Über Mumbai und Moskau nach Feldkirch

Samandar Bellezza hat viel von der Welt gesehen. Das spiegelt sich auch auf der Speisekarte in seinem Restaurant in Feldkirch wider.
Samandar Bellezza brennt für seinen Beruf, das merkt man, wenn man mit ihm redet. Der 47-jährige Gastronom erzählt stolz, wie es dazu kam, dass er das Restaurant Samandar in Feldkirch-Tisis eröffnete. „Ich wollte den Leuten etwas Neues näherbringen, etwas, was sie noch nicht kennen.“ Das ist ihm zweifelsohne gelungen.
Einzigartige Speisekarte
Das Restaurant Samandar ist, was all jene, die den ersten Absatz aufmerksam gelesen haben, bemerkt haben dürften, nach seinem Chef benannt. Hier wird ein einzigartiges Angebot an Speisen serviert, das es in dieser Kombination wohl nirgends geben dürfte: Indisch-afghanische Küche mit europäischem Touch. Wirft man einen Blick in die Speisekarte, wird das Ganze konkreter: Der Samandar bietet diverse Spezialitäten von Huhn, Rind und Lamm in allen möglichen Ausführungen. Dazu wird immer Reis als Beilage sowie Roti, ein indisches Fladenbrot, serviert. Das Fleisch für die Gerichte bezieht Belleza dabei regional, so wie den Großteil seiner Zutaten. Nur jene Gewürze, die hier nicht erhältlich sind, muss der Gastronom im Ausland bestellen.
Wer sich vegetarisch oder vegan ernährt, findet auf der Speisekarte eine unglaubliche Vielzahl an fleisch- und tierproduktlosen Speisen, wie zum Beispiel ein Linsen-Curry mit Pilzen oder Sabzi Bhindi, das sind Okraschoten in orientalischer Tomatensauce. „Wir haben immer etwas Vegetarisches und etwas Veganes da und gehen auch gern auf die Sonderwüsche unserer Gäste ein“, sagt Samandar Bellezza. Fast jedes Gericht gäbe es auch in fleischloser Ausführung, ergänzt der Wirt.
Eine Besonderheit auf der Speisekarte ist der besagte „europäische Touch“: Im Restaurant Samandar gibt es Crêpes in allen Ausführungen. Die Auswahl an Füllungen für die französische Spezialität reicht von Kartoffeln über Hühnerbruststreifen bis hin zu Riesengarnelen. Wie kommt es, dass ein indisch-afghanisches Lokal Crêpes anbietet? Der Wirt erklärt: „Aus Erfahrung mag nicht jeder die indische Küche. Gerade Kinder sind skeptisch, wenn sie auf der Speisekarte nichts sehen, was sie von zuhause kennen. Ich möchte so international wie möglich kochen und da sind Crêpes eine super Alternative für alle, die es lieber süß anstatt scharf haben.“

Kein Alkohol
Auf eine Sache müssen die Gäste im Samandar allerdings verzichten: Bellezza schenkt seit 2017 keinen Alkohol mehr in seinem Restaurant aus. Der Grund dafür liegt in der persönlichen Geschichte des Wirtes: „Ich war jahrelang schwerer Alkoholiker. Als ich vor 23 Jahren nach Österreich kam und von einer Ärztin untersucht wurde, sagte sie mir, ich solle meine Hände gerade ausstrecken. Da habe ich gezittert wie Michael Jackson beim Tanzen auf der Bühne. Damals war es für mich normal, vier bis fünf Flaschen Wein oder Vodka jeden Tag zu trinken.“ Heute ist Bellezza seit 16 Jahren trocken, doch er erzählt: „Jeder zweite Koch in Österreich ist Alkoholiker, weil überall in den Restaurants Alkoholflaschen herumstehen. Viele trinken dann hin und wieder einen Schluck und merken gar nicht, dass sie in Wahrheit alkoholkrank sind.“
Ein bewegtes Leben
Nicht nur die Alkoholsucht hat Samandar Bellezza geprägt, auch sonst hat der 47-Jährige viel erlebt. Geboren in Afghanistan, wurde er schon in seiner Kindheit mit dem Krieg konfrontiert. Er erinnert sich: „Als ich in der ersten Klasse war, kam eine Rakete und traf unsere Schule. Die ganze Wand hinter uns wurde einfach weggesprengt. Die Lehrerin hat daraufhin nur gesagt, dass jetzt zwei Stunden Pause sei, dann sollten die Schüler wiederkommen.“ Den Ernst der Lage hätten er und seine Klassenkameraden nicht verstanden, so Bellezza: „Für uns war das ein Spaß. Wir haben darüber gelacht, wann denn wohl die nächste Rakete kommen würde.“
Diese Unbeschwertheit wurde von einem tragischen Schicksalsschlag getrübt: Samandar Bellezza verlor im Krieg seinen Vater. Im Alter von 11 Jahren allein, ohne seine Mutter und seine neuen Geschwister, für drei Jahre in die indische Großstadt Mumbai. Dort lebte er, wie viele andere auch, auf der Straße: „Das war ganz normal für uns. Wir haben gelebt wie Paschas, weil uns niemand Vorschriften machen konnte.“ Als Jugendlicher kam Bellezza dann in die Sowjetunion, wo er 14 Jahre lang blieb: „Ich hatte einen super Job in Moskau, wo ich zehn Jahre lang lebte. Als im Jahr 2000 Wladimir Putin zum Präsidenten gewählt wurde, wurde es für uns Ausländer viel schwieriger, Geld zu verdienen.“
Also zog der Weltenbummler weiter nach Vorarlberg. „Eigentlich wollte ich nach England, weil viele meiner Freunde dort leben. Außerdem wollte ich in einer Großstadt leben. Die Dörfer und Städte hier waren mir anfangs viel zu klein. Ein Mitarbeiter der Caritas überzeugte mich schließlich, in Vorarlberg zu bleiben und half mir dabei, einen Job zu finden.“

Eigenes Restaurant
So begann Bellezza, in der Vorarlberger Gastronomie zu arbeiten. Zunächst war er beim Sporthotel Lorünser in Zürs angestellt, später im Restaurant mund.art in Feldkirch. 2007 entschloss er sich schließlich, mit dem Samandar sein eigenes Lokal zu eröffnen. Schon zuvor war hier im Feldkircher Stadtteil Tisis ein indisches Restaurant untergebracht. Auch chinesisch und gut-bürgerlich wurde in diesem Haus schon gekocht – einen besseren Ort für so ein internationales Angebot an Speisen gibt es wohl kaum.
Durch den Standort im Dreiländereck zwischen Vorarlberg, Liechtenstein und der Schweiz sind auch die Gäste des Samandar international. „Wir haben Stammgäste aus Zürich, Chur oder dem Tirol, die regelmäßig zu uns kommen“, erzählt Bellezza. Da das Restaurant gut besucht ist, wird eine Reservierung unbedingt empfohlen.
Tobias Holzer