EU-RH: Coronafonds-Milliarden nutzen Unternehmen wenig

Der Europäische Rechnungshof stellt in einem am Montag veröffentlichten Bericht erneut schwere Verfehlungen bei der Umsetzung des EU-Coronafonds fest. Diesmal wurden die Reformen im Unternehmensumfeld untersucht; Österreich war unter vier genau geprüften Ländern. Trotz einem EU-weiten Budget von 109 Milliarden Euro blieb laut Bericht fast die Hälfte aller identifizierten Probleme ungelöst und nur bei einem Drittel der abgeschlossenen Reformen gab es konkrete Ergebnisse.
109 Milliarden Euro wurden im Rahmen der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) für die Förderung des Unternehmensumfelds sowie für Gründung, Entwicklung und Betrieb von Firmen in der EU bereitgestellt. Die ARF ist das Herzstück des mehrjährigen EU-Programms “NextGenerationEU” (NGEU) in Höhe von rund 800 Mrd. Euro zum wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronapandemie. Dabei hängt die Auszahlung der Gelder von der Erreichung von vorher festgelegten Zielwerten ab, und basiert nicht auf den tatsächlichen Kosten der Projekte. Die EU-Länder mussten sich zu einer Reihe von Investitionen und Reformen in Schlüsselbereichen verpflichten, die die EU-Kommission in ihren sogenannten länderspezifischen Empfehlungen (LSE) identifiziert hatte.
Prüferin: Ergebnisse bisher kaum erkennbar
“Die EU hat die für die Erholung nach der Pandemie vorgesehenen Gelder eingesetzt, um den EU-Ländern Anreize für wichtige Reformen des Unternehmensumfelds zu bieten. Ergebnisse sind bisher aber kaum erkennbar”, so Ivana Maletić, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs. “Die ARF könnte dazu beitragen, die Tätigkeit von Unternehmen zu erleichtern, doch ihr Potenzial wurde nicht voll ausgeschöpft.” Sie kritisierte in einer Pressekonferenz am Montag, dass es bei der Umsetzung der LSE zwar Fortschritte gebe, aber nur in sehr begrenztem Umfang. Nur in wenigen Fällen würde die vollständige Umsetzung erreicht.
Der ERH prüfte, inwieweit mit den Reformen und Investitionen die Empfehlungen der Kommission erfüllt werden. Österreich habe vier länderspezifische Empfehlungen aus Brüssel zur Umsetzung erhalten, erklärte Maletić. Fünf ARF-Reformen und vier Investitionen wurden diesen laut Bericht zugeordnet. Maßnahmen betrafen die Förderung der Digitalisierung und Produktivität, Liquiditäts- und Unterstützungsmaßnahmen nach der Pandemie, weniger Verwaltungsaufwand sowie die Förderung privater Investitionen, zählte Prüfer Jacques Sciberras am Montag auf.
Österreich zählt laut Bericht des Rechnungshofes zu der überwiegenden Zahl der EU-Länder, die die das Unternehmensumfeld betreffenden Empfehlungen durch die Reformen und Investitionen im Rahmen der ARF nur in geringem Maße angegangen hätten. Eine der Empfehlungen wurde demnach weitgehend, zwei in geringem Ausmaß und eine außerhalb des Plans umgesetzt. Substanzielle Fortschritte oder eine vollständige Umsetzung wurden nur in Finnland und Ungarn erzielt. Luxemburg und Schweden schneiden am schlechtesten ab: Sie haben mit keiner einzigen Reform oder Investition die geforderten Punkte beim Unternehmensumfeld erledigt.
Positives Beispiel Gründerpaket, Kritik bei Eigenkapitalstärkung
Als positives Reformbeispiel wird im Bericht das Gründerpaket genannt: Ziel der Reform ist es, eine neue Rechtsform für Unternehmen einzuführen, die für Start-up-Unternehmen und innovative KMU besser geeignet ist. Aus Sicht des Rechnungshofs trägt dies teilweise zu den jeweiligen LSE-Unterpunkten der Jahre 2019 und 2020 bei, in denen die Förderung des Wachstums von Unternehmen gefordert wird. Bei der Reform “Eigenkapitalstärkung” sind laut Bericht hingegen “nur sehr begrenzte Ergebnisse erzielt” worden.
Auch schon lange auf der Empfehlungen-Liste stehende Aufgaben wurden laut Sciberras immer noch nicht gemacht: Die EU-Kommission kritisiert schon lange Mängel im Wettbewerb im heimischen Dienstleistungssektor. “Seit langem bestehende Probleme zwischen der Europäischen Kommission und Österreich, die Reformen und die Liberalisierung bestimmter Berufe erfordern, werden weiterhin nicht angegangen”, sagt auch der Prüfende. Positiv sieht er hingegen die “Once Only”-Novelle des Unternehmensserviceportalgesetzes. Sie soll vermeiden, dass Daten mehrfach gemeldet werden müssen.
Der ERH untersuchte anhand einer Stichprobe von 25 Reformen des Unternehmensumfelds in vier Mitgliedstaaten (Österreich, Bulgarien, Spanien und Zypern), ob diese wie geplant umgesetzt wurden, und zwar sowohl in Bezug auf Zeitplan, Umfang und Ergebnisse als auch auf ihre Auswirkungen auf die Empfehlungen. Die Prüfung des Rechnungshofs lief von Februar 2020 bis April 2025. Bei den fünf in Österreich genauer überprüften Reformen wurden laut Bericht zwei mit “signifikanten”, zwei mit “begrenzten” und eine mit “keinen Ergebnissen” abgeschlossen. Die anderen Staaten der Stichprobe schneiden schlechter ab.
Aus Coronafonds Lehren für nächstes mehrjähriges EU-Budget ziehen
Prüferin Maletić betonte, aus den Ergebnissen mit den Coronafonds könnten auch wichtige Lehren für das nächste mehrjährige EU-Budget gezogen werden. Dieses wird gerade von den EU-Institutionen verhandelt und soll ab 2028 gelten. 865 Milliarden Euro sollen nach den Wünschen der Kommission in neue nationale und regionale Partnerschaftspläne fließen. Als Muster werden hier die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne des Coronafonds genannt. Hier drängt nun die Zeit: Bis August 2026 müssen alle Maßnahmen abgeschlossen sein.
Die Umsetzung der Reformen und Investitionen erfolgte bisher mit einer Verzögerung von mindestens sechs Monaten, bis April 2025 war Österreich aber der Einzige der vier überprüften Mitgliedstaaten, in dem alle überprüften Reformen umgesetzt waren. Für künftige Reformprozesse ergibt sich daraus für die Prüfenden die Notwendigkeit, nicht nur die Umsetzung, sondern auch die tatsächlichen Ergebnisse und langfristigen Effekte stärker in den Blick zu nehmen. Empfohlen wird daher ein geeigneter Rahmen zur Messung der Wirkungen von Reformen sowie eine Bewertung ihres Beitrags zu den LSE.