Vorarlberg

Drei Wälder und ihre Faszination für den Hanf

07.10.2023 • 07:00 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Gervin Huber und Aaron Kirmair (vorne) sowie Tobias Vögel (hinten) im Feld, kurz bevor sie es ernten.  <span class="copyright">hartinger</span>
Gervin Huber und Aaron Kirmair (vorne) sowie Tobias Vögel (hinten) im Feld, kurz bevor sie es ernten. hartinger

Drei junge Sulzberger gründeten das Unternehmen „Wälderkrut“, bauen Hanf an und produzieren damit Rucksäcke, Sneakers oder Kosmetika.

Viele Menschen bringen Hanf nur mit Berauschung in Verbindung, selbst wenn in den vergangenen Jahren immer mehr Geschäfte in Vorarlberg entstanden sind, die Hanfprodukte vertreiben. Die Bestandteile der robusten, genügsamen Pflanze können für mehrere Produkte verwendet werden: für Öl, Schokolade oder Kosmetika etwa. Und: „Hanf bietet einen unglaublichen Mehrwert für Mensch und Umwelt“, sagen drei junge Männer aus Sulzberg. Das große Potenzial dieser Pflanze möchten sie teilen und haben dazu im Herbst vor drei Jahren das Unternehmen „Wälderkrut“ gegründet. Hier gibt es Öl, Kosmetika, Rucksäcke, Sneaker und Snapbacks (Schnabelkappen) zu kaufen – selbstredend alle mit Hanf produziert. Den Hanf dafür haben die drei Bregenzerwälder selbst angebaut und geerntet, teils stammt er von Feldern, teils aus einer Indoor-Anlage.

Bei einem Bauernhof in Sulz­berg am Mittwochabend: Auf einem Feld stehen die mehr als mannshohen, dünnen Hanfstängel, die jetzt alle Blüten tragen. Wer an den Blüten schnuppert, riecht: nichts. Sie sind geschmacklos. Die Samen wurden Anfang Mai gesät, nun kann geerntet werden. Die Ruhe bei dem abgelegenen Ortsteil wird plötzlich durch ein lautes Knattern zerrissen, als ein großer, roter Mähdrescher aus einer Scheune fährt. Er wird nachher beim Ernten des Feldes zum Einsatz kommen. Die drei Firmengründer und -betreiber sind alle vor Ort: Aaron Kirmair (25), Gervin Huber (33) und Tobias Vögel (25). Jeder der drei arbeitet neben dem „Wälderkrut“ auch in anderen Jobs, die rein gar nichts mit Hanf und dessen Produkten zu tun haben. Einer plant Fotovoltaikanlagen, der andere ist bei Alpla angestellt und der dritte ist Bautechniker im Tiefbau.

Tobias Vögel lenkt den Mähdrescher, Gervin Huber steht hinten und hält die Tonnen, in die die Samen fallen. <span class="copyright">hartinger</span>
Tobias Vögel lenkt den Mähdrescher, Gervin Huber steht hinten und hält die Tonnen, in die die Samen fallen. hartinger

Kennt Hanföl schon lange

Gervin Huber kennt und schätzt Hanföl seit vielen Jahren, überzeugte Aaron Kirmair eines Nachts bei einer Party davon, und nach einigen Versuchen der beiden schloss sich Tobias Vögel dem Projekt „Hanfprodukte“ an. Als sie „Wälderkrut“ vor drei Jahren gründeten, brauchten sie ein Jahr zur Vorbereitung und starteten im Jahr 2022 mit dem Verkauf, der ausschließlich online möglich ist.

Damit zur Frage, ob das, was die jungen Männer da machen, überhaupt legal ist. Ja, natürlich. Die Pflanzen von „Wälderkrut“ haben einen THC-Wert von 0,2, und das österreichische Gesetz erlaubt den Anbau und den Verkauf aller Hanfprodukte, die einen THC-Gehalt von 0,3 Prozent nicht überschreiten. Das bedeutet auch: Sollte jemand Pflanzen von „Wälderkrut“ an einem der drei Standorte klauen und sich auf ein rauschiges Erlebnis freuen, wird enttäuscht werden. Es ist laut den Betreibern indes eh nie vorgekommen, dass sich jemand in größerem Stil von ihren insgesamt zwei Hektar bedient hat.

Aaron Kirmair mit Rucksack und Schuhen aus Hanf. <span class="copyright">hartinger</span>
Aaron Kirmair mit Rucksack und Schuhen aus Hanf. hartinger

Die Hanfpflanzen, die einen hohen THC-Gehalt haben, sind weiblich und bilden Blüten. Diejenigen der Sulzberger sind Zwitter, bestäuben sich selbst und bringen Samen hervor. Diese Samen werden heute geerntet. Tobias Vögel fährt mit dem über 60-jährigen Mähdrescher in das Feld ein, Gervin Huber steht auf einer Rampe des Gefährtes, wo zwei große, blaue Plastiktonnen befestigt sind. Der Mähdrescher schneidet die Pflanzen ab, zieht sie ein und klopft die Samen heraus, die dann in den Plastiktonnen landen. Aus den Samen lassen die Männer bei regionalen Partnern Öl pressen, Proteinpulver und Kosmetika herstellen. Allen Produkten ist gemein: „Das in den Pflanzen enthaltene CBD hat viele positive Auswirkungen auf den Körper. Unsere Kunden erzählen immer von guten Erfahrungen“, sagt Aaron Kirmair.

Die Rucksäcke, Schuhe und Schnabelkappen stellen portugiesische Partner der Sulzberger her. Dazu werden die Stängel zu sehr feinen Fasern verarbeitet, die dann zum Stoff verwebt werden. „Das ist eine Naturfaser, die acht Mal stärker als Baumwolle ist. Die Materialien sind deshalb sehr langlebig“, erklärt Tobias Vögel.

Wehrt Schädlinge selbst ab

Nicht nur in diesem Punkt ist Hanf nachhaltig, wie Gervin Huber berichtet: „Hanf absorbiert viel CO2, er braucht keinen mineralischen Dünger und kein Spritzmittel, da er von selbst Schädlinge abwehrt. Dadurch, dass die Pflanze so tief wurzelt, werden Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten nach oben gebracht.“ Hanf kann seine Wurzeln in bis zu drei Meter Tiefe bilden; deshalb gedeiht er auch in heißen, trockenen Gegenden sehr gut. Weitere Vorteile dieser Pflanze sind: Sie wächst schnell und fordert nicht allzu viel Arbeitsaufwand. „Vom Vorbereiten, Säen bis zur Ernte und zur ersten Weiterverarbeitung braucht es rund drei bis fünf Tage“, verdeutlicht Aaron Kirmair. Das alles wird von den Sulzbergern selbst erledigt. Sie sind also nicht nur Händler, sondern auch landwirtschaftliche Erzeuger. „Wir machen uns regelrecht selber die Hände schmutzig“, heißt es dazu auf ihrer Homepage.

Die Kosmetika aus Hanf. <span class="copyright">hartinger</span>
Die Kosmetika aus Hanf. hartinger

Das Wissen, wie Hanf angebaut, geerntet und verarbeitet wird, haben sich die drei Männer vor allem durch Ausprobieren erworben. Und: „Wir haben auch durch viele Fehler gelernt“, sagt Gervin Huber schmunzelnd. Um „Wälderkrut“ zu führen, braucht es zusätzlich Kompetenzen im Kunden- und Produzentenkontakt sowie im Marketing und Versand.

Mittlerweile ist das Feld abgeerntet. Die Stoppel, die noch stehen, bleiben und werden, wenn sie umknicken, Nährstoff für den Boden. Bis vor Kurzem noch boten die drei engagierten Männer Führungen durch das Hanffeld an. „Wir zeigen Menschen, die keine Erfahrung mit Hanf, aber vielleicht Vorurteile haben, was aus dieser Pflanze alles gemacht werden kann“, erklärt Tobias Vögel. „Viele Besucher gehen dann mit einem anderen Blick auf diese Pflanze nach Hause.“ Im nächsten Sommer wird es wieder Führungen durch das Sulzberger Hanffeld geben.