Kultur

“Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei”

HEUTE • 19:10 Uhr
"Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei"
Hartinger (7)

Die neue Schau im Flatz Museum reflektiert, wie sich der Gebrauch von Bildern über Generationen gewandelt hat.

„Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei“, zitiert Kurator Christoph Doswald Charles Baudelaire (1821-1867). Der französische Dichter konnte nicht ahnen, wie wertvoll diese „Feindschaft“ sein wird. Denn die Fotografie entriss der Malerei nicht nur das Monopol auf Bilder und damit Künstlern ihr täglich Brot. Vielmehr wurden die Künste vom Zwang der Repräsentation befreit, sahen sich genötigt, über sich selbst hinauszuwachsen.

"Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei"

So auch die Fotografie. Längst als Kunstform anerkannt, spiegelt sie seit ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert die Geschichte der modernen Menschheit wider, in Form wie auch im Inhalt.

"Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei"

Jetzt bedroht Künstliche Intelligenz das Selbstverständnis der Fotografen, ein Umstand, den sie mit allen Arbeitern der visuellen Kultur teilen. Fotomanipulationen sind spätestens seit der Zeit des Stalinismus, als Revolutionäre wie Leo Trotzki von allen offiziellen Bildern getilgt wurden, von weltgeschichtlicher Bedeutung. Doch mit der neuen Technologie digitaler Bilderzeugung geht ein fundamentaler Zweifel an allem Visuellen einher, der das gesellschaftliche Verständnis für Wirklichkeit fundamental infrage stellt.

"Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei"
Ein Bild des Fotografen Raymond Cauchetier (1920 bis 2021)

Privatsammlung

Unter diesem Stern steht „Bilder ohne Eigenschaften“, die neue Ausstellung des Dornbirner Flatz Museums. Zusehen sind Pressefotografien der Sammlung von Annette und Peter Nobel. Der Schweizer Jurist war unter anderem Rechtsanwalt von Friedrich Dürrenmatt. „Ich kann leider in Sekunden entscheiden, ob mir etwas gefällt oder nicht. Und was ich mir leisten kann, dass sehen Sie hier“, scherzt der Sammler während seiner Eröffnungsrede.

"Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei"
Ein Werk von Dennis Hopper (1936 bis 2010).

Die Schau verbindet 30 Werke aus der über 2000 Objekte zählenden Kollektion zu einem Zeitstrahl, der mehr als 100 Jahre zurückreicht. Die ältesten Bilder stammen unter anderem vom sowjetischen Künstler Alexander Rodtschenko (1981 bis 1956) und dem Amerikaner Man Ray (1980 bis 1976). Konkret beleuchtet die Schau Momente wie die Wahl und den Tod des US-Präsidenten von John F. Kennedy, die Tour de France, den Mordprozess von O. J. Simpson, Folter der Gefangenen im irakischen Gefängnis Abu-Ghuraib durch US-Soldaten, den Selbstmord von Kurt Cobain wie auch weitläufige Szenen des alltäglichen Lebens.

Neue Realitäten

Im Mittelpunkt steht jedoch nicht die Chronologie, sondern der Wandel der Bildfunktion. Wo anfangs das dokumentarische Moment zählt, etwa in den Arbeiten von Dennis Hopper oder Henri Cartier-Bresson, rückt in späteren Werken die Idee selbst ins Zentrum.

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Zhang Xianyong, Last Supper (Workers), 2007.

Fotografen wie Zhang Xianyong, Wolfgang Tillmans oder Thomas Ruff nutzen das Medium, um neue Realitäten zu erschaffen. Olaf Breuning oder Barbara Kruger, hinterfragen die Macht der Bilder auf inhaltlicher Ebene – mit Texten, Manipulationen und Kontextverschiebungen.

"Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei"
Olaf Breuning, Good News Bad News, 2008.

Die Ausstellung spannt damit einen Bogen vom Bild als Zeugnis zum Bild als These. Eine Brücke, die der deutsche Andreas Gursky mit einem monumental vergrößerten Abbild einer Seite aus Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ schlägt. Dabei verwandelt sich der Text zur Struktur, Sätze zu einem Bild.
Und dieses hat, frei nach dem französischen Philosophen Roland Barthes, immer das letzte Wort.

Die Schau kann bis zum 25. Oktober besichtigt werden.