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Europaweit Ideen für verkehrsgeplagte Gemeinden an der L202 gesucht

09.07.2025 • 09:49 Uhr
Europaweit Ideen für verkehrsgeplagte Gemeinden an der L202 gesucht
Die L202 führt von der Staatsgrenze über Höchst, Fußach, Hard nach Bregenz. Europan18

Das Land Vorarlberg und betroffene Gemeinden beteiligen sich am Ideenwettbewerb Europan 18. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die L202 und ihr Umfeld künftig gestaltet und gemeindeübergreifend weitergedacht werden können.


Vorarlberg ist einer von mehreren Standorten in Europa, die beim internationalen Ideenwettbewerb “Europan 18” vertreten sind. Unter dem Titel „Re:sourcing – Eine neue Perspektive auf das Bestehende“ sucht der Wettbewerb nach Strategien, wie Infrastrukturen transformiert und nachhaltige, zukunftsfähige Räume geschaffen werden können. Neben dem Land Vorarlberg beteiligen sich etwa auch Luzern, St. Gallen und Genf mit eigenen Planungsräumen an der aktuellen Wettbewerbsrunde.

Europaweit Ideen für verkehrsgeplagte Gemeinden an der L202 gesucht
Die L202 und neuralgische Bereiche sind gelb eingezeichnet. Das rot umrandete Gebiet soll in die Überlegungen miteinbezogen werden. EUROPAN

In Vorarlberg steht die L202 im Zentrum des Wettbewerbs. Die Landesstraße sich wie eine Magistrale vom Grenzübergang in Höchst über Fußach und Hard bis in die Stadt Bregenz zieht. Sie verbindet nicht nur Gemeinden, sondern auch wirtschaftliche Zentren, Naherholungsräume und sensible Naturlandschaften. Die Herausforderung: Die Straße fungiert aktuell vielfach als Barriere statt Bindeglied – mit massiven Auswirkungen auf Lärm, Verkehrssicherheit und Lebensqualität.
Das Land Vorarlberg hat deshalb gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden die Initiative ergriffen, sich über den Wettbewerb frische Impulse für die künftige Gestaltung dieser bedeutenden Verkehrsachse zu holen. Lorenz Schmidt, Leiter der Landesabteilung Raumplanung, nennt Europan eine „Ideenquelle“, die durch den Blick von außen auch „unvoreingenommene, unkonventionelle Lösungen“ ermögliche.

Lorenz Schmidt Abteilung Raumplanung und Baurecht
Lorenz Schmidt, Vorstand der Abteilung Raumplanung. VLK

Bewusstseinsbildung

Der Wettbewerb sei, so Schmidt, zunächst eine bewusstseinsbildende Maßnahme. Er soll die Potenziale des Straßenraums sichtbar machen – für Politik, Verwaltung und Bevölkerung. Langfristig erhofft man sich eine „gestalterische Aufwertung der Siedlungsbereiche beiderseits der Straße“ und eine funktionale Verbesserung. Gleichzeitig formuliert Schmidt zentrale Fragen, die sich aus der weiteren Entwicklung entlang der L202 ergeben: Wie sollen künftige Nutzungen – Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung – sinnvoll verteilt werden? Wo braucht es neue öffentliche Räume, und welche Dichte ist verträglich? Auch landschaftsbezogene Fragen wie der Umgang mit Flussräumen oder unbebauten Flächen seien städtebaulich höchst spannend. Er betont: „Siedlungen sind niemals statisch, sie unterliegen einem stetigen Wandel.“ Es gelte, bestehende Identitäten zu erkennen und gleichzeitig neue vorzuschlagen – mit Augenmaß und Zeithorizont. Massive Änderungen von heute auf morgen seien ohnehin nicht realistisch.

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L202. Europan


Impuls für interkommunale Zusammenarbeit erwartet

Ein zentrales Anliegen ist für Schmidt die interkommunale Zusammenarbeit, die durch den Wettbewerb gestärkt werden könnte. „Dass es sich beim Wettbewerbsthema um ein Thema handelt, das über die Grenzen einer Gemeinde hinausgeht, hoffen wir als Anreiz zu sehen, auch andere raumplanerische Themen gemeinsam zu behandeln.“ Wer Entwicklungen gestalten wolle, müsse sie aktiv planen, sagt Schmidt – und ergänzt: „Wenn man plant, hat man eine sehr große Chance, die Entwicklung positiv zu beeinflussen.“

Konzepte mit Pioniercharakter

Auch Bregenz sieht die Teilnahme als Chance, neue Impulse für aktuelle Herausforderungen zu bekommen – etwa für den Umgang mit Lärm- und Emissionsbelastungen. Man erwarte laut Stadtplanung „umsetzungsorientierte Konzepte mit Pioniercharakter“, die auch eine Trendwende in der Mobilität unterstützen könnten.

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Martin Staudinger, Bürgermeister von Hard. Hartinger

Große Chance

In Hard bezeichnet Bürgermeister Martin Staudinger den Wettbewerb als „große Chance“, um einen herausfordernden Raum im Gemeindegebiet gemeinsam mit Nachbargemeinden zu bearbeiten. Besonders wertvoll sei der interkommunale Ansatz. Man hoffe auf die Entwicklung verbindlicher städtebaulicher Leitlinien, die künftig als Rahmen für Bebauung und Gestaltung entlang der L202 dienen sollen.


Der Wettbewerb könne, so Staudinger, auch helfen, den Charakter der Gemeinde im Wandel zu bewahren. Man setze bewusst nicht auf radikale Eingriffe, sondern auf eine „behutsame Transformation“. Veränderungen müssten „im Dialog mit der Bevölkerung entwickelt werden“, betont der Bürgermeister. „Bestehendes wird weiterentwickelt, nicht ersetzt – mit Respekt vor Geschichte und lokalen Besonderheiten.“ Ziel sei es, Identität und Qualität gleichermaßen zu sichern.

„Trennung überwinden“

Für Stefan Übelhör, Bürgermeister von Höchst, ist die Teilnahme am Projekt ein logischer Schritt: „Weil uns eine überregionale Zusammenarbeit immer wichtig ist und wir großes Interesse an einer attraktiven Gestaltung der Landesstraße auf unserem Gemeindegebiet haben, war es für uns selbstverständlich, am Projekt mitzuarbeiten.“ Gesellschaftlich sieht Übelhör die größte Herausforderung darin, die Trennung durch die Straße zu überwinden. Familien beschäftigen sich laut dem Bürgermeister „immer wieder mit den Gefährdungen durch den massiven Verkehr“. Die Aussicht, durch Europan auch alternative Mobilitätsideen wie eine Straßenbahn oder gar ein gondelähnliches System zu prüfen, findet er spannend.

Stefan Übelhör, Bürgermeister Hard
Stefan Übelhör, Bürgermeister von Höchst.

Zeitplan

Der Startschuss fiel bereits am 3. März. Die Abgabe der Beiträge war bis Ende Juni möglich, die Preisverleihung wird am 17. November stattfinden, gefolgt von Implementierungsworkshops im Jahr 2026.


Bei der Standortbegehung im April nutzten zahlreiche Teams die Gelegenheit zur direkten Ortsanalyse – laut Europan-Organisation wurden 14 interdisziplinäre Teams aus mehreren europäischen Ländern für den Wettbewerb in Vorarlberg registriert. „Das Engagement war deutlich spürbar“, sagt Hannah Nusser von Europan Austria. Besonders erfreulich sei gewesen, dass viele Planerinnen und Planer die Strecke umweltbewusst mit dem Fahrrad erkundeten – ganz im Sinne des Wettbewerbsthemas.