Verständnisvoller Hund und Tränen in Augen

Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Mein kleines, vibrierend zitterndes Hundsi mag es gar nicht, das Gewummere, Gekrache und Gezische zu Silvester. Ich kann dem kleinen, schwarzen Fellhäuflein noch so viel demonstrative Entspannung mittels Gähnen, Strecken und „Alles-ist-gut“-Gesäusel senden. Zu Silvester bin ich als Alphaweibchen für den Hund nicht glaubwürdig. Draußen geht die Welt unter, und die Rudelführerin buddelt kein Loch in den Boden, in das man sich verkriechen kann. Eine Frechheit!
Zum Leidwesen des Minihundes ist das Krachen und Böllern nicht auf die Mitternachtszeit beschränkt, sondern beginnt justament einen Tag nach Weihnachten mit vereinzelten Knallereien, die selbst bei mir den Drang wecken, beim Spaziergang in umliegenden Büschen Deckung zu suchen. So verbringt unser kleiner Hund Silvester meist auf unserem Schoß und im Badezimmer, in der zum Hundenest ausgebauten Wanne.
Heuer war es anders. Das neue Jahr hat man rund um uns herum schon gegen Mittag angefangen, zu begrüßen. Unser kleiner Mitbewohner ist seelenruhig in seinem Körbchen gelegen und hat den Nachmittag verschlafen. Familie Salmhofer hat beschlossen, es ihm gleichzutun und das Jahr 2021 ganz gemütlich zu empfangen. Abends haben wir tatsächlich vier Stunden Scotland Yard gespielt, während draußen immer mehr bunter Glitter am Himmel erschien. Der Hund hatte es sich entspannt auf dem Schoß eines meiner Mädels gemütlich gemacht und schlief!
Nachdem immer mehr Rosa, Pink und Grün von draußen hereinleuchtete, hielt es Tochter zwei nicht mehr auf ihrem Stuhl aus. Also legten wir Hundsi in sein Badewannenbett und gingen hinaus in die erhellte Nacht. Meine jüngere Tochter versank im Feuerwerksregen und kuschelte sich an mich. „Mama, ich habe ein bisschen Tränen in den Augen!“ Die Ältere schrieb Neujahrswünsche an Freudinnen und Familie und meinte, dass dieses Jahr ein sch* Jahr war.
„Der Terror in Wien, die Brände in Australien, die Kinder in den Flüchtlingslagern, ich bin froh, dass dieses Jahr vorbei ist!“ Kein Wort von den Schwierigkeiten in der Schule, vom Abstandhalten zu Freundinnen. Jetzt hatte ich Tränen in den Augen. Über uns ergossen sich die Farben in den Nachthimmel. Hundsi schlief im Badezimmer. Als wir zurückkamen, begrüßte er uns erfreut. Vielleicht hat er gespürt, dass wir heuer ein wenig mehr an bombastischer Verabschiedung gebraucht haben. Er bekam eine extra Portion Leckerli.
Ein gutes, sorgenfreies neues Jahr wünschen die Salmhofers und begrüßen mit großer Freude das Jahr 2021.
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.