Aschenputtel in quietschebunter Opernpracht

Das Opernstudio der Bregenzer Festspiele zeigt Rossinis „La Cenerentola“ in zuckersüßer Inszenierung.
Wieder bietet die Produktion des Bregenzer Opernstudios im kleinen Kornmarkttheater ein funkelndes Feuerwerk mit tollen jungen Stimmen, einer quietschbunten komödiantischen Inszenierung und dem quirlig beweglichen Symphonieorchester Vorarlberg: Unter der Regie von Amy Lane und der musikalischen Leitung von Kaapo Ijas geben sieben junge Sängerinnen und Sänger ihr Bestes und erwecken Gioachino Rossinis „La Cenerentola“ auf höchst musikantische Weise zum Leben. Die umjubelte Produktion steht noch zweimal am Freitag und Samstag auf dem Programm, die Vorstellungen sind allerdings schon ausverkauft.

Aschenputtel
„La Cenerentola“ erzählt die Geschichte vom Aschenputtel, hier Angelina genannt: als Dienstmagd führt sie den Haushalt ihrer zickigen, stets miteinander konkurrierenden Stiefschwestern Clorinda und Tisbe und ihres geldgierigen Stiefvaters Don Magnifico. Don Ramiro, ein Fürst auf Brautschau, schickt auf Anraten seines Mentors Alidoro seinen Diener Dandini verkleidet los, gibt sich selbst als den Diener aus und verliebt sich in das von allen drangsalierte Mädchen. Bei Rossini gibt es keine Fee und auch keinen verlorenen Schuh, vielmehr hält Alidoro die Fäden in der Hand und ein glänzendes Armband ist das Zeichen, an dem der Fürst seine Angebetete erkennen soll. Verkleidungen, Sprachwitz und ein musikalisches Laufwerk, wie es vielleicht nur Rossini in Gang setzen konnte, machen den einzigartigen Charme dieser Oper aus.

Magische Wunderkiste
In ihrer Inszenierung holt die britische Regisseurin Amy Lane mit dem Bühnenbild und den Kostümen von Anna Reid das Märchenhafte wieder zurück: Alidoro, der vom groß gewachsenen Kroaten Lobel Barun mit warm timbrierten Bass und weißem Rauschebart als eine Mischung aus Zauberer und Nikolaus gegeben wird, ist als Zeremonienmeister, Beobachter und Strippenzieher fast immer auf der Bühne. Er schiebt die Menschen in dieser „magischen Wunderkiste“, so die Regisseurin im Programmheft, wie Schachfiguren umher, entsprechend dominieren in der steilen Rampe des Bühnenbilds und in den Kostümen auch die Schachbrettmuster. Mit ihren engen Trikots und Tutus scheinen die bösen Schwestern zunächst der Welt des Varietés zu entspringen, ebenso wie ihr Vater Don Magnifico (Ferhat Baday mit kernigem Bass) in seinem Piratenkostüm, das sich leicht verwandeln lässt. Für den Ball sind Clorinda (Aitana Sanz) in ein voluminöses und Tisbe (Anja Mittermüller) in ein enges Kleid gewandet, die ausladenden Frisuren spiegeln ihre habgierigen Charaktere.

In Pink und Hellgrün treten der Fürst und sein Diener auf, perfekt aufeinander abgestimmt. Die größte Verwandlung erlebt natürlich Angelina, wenn sie Kittel und Turban einer Dienstmagd ablegt und im prächtigen Ballkleid samt spitzem Feenhut auftritt.

Unbedingt zu erwähnen sind auch die acht Herren des Festspielchors, die auf hohen Schuhen die Choreographie von Tim Claydon als die Gehilfen Alidoros mit Witz und Spiellaune umsetzen und dazu auch noch charmant singen.
Hier ist niemand nebensächlich
Die Stimmen der Sängerinnen und Sänger, die überwiegend in den Opernstudios größerer Häuser engagiert sind und hier in Bregenz dann große Partien (bei Rossini ist keine Rolle nebensächlich!) gestalten dürfen, sind durchweg großartig: Tenor Aaron Godfrey-Mayes blitzt als Don Ramiro mit schlankem Tenor und fast unbeschwerten Spitzentönen, im koreanischen Bariton Josef Jeongmeen Ahn ist ein herrlich spielfreudiger Sänger mit rundem Volumen und Wärme zu erleben. Aitana Sanz und Anja Mittermüller sind sehr harmonisch als die Schwestern in ihrer überdrehten Zickigkeit, Ferhat Baday genießt als Don Magnifico die Rolle des polternden Bassbuffos. Lobel Barun überzeugt als warmherziger Alidoro. Über allen anderen begeistert die chinesische Mezzosopranistin Jingjing Xu mit ihrem warmen Timbre im Lyrischen und ihrer souveränen, die Register verbindenden Koloraturen- und Verzierungstechnik. Klug teilt sie sich ihre Kräfte bis zu ihrer letzten großen Arie ein, in der sich Angelina über ihre Schwestern erhebt und verzeiht.

Sprachvirtuose Komik
Rossinis Meisterwerk lebt aber nicht nur durch die Arien in ihrem leicht holzschnittartigen Aufbau, es sind vor allem die sich wunderbar aufschaukelnden Ensembles, in denen sich das ganze Chaos der Emotionen spiegelt und die sich in einer großen Welle sprachvirtuoser Komik aufbauen. Der Dirigent Kaapo Ijas lässt das Ensemble und das Orchester quicklebendig und fein differenziert in den Instrumentengruppen aufspielen, schöne Holzbläsersoli und ein insgesamt gut ausbalanciertes Orchestertutti lassen sich mitreißen vom musikalischen Treiben. Ein Sonderlob sei Hana Leen ausgesprochen, die die Rezitative rund und fantasievoll am Hammerklavier gestaltet. Manchmal klappert es in der Koordinaton zwischen Orchester und Bühne, aber das fällt kaum ins Gewicht. Das Prinzip Opernstudio bewährt sich auch unter der neuen Intendantin, die ein gutes Händchen für die jungen Stimmen hat.
Katharina von Glasenapp