20 Jahre Hochwasser: “Diese Bilder vergisst man bis heute nicht”

Das Jahrhunderthochwasser 2005 jährt sich zum 20. Mal. Die NEUE hat in einigen der betroffenen Gemeinden nachgefragt: Wie erinnern sich die Bürgermeister an die Katastrophe? Und ging seither im Hochwasserschutz voran?
Von Tobias Holzer, Hannah Swozilek und Robert Brüstle
Andreas Simma kann sich noch gut an das Hochwasser 2005 in Au erinnern. „Schon an den Vortagen gab es extreme Niederschläge. Am Abend, während einer Gemeindevertretungssitzung, kam die erste Meldung: Ein Hangrutsch erfasste ein Haus.“

Von dort an überschlugen sich die Meldungen: „Am nächsten Tag war Land unter. Die Bregenzerach hatte den linken Schutzdamm durchbrochen und die Postgarage geflutet. Die Postautos wurden bis an die Decke gespült.“ Zahlreiche weitere Betriebe und Häuser standen unter Wasser. Anderthalb Tage lang war Au von der Außenwelt abgeschnitten. Dem Bürgermeister bleibt besonders die Unterstützung in Erinnerung: „Aus dem ganzen Land sind Helfer gekommen, es gab große Solidarität.“

Schröcken ist eine jener Gemeinden, die glimpflich davongekommen sind. „Häuser waren bei uns 2005 keine betroffen“, erzählt Bürgermeister Stephan Schwarzmann. Einen beachtlichen Hochwasserschaden habe es dennoch gegeben: „Der Abwasserkanal wurde auf 500 Meter Länge zerstört, unmittelbar vor der Kläranlage“, berichtet der Ortschef.

Die Folge: Das Wasser der Bregenzerach drang in die Kläranlage ein, der beschädigte Teil des Abwassersystems sei zwei Monate lang außer Betrieb gewesen. Auch ein oder zwei Hangrutschungen habe es gegeben, so Schwarzmann, wobei diese weniger Schaden anrichteten. „Inzwischen hat die Bregenzerach eine verbesserte Ufersicherung“, so der Bürgermeister. Schröcken sei aber durch die Lage in Sachen Hochwasser „besser dran als andere Gemeinden“.
“Haben das Ereignis von 2005 in Hohenems nachgeprobt”
Der Hohenemser Bürgermeister Dieter Egger war vor 20 Jahren Landesrat für Wasserwirtschaft und Gewässerschutz. „Das sind Bilder, die man bis heute nicht vergisst“, erinnert er sich an das Jahrhunderthochwasser. „Ich war damals im ganzen Land unterwegs, vom Schildried bis in den Bregenzerwald.“ Er spricht von „erschreckenden Bildern“, als die Bäche über die Ufer traten. Auch in seiner Heimatstadt Hohenems gab es Überflutungen, als der Emsbach überging. „Bei uns münden praktisch alle Bäche in den Emsbach. Wir haben massiv in den Hochwasserschutz dieser Gewässer investiert“, verweist der Bürgermeister auf Wildbachverbauungen und Auffangbehälter.

Inzwischen seien die Blaulichtorganisationen deutlich besser vorbereitet: „Wir haben das Ereignis 2005 nachgeprobt. Mit mobilen Hochwasserelementen können wir verhindern, dass die Innenstadt nochmals so überflutet wird.“ Zusätzlich setzt man in Hohenems auf Katastrophenpläne und das Team Hohenems – engagierte Bürger, die auf Abruf bei solchen Ereignissen helfen. „Einhundertprozentige Sicherheit gibt es nie, aber wir sind gut vorbereitet“, sagt Egger.
Kraftakt im Göfner Schildried
Die Bewohner der 17 Häuser in der Göfner Parzelle Schildried erlebten 2005 einen wahren Albtraum, als nach 1999 und 2000 das Hochwasser der Ill erneut ihr Zuhause zerstörte. Bis zu zwei Meter hoch stand das Wasser in den Häusern „Der größte Kraftakt für den damaligen Bürgermeister war die Umsiedelung der Bewohner“, erklärt Thomas Lampert, der seit 2018 die Geschicke in der Gemeinde leitet. Man habe diese Maßnahme durchgeführt, um weitere „persönliche Schicksale“ zu verhindern, wie es der Bürgermeister formuliert. Er spricht von einem „Novum“ zur damaligen Zeit.

Mit rund 50 Bewohnern verhandelte das Land monatelang, um eine Entschädigungslösung auf die Beine zu stellen. Das Basis-Angebot war bei 80 Prozent des Zeitwerts der Gebäude im Schildried angesetzt.
Inzwischen hat man im gesamten Walgau umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen umgesetzt, damit die Ill keine derartigen Schäden mehr anrichten kann. „Im Schildried ist ein Retentionsbecken entstanden. Die wenigen Häuser, die noch nicht abgesiedelt wurden, liegen in einer solchen Hanglage, dass sie vom Wasser nicht mehr erreicht werden können“, so Lampert. Der Wasserverband Ill-Walgau habe in den letzten Jahren viel für die Hochwassersicherheit getan, lobt er.

„Wir sind gut gewappnet für Starkregenereignisse“
Zwölf Tage lang war der St. Gallenkircher Ortsteil Gargellen von der Außenwelt abgeschnitten. Auf rund vier Kilometer Länge zerstörten die Wassermassen die L192, die Bewohner des Bergdorfs wurden via Luftbrücke notversorgt. Bürgermeisterin Elisabeth Kuster war damals gerade einmal zehn Jahre alt. Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser hat sie keine mehr, heute sieht sie ihre Gemeinde „gut gewappnet für Starkregenereignisse.“ Man sei laufend an Projekten zum Hochwasserschutz dran, „zum Beispiel am ‚Gufelbachprojekt‘, welches gerade erst bewilligt wurde. Ein anderes Projekt ist der Tramosabach, bei diesem Projekt stoßen wir aktuell allerdings noch etwas auf Widerstand.“

Auch Elisabeth Kuster betont die Solidarität im Dorf: „Wir sind in der Feuerwehr gut ausgerüstet, die Reaktionskette funktioniert hier bestens. Wenn etwas passiert, helfen die Bürgerinnen und Bürger einander außerdem immer. Diese Nachbarschaftshilfe habe ich selbst auch schon erleben dürfen.“ Bei einem Starkregenereignis seien „alle in Bereitschaft. Ich erinnere mich noch an den Vorfall in Partenen vor Kurzem, wir bleiben aktuell zum Glück verschont. Das Wichtigste ist sowieso, dass bei solchen Vorfällen keine Menschen zu Schaden kommen”, erklärt Kuster.

„Eine Ausnahmesituation im Kleinwalsertal“
“In Mittelberg gab es extrem viele Feuerwehreinsätze. Die Breitach ist über die Ufer getreten und hat mehrere Brücken beschädigt – unter anderem eine hunderte Jahre alte, überdachte Holzbrücke, deren Fundament unterspült worden war. Im Ortsteil Baad spülte die Breitach einen Teil vom Campingplatz weg. Außerdem gab es mehrere Murenabgänge. Es war eine Ausnahmesituation im Kleinwalsertal“, erinnert sich Bürgermeister Joachim Fritz. „Unsere Rettungsorganisationen waren sehr gefordert, aber bei uns im Kleinwalsertal sind sie zum Glück ohnehin sehr gut aufgestellt – schließlich haben wir keine unmittelbaren Nachbarorte, deren Feuerwehren einspringen könnten.“

In Zusammenarbeit mit der Wildbach- und Lawinenverbauung des Landes wurden Stabilisierungsmaßnahmen an den Hängen im Kleinwalsertal durchgeführt. Die weggespülten Brücken habe man wieder aufgebaut, aber in einer sichereren Lage. „Auch die historische Holzbrücke wurde wieder aufgebaut, aber deutlich höher über dem Wasser“, so Fritz. „Die Einsatzkräfte sind auf solche Ereignisse inzwischen sensibilisiert und entsprechende Einsatzmittel sind vorhanden. Aber man weiß natürlich nie, was kommt“, verdeutlicht der Bürgermeister, welche Unsicherheit derartige Starkregenereignisse mit sich bringen.
zahlen zum hochwasser
190 Millionen Euro betrug nach dem Jahrhundert-Hochwasser vom August 2005 die Gesamthöhe der Schäden in ganz Vorarlberg.
30 Millionen Euro werden jährlich landesweit im Durchschnitt in den Hochwasserschutz investiert.
593 Millionen Euro wurden in den letzten zwei Jahrzehnten von den Gemeinden, Städten und Wasserverbänden gemeinsam mit Unterstützung von Land und Bund in den Hochwasserschutz investiert.
2 Menschen starben bei dem Jahrhundert-Hochwasser 2005 in Vorarlberg, elf wurden verletzt.
90 Millionen Euro werden heuer in Vorarlberg im gesamten Bereich Wasserwirtschaft investiert. Die Gemeinden und Städte investieren dabei die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, den Schutzwasserbau und die Wildbach- und Lawinenverbauung. Davon trägt das Land 16,5 Millionen Euro.
228 Millimeter Niederschlag gingen zwischen 22. und 23. August binnen 24 Stunden in Innerlaterns nieder. Damit wurden alle Spitzenwerte seit Messbeginn im Jahr 1895 überschritten.
(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)