Der Mann hinter dem Varieté am Bodensee nimmt Abschied

Nach zwei Jahrzehnten verabschiedet sich Heinz Wendel mit 77 Jahren von seinem Herzensprojekt.
Wer schon vor dem Druck des ersten Flyers fast alle Tickets verkauft hat, kann zurecht stolz auf sich sein. So auch Heinz Wendel, der in enger Zusammenarbeit mit seiner Frau Catrin das Varieté am Bodensee organisiert. Es ist ein Herzensprojekt des Gaißauer, dass er nach seiner Pensionierung als Lehrer aus der Taufe hob. 20 Jahre später setzt der 77-Jährige die Segel Richtung Ruhestand. Doch bevor die zweite Pensionierung anbricht, schlüpft er vom 4. bis zum 8. Dezember noch ein letztes Mal in die Rolle des Gastgebers. Dann verwandelt das Varieté am Bodensee die Halle 13 der Dornbirner Messe erneut in eine Spielstätte spektakulärer Bühnenkunst, Kulinarik inbegriffen.

Keine nackten Frauen in Paris. Als Wendel 2006 das erste Varieté in Lauterach veranstaltete, musste er erst verdeutlichen, was es damit auf sich hat. „Viele hatten Bilder von nackten Frauen, die in Paris an einer Stange tanzen, im Kopf. Als ich den Seniorenbund eingeladen habe, hat man mich gefragt, ob ich wahnsinnig sei. Das darf man in Vorarlberg ja nicht machen“, erinnert sich der Kulturmanager lachend zurück.

Die ersten Jahre seien nicht leicht gewesen. Wendels ließen sich davon aber nicht aufhalten. „Ich kenne keine Probleme, nur Herausforderungen“ bekräftigt der verschmitzte Gastgeber. Doch je öfter der Vorhang fiel, verflog auch die Skepsis. Statt anzüglichen Shows bot er eine Mischung aus Zirkusartistik, Musik und Humor. Bald sprengte die Nachfrage das Fassungsvermögen der Lauteracher Spielstätte. 2012 folgte der Umzug nach Dornbirn.

Magier-Familie
Wissen, dass Videos nur bedingt das Können der Darsteller wiedergeben können, begab er sich laufend auf die Suche nach Talenten. „Von Straßenfesten in Zürich über Varieté in Hamburg bin ich überall hingefahren.“ So knüpfte Wendel enge Kontakte, die mittlerweile Generationen von Darsteller-Familien umfasst. Etwa die Verwandlungskünstler Sos & Victoria. Während das vom Guinness-Buch der Rekorde ausgezeichnete Ehepaar bereits 2012 am Programm teilnahmen, tritt heuer ihr Sohn Chris Stark ins Rampenlicht.

„Sie haben ihren Sohn zu einem Top-Magier ausgebildet“, schwärmt der 77-Jährige. Neben dem weltweit aktiven Jungmagier mit TV-Erfahrung konnte das Schweizer „Duo Full House“ gewonnen werden. Sie moderieren den Abend mit einem Mix aus amerikanischer Unterhaltungskultur und helvetischer Genauigkeit.

Ebenfalls als Duo aktiv bieten Skating Rebels aus Ungarn virtuose Rollschuh-Akrobatik. Humorvoll geht es mit Bauchredner Perry Paul werter.

Laut Medienberichten trat er 2006 als erster seines Fachs in der Antarktis auf. In Dornbirn wird er seine Besonderheit, den Bauchgesang, zum Besten geben.

Mit Phil Os Rock’n’Roll Diabolo Show, Stimmenimitator Mr Tomm, dem singenden Einrad-Rocker Dustion und der Trapez-Tänzerin Samira Reddmann konnte eine Bandbreite an Künstlern gewonnen werden, die das Programm durch ihre äußerst verschiedenen Zugänge abrunden.
Erfolgsrezept mit Trank und Speis
Neben den Darbietungen auf der Bühne spielt die Kulinarik von Beginn an eine tragende Rolle. Das Menü, das in Zusammenarbeit mit dem Bregenzer Pier69 konzipiert wird, ist fester Bestandteil der Show. „Wir wollten von Anfang an, dass unsere Gäste nicht nur zusehen, sondern einen Abend mit allen Sinnen erleben“, erklärt Wendel. Ein Erfolgsrezept, das speziell bei Firmenfeiern gut ankomme. „Das Publikum ist uns immer treu geblieben. Es gibt Gruppen, die seit der ersten Saison kommen. Ein Bäcker aus Friedrichshafen hat einmal zu mir gesagt, er könne sich nichts Besseres bieten.“
Stolz und Wehmut
Wendel verabschiedet sich mit der heurigen Produktion „Merci“ vom Hauptgeschehen. „Ich werde weiterhin Künstler ans Varieté vermitteln und meinen Regisseur Sammy Tavalis mitbringen. Mir fehlt aber mittlerweile die Kraft, so viele Menschen zu mobilisieren“ zeigt sich der 77-Jährige gleichermaßen wehmütig wie stolz. Angesprochen auf mögliche Nachfolger bestätigt er, dass bereits Verhandlungen geführt werden. Details möchte und kann er noch keine nennen.

Dafür strotzt Wendel vor Vorfreude auf die große Show, die bis auf drei Aufführungen restlos ausverkauft ist.