Und wieder soll es ein Neuer richten beim SCRA

Miroslav Klose ist die sechste Sportliche Führungskraft, von der sich der SCR Altach seit März 2019 getrennt hat. Dieser hohe Personalwechsel wirft Fragen zur Vereinsführung auf.
Die Verpflichtung von Miroslav Klose war ein großes Missverständnis. Man ließ sich bei den Rheindörflern im Juni 2022 von dem großen Namen blenden – und übersah dabei völlig, dass man mit Klose einen Trainer-Neuling zum SCRA holte, der noch nie eine Profimannschaft trainiert hatte und bei seinem einzigen Cheftrainer-Amt im Nachwuchs der Bayern unter völlig anderen Voraussetzungen arbeiten konnte. Dort war die Weiterentwicklung der Talente noch wichtiger als der sportliche Erfolg. Freilich: Beim FC Bayern fordert man immer Erfolg, aber im Nachwuchs nicht um jeden Preis.
Spielidee
Mit Klose hat man also jemanden geholt, der als Trainer überhaupt keine Erfahrung darin hatte, Woche für Woche liefern zu müssen, sondern der perspektivisch dachte. So hat Klose in Altach auch gearbeitet. Der sympathisch bodenständige Deutsche wollte Talente entwickeln und eine Mannschaft formen, die gepflegten Ballbesitz-Fußball spielt. Das Projekt scheiterte, weil ihm die Spielertypen für diesen gehobenen Fußball fehlten. Dass er von dieser Spielidee nicht abrückte, obwohl dafür schlichtweg die Qualität im Kader fehlte, war sicherlich ein großer Fehler von Klose. Aber: Altach hat einen unerfahrenen Entwicklungstrainer mit Ballbesitz-Philosophie verpflichtet – und einen unerfahrenen Entwicklungstrainer mit Ballbesitz-Philosophie bekommen.

Wahl unter Druck
Letztlich hat man in Altach im Grunddurchgang mit nur 4 Siegen in 22 Spielen und dem letzten Tabellenplatz den Preis dafür gezahlt, dass man im Vorjahr nach dem Abschied von Klassenerhalts-Trainer Ludovic Magnin nur ein sehr ungenaues Profil des neuen Trainers entwickelte. So kam es, dass der damalige Sportliche Leiter Werner Grabherr sowohl mit erfahrenen Trainern wie Markus Schopp sprach als auch sehr interessiert am seinerzeitigen Liechtensteiner Nationaltrainer Martin Stocklasa war. Zwei Trainerkandidaten, die kaum unterschiedlicher sein hätten können. Als beide absagten und die Altacher ohne Trainer in die Sommervorbereitung gingen, musste Grabherr erstmal selbst das Training leiten. Die Trainersuche begann wieder bei Null.
Und so landete Altach schließlich beim deutschen Weltmeister Miroslav Klose. Sicher, der SCRA stand massiv unter Zeitdruck, aber schon damals muss den Rheindörflern doch bewusst gewesen sein, dass die Klose-Verpflichtung mehr ein PR-Coup denn eine sportlich nachvollziehbare Entscheidung war. Worauf die NEUE schon bei Kloses Präsentation verwies: Aus sportlicher Sicht war der Klose-Deal höchst riskant, weil man damit de facto einen Anfänger zum starken Mann machte, der auch überhaupt keine Berührungspunkte zum österreichischen Fußball mitbrachte. Dass Klose als Spieler mal Weltklasse war, war ja eigentlich völlig unerheblich.

Vermeintlicher Befreiungsschlag
Es wäre jetzt ein Leichtes, Klose die falsche taktische Ausrichtung umzuhängen, ihn für seine mitunter sonderbare Personalpolitik zu kritisieren; der Mann hat intern Spielervorschläge gemacht, die bisweilen für heftige Verwunderung sorgten – wie den abgehalfterten Ex-Hertha-Profi Änis Ben-Hatira.
Aber in Altach werden sie bei ihrer Fehleranalyse schon einen Schritt weitergehen müssen. Klose landete nämlich nur im Schnabelholz, weil Grabherr seinen Job bei der Trainersuche nicht richtig machte und einen Befreiungsschlag benötigte. Unvergessen ist dessen Live-Auftritt bei den Kollegen von Vorarlberg live, als er Anfang Juni offenherzig preisgab, von welchen Trainerkandidaten er einen Korb bekommen hätte oder welche nicht zu bekommen wären: Eben Schopp, Stocklasa oder auch Thomas Grumser. Spätestens nach diesem Auftritt musste Grabherr einen Trainer präsentieren, der nicht wie die D- oder E-Lösung aussah, sondern einen, den er und Altach als Coup präsentieren konnten.
Da kam ein so schillernder Name wie Klose gerade recht. Ironie des Schicksals ist, dass Grabherr just von Klose mit öffentlichen Transfer-Forderungen massiv unter Druck gesetzt wurde. Als Grabherr nicht liefern konnte, war er so angeschlagen, dass er im September 2022 keine Zukunft mehr hatte in Altach.

Fehlerkette
Die große Frage ist allerdings, warum Grabherr nach dem glücklichen Klassenerhalt im Mai 2022 überhaupt noch beim SCR Altach bleiben durfte. Man machte in Altach einfach so weiter, als ob nichts geschehen wäre, zum Trainer-Wechsel wurde man durch den Magnin-Abgang gezwungen. Dass unter Grabherrs Verantwortung eine praktisch nicht bundesligataugliche Mannschaft zusammengestellt wurde und man nur haarscharf am eigentlich verdienten Abstieg vorbeischrammte, blieb ohne Folgen.

Stattdessen putzte man sich an Ex-Trainer Damir Canadi ab, der hätte im Sommer 2021 die Personalplanung übernommen. Weil der damals neu eingestellte Sportliche Leiter Grabherr als unerfahrener Neuling erst eingearbeitet werden hätte müssen. Es mag stimmen oder nicht, dass beim seinerzeitigen Sommer-Transferfenster Trainer Canadi mehrheitlich die Spieler vorschlug. Aber welche Entschuldigung hatte Grabherr im Winter 2021? Bei der laut SCRA ersten Transferphase unter seiner Verantwortung agierte Grabherr so zögerlich, dass Trainer Magnin selbst auf Spielersuche gehen musste. Was schließlich zur Frage führt, warum man sich beim SCRA im Frühjahr 2021 überhaupt für Grabherr als neuen Sportlichen Leiter entschied, obwohl der schon als Trainer in Altach gescheitert war und im März 2019 als Tabellenletzter gehen musste.

Nur Magnin ging von selbst
Niemand hat die Rheindörfler gezwungen, einen Sportlichen Leiter zu verpflichten, der kein Netzwerk und keine Berufserfahrung hatte. Als die NEUE diese und andere Fragen nach dem Klassenerhalt im Mai 2022 stellte, kam das gar nicht gut an in Altach. Aber weil sich eben die Entscheidung für Grabherr bis heute auswirkt, werden sie sich bei den erneut akut abstiegsgefährdeten Altachern diese Fragen sehr wohl gefallen lassen müssen. Vor allem: Sie sollten sich dringend mit diesen Themen intensiv auseinandersetzen. Vielleicht nicht sofort, weil es jetzt gilt, alle Kraft auf den Klassenerhalt zu lenken. Aber beim SCRA werden sie besser früher als später vieles aufarbeiten müssen.
Schmidt wird wohl zurückkehren
Im Laufe der Woche werden die Altacher den sechsten neuen Trainer seit der Saison 2018/19 präsentieren, Interims-Coach Wolfgang Luisser gar nicht mitgezählt. Es wird wohl Klaus Schmidt, der schon in der Saison 2017/18 Trainer in Altach war und der NEUE bereits vor Tagen versicherte, dass der damalige unsanfte Abschied vom SCRA kein Hinderungsgrund für eine Rückkehr wäre. Altach trennte sich seinerzeit von Schmidt per Ausstiegsklausel, die griff, wenn man in der damaligen Zehnerliga Platz sieben in der Tabelle verpasste. Altach wurde Achter. Der neue Trainer wird also der sechste Trainer seit der Saison 2018/19 sein. Zudem ist Georg Festetics der dritte Versuch, die Lücke auf dem Posten des Sportlichen Leiters/Sportdirektors zu füllen, die man in Altach durch die selbstbestimmte Trennung von Georg Zellhofer im September 2019 aufriss.
In den vergangenen fünf Jahren hat man in Altach bis dato also acht Mal eine sportliche Schlüsselfunktion neu besetzt, sechs dieser Dienstverhältnisse beendete später der Verein, weil die Verpflichteten nicht die Erwartungen erfüllten: Die Trainer Grabherr, Pastoor, Canadi und Klose, die Sportlichen Leiter Möckel und Grabherr. Wie eines Tages die Bewertung des aktuellen Sportlichen Leiters Georg Festetics ausfällt, wird die Zeit weisen. Einzig Magnin ging von selbst, nicht zuletzt weil, wie der Schweizer hinter vorgehaltener Hand erklärte, „sich bei Altach nie was verändern wird“. Zu dieser Schlussfolgerung kam er nach nur fünf Monaten bei den Rheindörflern.

Führungstrio
Klar ist: Wer als Verein so oft bei der Besetzung von Führungspositionen falsch lag, muss die Entscheidungsfindung an sich hinterfragen, also den Prozess sowie die Kriterien. Es müssen sich aber auch die Entscheidungsträger selbst der Kritik stellen. Das sind seit Frühjahr 2019 auf präsidialer Ebene Peter Pfanner und sein Vize Werner Gunz sowie nicht zuletzt der Langzeit-Geschäftsführer Christoph Längle. Ein „einfach weiter so“ darf es dieses Mal jedenfalls nicht mehr geben, egal, ob man sich erneut retten kann oder den Gang in die zweite Liga antreten muss. Fortsetzung folgt bestimmt.
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