Sport

Eine goldene Generation belohnt sich

18.11.2025 • 23:16 Uhr
Eine goldene Generation belohnt sich
Michael Gregortisch erlöste Österreich mit seinem Tor zum 1:1. GEPA

NEUE-Sportchef Hannes Mayer kommentiert Österreichs Qualifikation für die WM 2026.

Ih werd’ narrisch! Gregoritsch schießt ein! Wir sind bei der WM! Hand auf’s Herz: Ich hatte etwas Zweifel, ob wir im Entscheidungsspiel gegen Bosnien-Herzegowina bestehen. Zu oft schon sind wir in vergleichbaren Situationen gescheitert, zu oft schon hat man in Österreich mehr über den zweiten Schritt als den ersten gesprochen. Und es war ja auch ein Nervenspiel. Aber diese Spielergeneration hat zu viele Siegertypen im Team, als dass man unter dem gestrigen Druck eingeknickt wäre.
Ein mitunter gar nicht so geringer Anteil am neuen österreichischen Selbstbewusstsein könnte im Sommer in München beim FC Bayern gesprießt sein, wo mit Thomas Müller ein Platzhirsch den Verein verlassen hat und sich eine neue Mannschaftshierarchie gebildet hat. Konrad Laimer ist bei den Bayern zum absoluten Führungsspieler geworden, ist im Mannschaftsgefüge auf einer Stufe mit Neuer, Kimmich und Kane. Das sagt alles über Laimers Mentalität aus. Dieses Selbstverständnis bringt Laimer im Nationalteam ein, er behielt gestern auch nach seinem aberkannten Treffer den Kopf oben, blieb mental stark und führte das Team. So war das auch früher bei den Generationen Krankl, Prohaska und Pezzey und später Herzog und Polster, deren Erbe die aktuelle Generation nun antreten.
Es reicht nicht, gute Spieler in den Nationalmannschaftsreihen zu haben. Diese Spieler müssen auch wissen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Tun sie das im Alltag bei ihren Vereinen nicht, schaffen sie das in den entscheidenden Momenten auch im Nationalteam nicht: Weil sie es gewöhnt sind, sich bei anderen anlehnen zu können. Das ist nämlich ein Schlüssel zum Erfolg: Im entscheidenden Moment an seine eigene Stärke zu glauben. Im Freundschaftskick gegen Deutschland zu glänzen ist einfach, weil mögliche Fehler keine großen Konsequenzen hätten. Aber in einem Entscheidungsspiel wie dem gestrigen im eigenen Strafraum in einen Zweikampf zu gehen oder einen Schnittstellenpass zu spielen, der schlechtesten Falls dem Gegner die Chance zu einem Konter bietet, dafür braucht es Eier – um es mit Oliver Kahn zu sagen.

Eine goldene Generation belohnt sich
Nach dem Schlusspfiff kannte der Jubel keine Grenzen mehr. APA

Endlich hat das Warten ein Ende
Wir haben uns die WM-Qualifikation verdient. Weil wir nicht nur eine goldene Spielernation haben, sondern eine Mannschaft, die eben auch in Drucksituationen funktioniert. Louis van Gaal nennt das Spiele, in denen es um Tod oder Gladiolen geht. Das gestern war ein Endspiel, hätte man den einen Punkt nicht geholt, wären zwar die Play-offs ein Rettungsanker gewesen, aber dieser Weg wäre steinig geworden. Und die Gefahr wäre groß gewesen, dass die Angst vor dem Scheitern zu dominieren begonnen hätte. Dieses Nervenspiel haben wir uns erspart. Ab sofort kann Österreich mit Teamchef Ralf Rangnick nur noch gewinnen. Bei der WM ist jeder Erfolg eine Draufgabe, denn auf der größten Fußballbühne der Welt ist jeder Punktgewinn eine Mammutaufgabe. Nicht nur, weil es gegen die Besten geht, sondern auch gegen die mental Stärksten, die in jeder Situation ans Limit gehen.
Und doch ist dem ÖFB-Team auch bei der WM einiges zuzutrauen. Gar nicht mal in der Außenseiterrolle, sondern in der Rolle des Herausforderers – und das ist ein großer Unterschied. Österreich ist wieder wer im Fußball, der Viertelfinaleinzug unserer U17 bei der WM in Katar lässt uns hoffen, dass diese Momentaufnahme auch Zukunft hat. Doch erstmal dürfen wir den Moment genießen: Österreich ist endlich nicht mehr nur Zuschauer bei der WM. Darauf haben wir alle 28 Jahre gewartet: I werd’ narrisch.