Das Kunstmuseum Liechtenstein kommt nicht zur Ruhe

Das Kunstmuseum Liechtenstein zeigt „Let Yourself Be Free“, die neue Schau des Videokünstlers Tony Cokes.
Wie ein DJ der Bildenden Kunst erscheint Tony Cokes bei „Let Yourself Be Free“, seiner neuen Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein. Sie ist auch Ausdruck des Credos der scheidenden Direktorin Letizia Ragaglia „dass die Sammlung lebendig ist und immer neue Geschichten erzählen darf“. Die gebürtige Südtirolerin übernimmt im kommenden Jahr die Leitung des Museo d’arte della Svizzera italiana in Lugano (CH).

Das Metier des 1956 in Richmond (Virginia) geborene Künstler ist die Videokunst. Mit kritischem Blick auf Konsumverhalten, Rassismus, Macht und Medien, entstellt er Fragmente der Pop-, Massen- und Hochkultur zu neuer Kenntlichkeit. Dabei verzichtet Cokes seit der Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 im engeren Sinn auf Bilder. Stattdessen schafft er Werke mit monochromen Farbflächen, entlehnten Zitaten, flankiert durch Musik.

Britney, Jackson, Obama
„Ich hörte an einem Sonntagmorgen Radio und da kam ein Beitrag über eine juristische Regelung, durch die Britney Spears daran gehindert wurde, ihr eigenes Handeln zu bestimmen“, schildert der Künstler die Geschichte hinter der gut 40-minütigen Videoarbeit „Free Britney?“ (2022). Er erkannte in den Songtexten der Pop-Ikone starke Parallelen zur Situation, in der sie sich befand. So entwarf der US-Amerikaner ein Werk, dass Musik und Lyrics der Künstlerin mit der Berichterstattung über den Rechtsstreit um ihre Vormundschaft verschränkt.
Ähnlich verfährt Cokes in „Untitled (m.j.: the symptom)“ (2020), das den Tod Michael Jacksons mit der Finanzkrise 2009 und dem Aufstieg Barack Obamas in Verbindung bringt. Der Popstar erscheint hier nicht nur als kulturelles Phänomen, sondern als Symptom einer Epoche, die mit seinem Album Thriller begann und Obamas Präsidentschaft endete.
Dialog mit Kollektion
Werke des Videokünstlers finden sich in den Sammlungen renommierter Häuser, wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Museum of Modern Art in New York, wie auch in dem Kunstmuseum Liechtenstein. Durch seine neue Auftragsarbeit „LtYrslfBFree.01–03“ tritt er mit der Kollektion des Hauses in Dialog. Texte der für das Museum prägenden Sammler Rolf Ricke, Harald Szeemann und Donald Judd werden dabei in eine Mehrkanal-Installation verflechtet, begleitet von Musik, die den Raum rhythmisch auflädt.
„Manchmal geht es tautologisch zu“, lacht Ragaglia. Denn in der Ausstellung treffen Hommagen an Künstler wie Richard Serra oder Dan Flavin auf deren Werke. „Effektiv die Minimal- und Postminimal-Art, die wir in der Sammlung haben“, erklärt die Direktorin.
Lokales und Internationales
Neben der internationalen Perspektive öffnet sich die Schau auch zur Region. Mit Anne Marie Jehles Arbeit „Peace“, die aus Polaroids von Atompilzen das Wort Frieden formt, wird ein lokaler Akzent gesetzt. Für Ragaglia fügt sich die Ausstellung in eine Linie, die sie während ihrer Amtszeit verfolgt hat: „Es ging mir immer darum, die Sammlung nicht wie ein abgeschlossenes Depot zu behandeln, sondern sie in Bewegung zu halten.“

Begegnung mit Bewegung. Dass Bewegung im Museum auch wörtlich zu verstehen ist, zeigte sich schon früh in ihrer Amtszeit. Am 11. November 2021, zum Geburtstag des Hauses, ließ Ragaglia erstmals tanzen. „Anfangs gab es kritische Stimmen, ob das in einem Museum sein darf“, erinnert sie sich. Doch aus dem Experiment wurde ein etabliertes Format, das später sogar mit Seniorengruppen weitergeführt wurde. Unter dem Titel „Bewegen und Wohlfühlen“ entstand eine Reihe, die zeigt, wie Kunst und Begegnung ineinandergreifen können.

Was Cokes mit Texten, Farben und Sounds erreicht, hat Ragaglia in ihrer Amtszeit mit der Sammlung versucht: Bekanntes neu zu mischen und daraus überraschende Geschichten entstehen zu lassen.
„Let Yourself Be Free“ läuft bis zum 1. März 2026 im Kunstmuseum Liechtenstein.