Wenn die Studienzeit nicht nur zum Feiern ist

Klaus hartinger
In den meisten Bundesländern gibt es eine psychologische Studentenberatung, die vom Bund finanziert wird. Nur im Burgenland und in Vorarlberg nicht.
Die Studienzeit ist nicht immer ein einfacher Lebensabschnitt. Junge Menschen ziehen erstmals in eine fremde Stadt, irren anfangs durch ein organisatorisches Labyrinth, sind auf der Suche nach neuen Freunden und womöglich auch nach sich selbst. Plötzlich werden Hefte durch dicke Bücher an Prüfungsstoff abgelöst, welche nicht mehr komplett wie zuvor in der Schule auswendig gelernt werden können. Gleichzeitig will man keine Hausparty verpassen. In einer derartigen Lebensphase kann psychologische Unterstützung manchmal hilfreich sein. Doch Theapeuten sind teuer, eine Sitzung kostet meist zwischen 80 und 110 Euro und Studierende sind keinesfalls bekannt dafür, dass sie eine dicke Geldtasche haben.
Deswegen gibt es in Österreich mehrere Stellen einer psychologischen Studentenberatung des Bundes. Diese sind gratis und anonym. Dort arbeiten Psychotherapeuten, die Studierende bei Themen wie etwa Prüfungsangst, Konflikten in der Wohnungsgemeinschaft, Todesfällen in der Familie, Beziehungsproblemen oder Selbstwertproblemen sowohl in Gruppen, Einzelberatungen oder Kurztherapien begleiten. Die Hemmschwelle ist dabei auch meist niedriger, mit dem Leistungsproblem als Vorwand etwa zu einer anonymen Studierendenberatung zu gehen, anstatt mit einer Depression zum Therapeuten. Der Leiter der Innsbrucker Beratungsstelle, Christian Schöpf, bezeichnet die Studentenzeit als „vulnerable Phase“. Der klinische Psychologe beobachtete zuletzt, dass sich die Ausprägung der Probleme durch Krisen wie Corona verstärkt haben. Für ihn ist es wichtig, „Studenten als ganze Person zu betrachten“. Denn der Studienerfolg ist nicht losgelöst vom Befinden wahrzunehmen. Wenn es Studenten gut geht, können sie womöglich auch mehr Leistung erbringen.
Gesetzlich verankert
Derartige Beratungsstellen wie diese, an der Schöpf tätig ist, sind österreichweit an sechs Standorten angesiedelt. In drei Bundesländern, darunter auch Vorarlberg, gibt es keine nachgeordnete Dienststelle des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Laut dem Studienförderungsgesetz Abschnitt 7, Paragraph 68a ist die Bereitstellung einer Beratung eine Empfehlung, aber kein Muss: „Zur Unterstützung der Studienwahl und der Studientätigkeit können von der Bundesministerin oder vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung an jedem Hochschulstandort Psychologische Beratungsstellen für Studierende an Universitäten, Privathochschulen, Privatuniversitäten, Theologischen Lehranstalten und Fachhochschulen geschaffen werden.“
Doch haben die Studierenden der Stella oder der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) keine psychischen Probleme? „Es wäre komisch, wenn die Studierenden in Vorarlberg nicht die gleichen Probleme hätten“, mutmaßt Schöpf über den lokalen Bedarf. Der Ursprung, warum es im Land keine derartige Stelle gibt, ist jedoch nicht auf die aktuelle Situation angepasst, sondern historisch. Die psychologischen Studienberatungsstellen wurden in den 1970er-Jahren in den größeren Universitätsstandorten Wien, Graz, Linz, Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg eingerichtet. Eine Fachhochschule war damals in Vorarlberg noch nicht in Sicht. Diese wurde erst 1989 als Technikum Vorarlberg gegründet.

An die Bedarfsentwicklungen der vergangenen Jahre wurde auch das Leistungsspektrum der Beratungsstellen angepasst. Laut dem Kabinett des Bildungsministers Martin Polaschek wurde bereits 2014 die sogenannte Chatberatung eingeführt und mittlerweile gibt es zudem die Möglichkeit der Onlineberatung per Video. „Auch personell wurde die psychologische Studierendenberatung aufgrund der steigenden Nachfrage seit der Coronapandemie massiv (um 40 Prozent) aufgestockt“, heißt es vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Für den Ausbau stelle das BMBWF seit 2021 jährlich eine Million Euro zusätzlich zur Verfügung, welche für das zusätzliche Personal, Infrastruktur und technische Ausstattung verwendet wird. Das BMBWF stehe darüber hinaus im regelmäßigen Austausch mit den Hochschulen und der ÖH. „Deshalb ist bislang davon auszugehen, dass die bestehenden Angebote die Nachfrage aus den genannten Bundesländern abdeckt.“
Probleme haben sich verstärkt
Der hohe Bedarf wird auch in den Beratungsstellen beobachtet. „Wir haben überall zu kämpfen, denn es gibt viel mehr Nachfrage als Angebot“, so Schöpf. Er ist mit der Innsbrucker Beratungsstelle auch für die Vorarlberger Studierenden zuständig. Den Weg von Vorarlberg ins Tirol nimmt jedoch laut Schöpf keiner für die psychologische Studierendenberatung auf sich. Auch die Onlineberatung fand bisher keinen Anklang. Zu ihm kommen nur Studierende der Innsbrucker Hochschulen. Das waren im vergangenen Studienjahr 461 Personen der insgesamt 33.000 Studierenden der Universitäten und Fachhochschulen.
Bisherige Anläufe
Doch die Überlegung einer Vorarlberger Beratungsstelle ist keinesfalls eine neue. Schöpf ist schon seit 20 Jahren in der Studentenberatung tätig. Er erinnert sich daran zurück, dass er bereits im Jahr 2006 von der damaligen Leitung der FHV, Dörte Resch, nach Vorarlberg eingeladen wurde. Denn damals hatte demnach eine Umfrage ergeben, dass ein Bedarf an psychologischer Beratung da war. Die damalige Umsetzung hätte jedoch nicht funktioniert. „Mehrmals taucht das Thema punktuell auf und jemand engagiert sich dafür“, meint er.
Inzwischen gibt es sogar eine Beratungsstelle an der FHV, doch keine finanzierte vom Bund, sondern von der Dornbirner Fachhochschule selbst. Dort sind jedoch keine Psychologen tätig. Die Herangehensweise mit dem Blick „der psychologischen Brille“, wie Schöpf es nennt, empfindet jener jedoch gerade bei bestimmten Themen wie etwa Drogen als wichtig.
Deswegen wird bei der Stabstelle für Diversität keine Therapie angeboten, sondern Studenten werden hierfür ans IfS etwa weitervermittelt. Leiter Fabian Rebitzer und seine Kollegen haben also eine Brückenfunktion. Denn die Anliegen sind vielfältig, mit denen sie konfrontiert werden. Sie reichen von Trauerfällen über Beziehungsprobleme bis hin zu Schulden. „Wir sind eine Hochschule mit begrenzter Größe und Ressourcen“, meint Rebitzer. Jedoch betont er, dass es ein Gratisangebot gibt, sie den Studierenden zur Verfügung stehen und diese unterstützen. Dem Soziologen liegt am Herzen, dass die Hilfesuchenden eine schnelle Hilfe bekommen. „Wir lassen die Studierende nicht lange in der Luft hängen. Das wäre nicht angemessen, wenn jemand ein Problem hat“, betont er.

Stiplovsek Dietmar
Diversität
Wie der Name „Stabstelle für Diversität“ schon suggeriert, unterstützt sie vor allem bei einschlägigen Themen. Speziell bei Herausforderungen etwa durch Behinderung oder Migration hilft das Team den Betroffenen direkt. Dann unterstützen sie etwa Studierende mit ADHS, um Ruheräume zu finden, damit sie sich von Reizüberflutungen abgrenzen können. Bei allen Problemen, die über Gender- und Diversitätthemen hinausgehen, stellen sie Kontakte her. „Wir sind eine Erstanlaufstelle und vermitteln an Fachstellen weiter“, erklärt er. Als ideale Lösung sieht Rebitzer das nicht an: „Eine psychologisch ausgebildete Person vor Ort wäre eine hochkarätige Lösung.“ Doch es ist eine Frage der Finanzierung. „Wir lösen es so gut, wie es möglich ist.“