“Leute sollen zusammenkommen”

Stefan Fischnaller über die Volkshochschulen in Corona-Zeiten.
Was bedeutet der neuerliche Lockdown für die Volkshochschulen?
Stefan Fischnaller: Das ist unterschiedlich. Der Bereich der Kreativität, der Gesundheit, des Schöngeistigen, den die Volkshochschulen an allen Standorten in Vorarlberg anbieten, kommt total zum Erliegen. Alle diese Dinge wie Kochkurse, Weihnachtsvorbereitungskurse, Gymnastikkurse müssen komplett abgesagt werden. Berufliche oder berufsorientierte Weiterbildung kann weiter stattfinden. Konkret handelt es sich dabei um Deutschkurse, die auf die Integrationsprüfung vorbereiten, Pflichtschulabschlusskurse, Berufsreifeprüfungskurse, aber auch Kurse, die mit Vorbereitungen auf Prüfungen oder Aufnahmeprüfungen zu tun haben.
Dort gibt es Präsenzunterricht?
Fischnaller: Ja, die dürfen in der Volkshochschule abgehalten werden. So, wie wir es schon seit Mai machen: Wir halten alle Vorsichtsmaßnahmen ein und stellen etwa in Götzis Plexiglasscheiben zwischen den einzelnen Plätzen zur Verfügung, sodass die Infektionsgefahr so weit wie möglich minimiert wird. Zudem hat jeder, wenn es irgendwie möglich ist, einen eigenen Tisch, und es sind nicht zu viele Leute in einem Kursraum. Neu ist, dass die Leute jetzt auch während des Kurses Maske tragen.

Wie sind Sie seit März mit der Situation umgegangen?
Fischnaller: März, April und auch Mai waren katastrophal. Es sind Hunderte Kurse abgesagt bzw. verschoben worden, weil wir geglaubt haben, wir können im Mai starten. Dann musste noch einmal verschoben werden. Das heißt, wir haben jeden Kurs mehrfach bearbeiten müssen, ein Riesenaufwand. Als es im Sommer dann wieder lockerer war, haben wir sehr guten Zulauf zu den Schulvorbereitungskursen im ganzen Land gehabt. Das hat gut funktioniert. Das Herbstsemester hat dann auch wieder sehr positiv begonnen. Weil ganz viele Menschen die Volkshochschulen als sozialen Ort nützen wollen, um in Kontakt mit anderen Menschen zu treten.
Die Volkshochschulen sind also nicht nur Bildungsstätten?
Fischnaller: Nein, mich haben viele Leute angerufen und gesagt, bitte machen Sie nicht alles wieder zu, wir möchten zusammenkommen und gemeinsam lernen. Wir bieten als Volkshochschulen natürlich auch den einen oder anderen Kurs online an, aber das ist nicht das, was wir wollen. Das geht vielleicht bei einem Versicherungskaufleute-Vorbereitungskurs oder einem Vortrag. Aber auch dort ist der Normalfall, dass die Leute diskutieren, in den Austausch gehen und gemeinsam lernen.
Online geht das nicht?
Fischnaller: Nein, diesen Austausch kann Zoom oder Teams oder was auch immer einfach nicht leisten, und das wollen wir auch nicht. Wir wollen den Menschen vor Ort Weiterbildung anbieten. Wir wollen, dass die Leute zusammenkommen, und das ist durch einen Lockdown wie im Frühjahr und auch jetzt nicht zu gewährleisten. Insofern ist das natürlich schon eine schlimme Zeit. Wir machen das Beste daraus, um so viel wie möglich weiterzuführen, aber es kann das Zusammenkommen nicht ersetzen.
Zur Person
Stefan Fischnaller
Geboren 1969 in Bozen, Studium der Pädagogik und Geschichte in Innsbruck. Seit 25 Jahren in der Erwachsenenbildung tätig. Geschäftsführer der VHS Götzis, Obmann der Arge Vorarlberger Erwachsenenbildung und der Vorarlberger Volkshochschulen, stv. Finanzreferent des Bundesverbandes der Volkshochschulen.
Ist die Anzahl der Kursteilnehmer eigentlich zurückgegangen?
Fischnaller: Wir haben jetzt im Herbst eigentlich unwesentlich weniger Anmeldungen als im vergangenen Herbst gehabt. Das bestätigt das, was ich vorher gesagt habe. Wenn es irgendwie geht, und wenn die Leute überzeugt sind, dass sie sich sicher fühlen können, und das haben wir ihnen vermittelt, dann kommen sie wieder. Hier in Götzis sind konkret bei etwa 4000 Anmeldungen vielleicht 200 bis 300 Leute weniger, aber das ist innerhalb der üblichen Schwankungsbreite. Wir haben es nicht wesentlich gemerkt, und jetzt wird es aber so sein, dass uns wieder ein großer Teil der Teilnehmer wegfällt. Das tut natürlich weh.
Wie schaut demzufolge die finanzielle Situation der Volkshochschulen aus?
Fischnaller: Wir hatten im Frühjahr Kurzarbeit und haben im Sommer auch teilweise Non-Profit-Fonds nutzen können. Das heißt, finanziell werden wir vermutlich mit einem blauen Auge davonkommen. Aber darum geht es uns in erster Linie gar nicht. Wenn wir nicht das tun können, was wir wollen, nämlich die Menschen mit Weiterbildung bedienen, ist es, auch wenn es finanziell nicht desaströs ausschaut, trotzdem ein verlorenes Jahr. Mein Auftrag ist ja nicht zu schauen, dass ich einigermaßen mit irgendwelchen Fonds finanziell über die Runden komme, sondern den Menschen Spaß durch Bildung anzubieten.

Wie könnte es weitergehen?
Fischnaller: Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch. Daher gehe ich davon aus, dass der Lockdown im November wirken wird und dass wir dann einiges von dem, was wir jetzt absagen müssen, im Dezember, Jänner nachholen können und hoffentlich nächstes Jahr mit Sicherheit wieder ins neue Semester starten. Wir sind an allen Standorten voll an der Planung des nächsten Frühjahrs. Teilweise haben wir die Kursanfänge in den März verlegt, damit wir noch einen Puffer haben für Kurse, die jetzt verschoben oder abgesagt werden müssen. Wir hoffen, dass dann die Leute wieder wirklich große Lust haben, unsere Kurse zu besuchen und dass wir wieder voll durchstarten können.
Wird die Planung an die Situation angepasst?
Fischnaller: Inhaltlich bieten wir die Dinge an, die schon lange erfolgreich sind, aber natürlich auch Neues. Wir überlegen aber, Seminare anzubieten, die wir auch online übertragen. Das haben wir schon im Herbst gemacht. Teilnehmer sind dabei teilweise in der Volkshochschule und teilweise zu Hause. Die Diskussion über Zoom ist relativ gut moderierbar, aber wir wollen nicht alles auf online umstellen. Das ist nicht unser Ziel, und so planen wir auch nicht für die Zukunft. Wir sind für eventuelle Fälle schon vorbereitet, in dem Sinn, dass wir kurzfristig den einen oder anderen Kurs auf online umstellen können. Aber das sind vielleicht 20 Prozent.
Gab es in den Volkshochschulen Infektionen?
Fischnaller: Zum Glück nicht. Es hat zwar der eine oder andere Teilnehmer, der in Kursen war, angerufen und gesagt, ich bleibe lieber zu Hause, weil man in meinem Umfeld was gehört hat. Aber direkt in der Volkshochschule hatten wir weder bei Mitarbeitern noch bei Teilnehmern Infektionsfälle. Das ist vielleicht Glück, aber vielleicht auch unserer Vorsicht geschuldet.