Spaniens Oppositionsführer mit Regierungsbildung beauftragt

22.08.2023 • 22:00 Uhr

Spaniens König Felipe VI. hat Spaniens konservativen Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo (PP) am Dienstag mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Feijóo gewann Ende Juli die vorgezogenen Parlamentswahlen gegen den sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Eigentlich sind es nur vier Stimmen, die den bisherigen konservativen Oppositionsführer für eine absolute Mehrheit von 176 Mandaten fehlen, um die Macht im Land zu übernehmen.

Doch seine Chancen, tatsächlich Spaniens neuer Regierungschef zu werden, sind sehr gering. Selbst die im zweiten Wahlgang ausreichende einfache Mehrheit dürfte Feijóo verfehlen.

Seine konservative Volkspartei verfügt über 137 Sitze im Parlament. Einziger möglicher Koalitionspartner ist die rechtspopulistische Vox-Partei, die über 33 Mandate verfügt. Eine solche rechtskonservative Minderheitsregierung bedürfte neben der Unterstützung von zwei kleineren Regionalparteien aus Navarra und den Kanarischen Inseln zudem grünes Licht der baskischen Nationalisten der PNV, die bereits ihr klarstellte, keine rechtspopulistische Regierungsbeteiligung zulassen zu wollen.

“Damit ist Feijóos Versuch einer Regierungsbildung eigentlich schon gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat”, versichert der renommierte Politologe Pablo Simón im APA-Gespräch. Denn weder die Sozialisten von Premier Sánchez, der selber mit den Linkspopulisten von Sumar eine Regierungskoalition bilden will, noch die katalanischen und baskischen Separatisten werden Feijóo ihre Stimme geben.

Nach zweitägigen Gesprächen mit verschiedenen spanischen Parteien wollte König Felipe VI. dennoch dem konservativen Wahlsieger zumindest die Chance einer Regierungsbildung geben. Zumal der noch amtierende sozialistische Regierungschef Sánchez bisher ebenfalls keine ausreichende Parlamentsmehrheit für seine Wiederwahl hat.

Sánchez könnte es rein theoretisch zwar noch gelingen, die baskischen Nationalisten und selbst die katalanischen Separatisten von Carles Puigdemont für sich zu gewinnen. Der Erfolg ist aber auch nicht garantiert. Zumal vor allem Puigdemont immer noch auf ein neues und legales Unabhängigkeitsreferendum seiner Heimatregion Katalonien für die Zustimmung seiner sieben Parlamentarier pocht und Sánchez bereits versicherte, nur innerhalb der verfassungsrechtlichen Rahmen Gespräche zu führen.

Doch Sánchez und seine Sozialisten stört es keineswegs, dass der Monarch nun Feijóo mit der Regierungsbildung beauftragte. Ganz im Gegenteil: Feijóos Kandidatur sei zwar “verlorene Zeit”, heißt es aus der PSOE-Parteizentrale, sie gebe Sánchez aber mehr zeitlichen Spielraum, sich mit den katalanischen Separatisten der ERC und Junts für die Wiederneuauflage seiner linken Minderheitsregierung zu einigen. Für Feijóo macht es vor allem parteiintern Sinn, die Bildung einer Regierung zumindest zu versuchen, weil er nur so seinen Führungsanspruch gegen die aufstrebende Madrider Regionalfürstin Isabel Ayuso behaupten kann.

Nun schaut ganz Spanien gespannt auch die neue sozialistische Parlamentsvorsitzende Francina Armengol, die den Termin für die erste Parlamentsabstimmung über Feijóos Wahl festlegen muss. Denn sollte Feijóo – wie zu erwarten – scheitern, haben Sánchez und seine linke Bündnispartnerin Yolanda Diaz nur zwei Monate Zeit, selber eine Regierungsmehrheit zu finden.

Sollte auch das misslingen, würden die Neuwahlen entweder auf den Heiligen Abend am 24. Dezember oder auf Silvester fallen. Um das zu verhindern, müsste Feijóo seinen ersten Versuch einer Regierungsbildung spätestens am 31. August starten.

Unterdessen sieht es aus, als würde Spanien, das derzeit auch noch den wichtigen EU-Ratsvorsitz innehat, nahezu unregierbar sein. Nach einer ähnlichen Pattsituation zwischen Sozialisten und Konservativen 2015 kam es in Europas viertgrößte Volkswirtschaft ebenfalls monatelang zu einer politischen Hängepartie, weil Sánchez damals schon keine konservative Minderheitsregierung von Feijóos Vorgänger Mariano Rajoy zulassen wollte.

Sánchez stellte derart auf Stur, bis ihn sogar seine eigenen Parteibarone 2016 aus dem Amt als Parteichef warfen, um das krisengeschüttelte Land nicht noch länger zu blockieren und ohne funktionierende Regierung dastehen zu lassen.