Grüne kritisieren OÖ und Gemeindebund wegen Bodenverbrauchs

Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler schießt sich beim Bodenverbrauch auf das Land Oberösterreich und den Gemeindebund ein. Diese würden konkrete Zielvereinbarungen für mehr Bodenschutz “weiterhin vehement torpedieren”, kritisieren die Grünen. “‘Neuer Beton und altes Denken’ – das scheint bei jenen, die sich mit aller Kraft gegen ein ehrliches und verbindliches Ziel wehren, das Motto zu sein”, ärgerte sich Kogler gegenüber der APA.
2022 wurden in Österreich täglich etwa 13 Hektar Acker- und Naturflächen versiegelt, verbaut und planiert. Schon länger laufen Verhandlungen zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden zu einer Bodenschutzstrategie, mit der der Flächenverbrauch eingedämmt werden soll. Nachdem bei der Österreichischen Raumordnungskonferenz-Sitzung (ÖROK) im Juni keine Einigung zur Verankerung konkreter Ziele in der Bodenschutzstrategie zustande gekommen war, fanden über den Sommer und Herbst weitere Gespräche und Abstimmungen statt. Die meisten Beteiligten seien sich mittlerweile beim Zielwert von maximal 2,5 Hektar Bodenverbrauch pro Tag einig. Doch auch eine Sitzung am vergangenen Mittwoch sei in der entscheidenden Frage ergebnislos geblieben – weil “insbesondere das Land Oberösterreich wie auch der Gemeindebund konkrete Zielvereinbarungen weiterhin vehement torpedieren”, monieren die Grünen.
“Ausgerechnet vom Bundesland der größten Bodenschutzsünden und vom Gemeindebund würden sich die Menschen, die ihre Heimat vor exzessivem Betonieren schützen wollen, eigentlich Beichte, Buße, Besserung erwarten – und nicht die Verweigerung einer sinnvollen und wirksamen Lösung”, meinte Kogler. “Wenn wir mit dem Flächenverbrauch so weitermachen, dann haben unsere Enkel keinen Quadratmeter fruchtbaren Boden mehr übrig, um Getreide oder Gemüse anzubauen. Bodenschutz ist aber darüber hinaus Artenschutz, Hochwasserschutz – denn im Asphalt versickert kein Regenwasser – und Klimaschutz, weil gesunde Böden CO2 speichern”, betonte Kogler.
Der oberösterreichische Raumordnungslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) wehrte sich am Freitag weiter vehement gegen das 2,5-Hektar-Ziel und konterte mit Kritik an den Grünen: Für ihn sei die Bodenstrategie nach einem eineinhalbjährigen Erarbeitungsprozess kurz vor Abschluss “am Veto der Grünen” gescheitert. “Ein österreichweites Limit von 2,5 Hektar Umwidmung pro Tag ist völlig unrealistisch. Konkret würde dieses Hektar-Ziel bedeuten, dass in jeder Gemeinde im Land Oberösterreich künftig nur etwa 3.000 Quadratmeter pro Jahr für Umwidmungen aller Art verwendet werden dürften”, so Achleitner, der darauf hinwies, dass ohnehin “nur rund zwei Prozent der Fläche Oberösterreich versiegelt” seien. “Trotzdem gehen wir sorgsam mit den Bodenressourcen um, aber wir werden auch künftig Wohnraum für junge Familien ermöglichen und Betrieben Perspektiven setzen.”
Ähnlich der Gemeindebund: Allein die Debatte über die 2,5 Hektar habe den Beschluss der Bodenstrategie bisher verhindert, so Generalsekretär Walter Leiss. Aus Sicht des Gemeindebundes gebe es hinsichtlich eines verpflichtenden 2,5-Hektar-Ziels zu viele offene Fragen. So würden etwa auch Kindergartenbau, Wohnraumschaffung, Wirtschaft, Energieversorgung oder Bahnausbau Platz brauchen, argumentierte Leiss, für den das Ziel “nicht faktenorientiert” ist. Zudem müsse man zwischen Umwidmung, Bodenverbrauch und Bodenversiegelung zu unterscheiden – hier vermisse er eine klare Definition, auf die man sich aus seiner Sicht erst einigen müsse.
Die Österreichische Hagelversicherung pochte am Freitag auf die Einhaltung des 2,5-Hektar-Zieles und kritisierte “grob fahrlässiges Verhalten” durch den Bodenverbrauch und eine Fehlentwicklung, die korrigiert werden müsse. In den vergangenen 20 Jahren seien in Österreich 130.000 Hektar beste Agrarflächen verbaut worden. “Was jedoch besonders besorgniserregend und unverständlich ist, ist die Tatsache, dass Spitzenreiter beim Bodenverbrauch konkrete Zielvereinbarungen in der Bodenschutzstrategie erschweren”, so Vorstandsvorsitzender Kurt Weinberger an die Adresse Oberösterreichs. “Auch die Haltung des Gemeindebunds ist nicht zukunftsorientiert und nicht mehr zeitgemäß.” Es brauche “quantitative und messbare Zielwerte für die tägliche Flächeninanspruchnahme, die von Ländern und Gemeinden eingehalten werden”.
Auch Greenpeace schloss sich der Kritik an. “Es ist inakzeptabel, dass Oberösterreich und der Gemeindebund nach wie vor beim Bodenschutz blockieren und unsere Zukunft aufs Spiel setzen”, meinte NGO-Mitarbeiter Sebastian Theissing-Matei. Der Gemeindebund und das Land Oberösterreich müssten endlich die Interessen der österreichischen Bevölkerung an erste Stelle setzen und einen klaren Zielwert in der nationalen Bodenschutzstrategie beschließen – “sonst ist sie nichts Anderes, als ein Freibrief für das weitere Zubetonieren Österreichs”.
“Nur einen Tag, nachdem am Nationalfeiertag das Land der Berge und der Äcker besungen wurde, zieht der Gemeindebund erneut das seit zwei Jahrzehnten anerkannte 2,5-Hektar-Ziel beim Bodenverbrauch in Zweifel”, kritisierte auch WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories. Seit der Ankündigung der Bodenstrategie vor zwei Jahren seien “rund 90 weitere Quadratkilometer wertvolle Böden verbraucht worden – das entspricht fast der doppelten Fläche des Attersees”. Man verliere dadurch “fruchtbare Böden, wichtige CO2-Speicher und Lebensräume für Tiere und Pflanzen”.