf dem Vorjahres-Niveau bleiben. Denn wir haben derzeit keine Räder mehr fürs zweite Halbjahr.“