Vorarlberg

Die Wirtschaftsbund-Affäre und die Folgen

04.02.2023 • 15:52 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Im Juli präsentierte der Wirtschaftsbund die Ergebnisse seiner internen Prüfung. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Im Juli präsentierte der Wirtschaftsbund die Ergebnisse seiner internen Prüfung. Dietmar Stiplovsek

Seit über einem Jahr beschäftigt die Affäre rund um den ÖVP-Wirtschaftsbund Finanz, Justiz, Behörden, Parteien und Öffentlichkeit.

Über viele Jahren gab der Vorarlberger Wirtschaftsbund ein Magazin heraus, über das er erkleckliche Summen einnahm – etwa 4,3 Millionen Euro waren es zwischen 2016 und 2021. Nicht jeder, so stellte ein Tischler und ehemaliger Wirtschaftskämmerer später öffentlich fest, inserierte dort aus eigenem Antrieb.

Die Gewinne flossen unter anderem in die Wahlkämpfe der Landespartei. Die Finanz vermisste lange die Steuern (sie­he Infobox Steuer). Nach Inseraten von Unternehmern aus bestimmten Gemeinden gab es auffällige Geldbewegungen vom Wirtschaftsbund an die Ortsgruppen. Vor der Landtagswahl stieg der Inseratpreis von 3000 Euro auf 5000 Euro an. Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat sah sich dennoch außerstande, einen Verstoß gegen das geltende Parteiengesetz festzustellen (siehe unten Partei).

Einträgliches Geschäft

Als Herausgeber fungierte Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler, der so neben seinem Bruttogehalt von 780.000 Euro (2016-2021) noch 640.000 Euro zwischen 2018 und 2020 an Provisionen aus den Inserategeschäften verdiente, sowie 62.500 Euro für die „Bearbeitung“ des Magazins. Kessler erhielt außerdem ein Darlehen über 250.000 Euro vom Wirtschaftsbund. Sein Vorgänger Walter Natter bekam 24.000 Euro für eine Lebensversicherung und nahm sein Dienstauto mit in die Pension. Er erstattete Selbstanzeige bei der Finanz. Boni an Mitarbeiterinnen wurden als Spenden an das Rote Kreuz verbucht und bar ausbezahlt.

Ermittlungen laufen

Die strafrechtlichen Ermittlungen laufen weiterhin, wobei die Zeichen bei den meisten Aspekten der Affäre eher auf Einstellung denn auf Anklage stehen (siehe unten Strafrecht).

Fraglich ist, ob es angesichts der überschaubaren Anknüpfungspunkte zur Landesverwaltung und der andauernden Debatte um die dafür Notwendige Reform zu einem Untersuchungsausschuss im Landtag kommt (siehe unten Politik).

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Steuer

Wurde alles versteuert?

Das Finanzamt für Großbetriebe geht davon aus, dass der Wirtschaftsbund zu wenig Steuern bezahlt hat. Einerseits fehle die Umsatzsteuer auf die verkauften Inserate in der „Vorarlberger Wirtschaft“. Dann will der Staat auch Körperschaftssteuer auf das Einkommen, das der Wirtschaftsbund mit den Inseraten erzielt hat. Schließlich möchte er eine Zuwendungsabgabe, die fällig wird, wenn außenstehende Organisationen an Parteien und ihre Institutionen spenden. Im Kern geht es darum, ob der Wirtschaftsbund als Verein mit Gewinnabsicht gehandelt hat oder als Parteiorganisation, die ein Mitgliedermagazin verlegt.

Die Finanz verweist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und geht davon aus, dass diese der Wirtschaftsbundspitze bekannt gewesen sein muss. Daher sei die Hinterziehung mit Absicht erfolgt. Beim Wirtschaftsbund will man in der Sache aber Rücksprache mit dem Steuerberater gehalten haben, dann wäre der Irrtum straffrei. Gegen den Steuerbescheid will man nun Beschwerde einlegen.

Strafrecht

Wurde jemand bestochen?

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt in der Causa gegen Landeshauptmann Markus Wallner, Landesrat Marco Tittler und die ehemaligen Wirtschaftsbundfunkionäre Walter Natter und Jürgen Kessler sowie Altlandesstatthalter Karlheinz Rüdisser. Einerseits geht es um barwerte Leistungen des Wirtschaftsbundes an Regierungsmitglieder der ÖVP, andererseits um Vorwürfe, für Inserate in der „Vorarlberger Wirtschaft“ seien Amtsgeschäfte versprochen worden.

Alle Beteiligten bestreiten ein strafbares Verhalten. Dass der Wirtschaftsbund, als ÖVP-Teilorganisation, seine eigenen Mitglieder in der Funktion als Regierungsmitglieder bestochen haben soll, sei nicht nachvollziehbar, heißt es unter anderem. Ein anonymer Hinweisgeber zu den Amtsmissbrauchsvorwürfen konnte bisher nicht ausgeforscht werden. Nachdem die WKStA einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft und das Justizministerium erstattet hatte, wurde sie Ende Jänner mit weiteren Ermittlungen betraut, um die Beweisgrundlage zu verbreitern.

Partei

Gab es Parteispenden?

Verwoben mit der Frage, ob der Wirtschaftsbund als Verein an die ÖVP spendete oder als Parteiorganisation Geld einnahm und weiterreich­te, ist die Frage, ob Partei­spenden nicht ordnungsgemäß deklariert wurden. Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) sah in der „Vorarlberger Wirtschaft“, zum Teil zu 70 Prozent aus Inseraten und Einschaltungen bestanden hatte, kein mit Werbung überbordetes Magazin. Auch sei nicht von Parteispenden über die Inserate auszugehen, da diesen marktübliche Tarife zugrunde gelegen seien. Demnach habe es sich bei den bezahlten Inseraten um keine verdeckten Spenden gehandelt.

Dass just vor der Landtagswahl die Inseratpreise in der „Vorarlberger Wirtschaft“ deutlich angestiegen waren, könne man nicht untersuchen, da der Rechnungshof dies nicht gerügt habe. Der Rechnungshof wiederum hat keine Möglichkeit Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des UPTS einzulegen. Die parteienrechtlichen Grundlagen für diese Entscheidung ändern sich aber durch jüngste Gesetzesänderungen.

Politik

War alles in Ordnung?

Unabhängig von rechtlichen Erwägungen stellt die Wirtschaftsbund-Affäre eine politische Hypothek für die ÖVP dar, die auch eingestanden hat, dass Fehler passiert sind. Nach einigem Zögern wurden weitreichende Transparenzmaßnahmen beschlossen. Dazu gehört ein im Ländervergleich sehr weitreichendes Gesetz zur Parteienförderung, das dem Landes-Rechnungshof unmittelbare Prüfrechte einräumt. Nachdem die Hypo Vorarlberg und die Illwerke vkw in der „Vorarlberger Wirtschaft“ inseriert hatten, beschloss man nach anfänglicher Weigerung der Volkspartei auch ein Werbeverbot für Landesunternehmen in Parteimedien. Außerdem werden ab 1. Jänner alle Studien des Landes online veröffentlicht.

Ausständig ist eine Einigung bei der Reform der U-Ausschüsse im Landtag, wobei weitreichende Zugeständnisse der Regierungsfraktionen bisher an der Forderung der Opposition scheiterten, Streitigkeiten über den Untersuchungsgegenstand müssten gerichtlich geklärt werden. Neue Verhandlungen stehen hier nächste Woche an.

Anm.: Im Artikel hieß es ursprünglich, Jürgen Kessler habe ein Bruttojahresgehalt von 780.000 Euro bezogen. Diese Angabe bezog sich auf die gesamte Periode von 2016 bis 2021.