Der Tod ist eine Lebensschule

Über 2500 Begräbnisse hat Achleitner als Trauerredner bereits begleitet.
Herr Achleitner, Sie sind von Beruf Schauspieler und nebenbei Trauerredner. Eine Tätigkeit, von der viele sagen würden: „Das mache ich um kein Geld der Welt.“ Warum machen Sie das?
Carl Achleitner: Als meine Frau mit der Idee gekommen ist, habe ich gesagt: Ganz sicher nicht. Mittlerweile kann ich sagen: Ich werde das machen, solange ich kann, weil es eine unglaublich sinnstiftende Tätigkeit ist. Nämlich anderen Menschen, denen es in der Regel gerade schlecht geht, ein bisschen etwas Gutes tun und ihnen über den sehr schmerzhaften Moment drüberzuhelfen. Ich könnte mir keinen schöneren Beruf mehr vorstellen.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Einsatz als Trauerredner erinnern?
Carl Achleitner: Vor meiner allerersten Rede war ich so aufgeregt wie noch nie vor einer Theaterpremiere oder einem Filmdreh. Ich konnte kaum schlafen. Das ist eben das echte Leben und ein nicht wiederholbarer Anlass. Man muss im Vorfeld erspüren, was das für Menschen sind, denen man gegenübersitzt. Menschen, die mir anvertraut sind. Für sie ist dieser Abschied etwas Einzigartiges, da darf nichts schiefgehen!
In Ihrem Buch blicken Sie auf über 2500 Beerdigungen zurück, die Sie als Trauerredner begleitet haben. Der Titel klingt verheißungsvoll: „Das Geheimnis eines guten Lebens“. Wir sind gespannt!
Carl Achleitner: Ich glaube, dieses Geheimnis kennt im Prinzip jeder Mensch: So simpel das klingen mag, aber wenn wir ein von der Liebe dominiertes und getragenes Leben leben, dann haben wir auch ein gutes Leben. In meiner Wahrnehmung geht es am Ende eines Lebensweges immer um die Frage: Was warst du für ein Mensch? Und somit auch um die Frage: War es ein gutes Leben? Wenn es kein so gutes war, was hat gefehlt? Und es zeigt sich: Es hat immer die Liebe oder die Fähigkeit, die Liebe zu zeigen oder zu geben, gefehlt.
Welche Formen des Trauerns nehmen Sie bei Beerdigungen wahr?
Carl Achleitner: Je größer unsere Liebe zu einem Menschen war, desto größer ist der Schmerz beim Abschiednehmen. Das sind die süßen Tränen, denn sie kommen ja aus einer Liebe heraus. Es gibt aber auch die gegenteiligen, die ganz bitteren Tränen, wenn ein Konflikt besteht und überraschend der Tod daherkommt. Wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, Dinge auszuräumen, die man vielleicht hätte ausräumen wollen. All jenen, die Konflikte haben, die nicht gelöst sind, kann ich nur raten: Unternehmt den Versuch!
Gibt es einen Leitfaden für das Trauern? Kann man die Schrammen und Narben minimieren?
Carl Achleitner: Das Ritual des Abschieds ist ein Schlusspunkt unter der akuten Trauerphase. Jetzt kann das Verarbeiten der Trauer beginnen. Abschied hat auch mit Loslassen zu tun und man muss diesen Menschen loslassen. Woran ich glaube, weil ich es selbst in meinem Leben erlebt habe: Wenn jemand geht, den man sehr geliebt hat, dann kann sich die Trauer im Lauf der Zeit mit aktiver Trauerarbeit umwandeln in eine Freude darüber, dass es den Menschen für mich in meinem Leben gegeben hat.

