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Ein äußerst schmerzliches Geständnis

13.12.2020 • 20:00 Uhr
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Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Es ist passiert. Ich traue mich kaum, es nieder zu schreiben, denn ist es erst zu Papier gebracht, wird es unweigerlich zur Realität. Aber es hilft nichts, ich muss mich der Wahrheit stellen. Hallo, mein Name ist Heidi Salmhofer, und ich schaue nun schon seit ein paar Wochen seichte Liebesfilme. Himmel, jetzt ist es draußen.
Es ist mir schleierhaft, wie mir das passieren konnte. Seit Studienzeiten habe ich ein Faible für Film und Serien. Ein feiner Abend im Programmkino und eine anschließende Diskussion über Aufbau, Protagonisten und szenische Umsetzung und ich bin glücklich. Aber auch an Action, Thriller und sogar Splatter finde ich Gefallen, solange der Inhalt spannend und die Storyline nicht zu fade ist. Wenn das Ganze auch noch mit gutem Humor gewürzt ist, bin ich und eine Schüssel Popcorn sofort dabei. Aber niemals, nicht in ganz vielen mir erdachten Kopfkinos, wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich mir jemals sich anschmachtende Pärchen in einer gefühlten Dauerschleife von Trennung, Begegnung, Streit, Versöhnung und Happy End zu Gemüte führe.
Diese Pandemie bringt grauenhafte Dinge in mir zum Vorschein. Da sitze ich, gucke eine Liebesromanzen-Schnulz-Serie und schimpfe allen Ernstes in den Bildschirm hinein, weil sich Frau nach einer romantischen Nacht schon wieder nicht entscheiden kann. Derweilen schaut der Kerl im Holzfäller-Outfit mit seinem Dackelblick doch eh so nett aus. Außerdem hat er ihr gerade eine Blockhütte gebaut, mit Kamin­ofen! Verdammt. Zugreifen! Aber klar, die Serie hätte nur drei Folgen, wenn es dieses mühsame Hin und Her nicht gäbe. „Lass‘ uns Freunde bleiben!“, flötet sie mit großen Augen ihrem Liebhaber entgegen, der schüttet daraufhin sein Herz bei seinem (ebenso sehr gut gebauten) Barkeeper-Freund aus: „Ich will ohne sie nicht mehr leben!“ Der erwidert ganz therapeutisch: „Du musst lernen, loszulassen.“
Und Heidi brüllt schon wieder richtung Fernseher: „Geht’s dir noch! Sie lieben sich. Halte doch bitte einfach deinen unprofessionellen Mund und geh dein Bier zapfen!“ Ich befürchte, diese letzten Monate der Berührungsreduktion hat in mir drin etwas Furchtbares ausgelöst. Ich kompensiere den Verlust von sozialem Kontakt mit Liebesfilmen. Einen Namen für dieses psychische Krankheitsbild habe ich auch schon gefunden: das „Rosamunde-Pilcher-Syndrom“. Ich überlege, ob ich mich in therapeutische Behandlung begeben sollte. Zuerst muss ich aber wissen, ob Jack und Melinda endlich zusammenfinden und dieses Biest Charmaine die Stadt verlässt.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.