Allgemein

Solidarisch in Corona-Zeiten

10.01.2021 • 12:00 Uhr

2020 war für den Verein „Dach überm Kopf“ ein herausforderndes Jahr.


Fast täglich telefoniert Pfarrer Varghese „Georg“ Thaniyath, der viele Jahre als Priester in Hohenems tätig war und nun den Pfarrverband Göfis/Satteins leitet, mit einem seiner Brüder in Indien. Der Geistliche macht sich naturgemäß große Sorgen um die zehn Geschwister und ihre Familien, denn sein Herkunftsland ist von den Auswirkungen des Coronavirus stark betroffenen.
Kopfzerbrechen bereitet dem 61-Jährigen auch die Tatsache, dass es durch die Krise in seiner Heimat Kerala noch mehr Arbeitslose und Obdachlose gibt. „Die Pandemie trifft die Ärmsten am härtesten. Meine Brüder berichten mir bei jedem Telefonat von Notleidenden, die sie um Essen oder Kleidung bitten“, erzählt Pfarrer Georg.

Wie in vielen anderen Ländern wird auch in Indien vielfach auf Distancelearning statt Präsenz-Unterricht gesetzt. Für Kinder aus armen Verhältnissen ist das kaum zu bewerkstelligen: Viele Familien haben weder Computer noch Laptop.
„Wer das Geld zusammengebracht hat, konnte sich ein altes Handy kaufen, damit die Kinder dem Online-Unterricht folgen können. Doch einige haben nicht einmal einen Stromanschluss. Diese Kinder bleiben auf der Strecke“, beschreibt Pfarrer Georg die Situation in seiner Heimat. Die Kinderheime, die durch den Verein „Dach überm Kopf“ unterstützt werden, sind derzeit fast leer, denn auf Anordnung der Regierung mussten die Kinder zurück zu ihren Familien. Der Grund ist der Versuch einer Reduktion der Ansteckungsgefahr.
Trotz dieser Schwierigkeiten gehe die Bevölkerung von Kerala sehr optimistisch mit der Situation um. „Die Menschen in meinem Heimatland sind die Bewältigung von Krisen gewöhnt. Die Gegend ist immer wieder von Naturkatastrophen, wie Tsunamis, Monsunregen, Hochwasser und Wirbelstürmen, betroffen. Sie geben die Hoffnung nicht auf, dass bald alles wieder besser wird“, erklärt er.

Pfarrer Varghese „Georg“ Thaniyath.
Pfarrer Varghese „Georg“ Thaniyath.

Neues Nähzentrum

Anfang des vergangenen Jahres war Pfarrer Georg Thaniyath das letzte Mal zu Besuch bei seiner Familie. Vor Ort konnte er sich selbst ein Bild davon machen, welche Fortschritte die Projekte von „Dach überm Kopf“ machen.
Ein Höhepunkt seiner Reise war der erstmalige Besuch des neuen Nähzentrums in Chappara, der ärmsten Gemeinde in der Diözese. Mittlerweile arbeiten hier 50 Frauen, die vormals ihren Lebensunterhalt mit der illegalen Herstellung von Feuerwerkskörpern verdient haben. „Es waren sehr schöne, herzliche Begegnungen. Die Frauen sind sehr dankbar, dass sie jetzt einen sicheren Arbeitsplatz haben und keine gefährlichen Arbeiten mehr verrichten müssen“, schildert Pfarrer Georg. Das Projekt ist inzwischen so erfolgreich, dass eine Ausweitung angedacht ist: Künftig soll hier im Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet werden, um noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Zunächst sind allerdings noch einige Investitionen erforderlich. Lagerräume müssen umgebaut und eine Stickmaschine soll angekauft werden. Dadurch könnte man in Zukunft auch liturgische Gewänder, Hochzeitskleider oder Haushaltstextilien herstellen.

Hausbau für Obdachlose

Der Verein „Dach überm Kopf“ wurde ursprünglich gegründet, um Obdachlosen in Indien ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen. Insgesamt konnten bereits rund 1730 Häuser erbaut werden. Im Jahr 2020 wurden 30 Häuser für Obdachlose errichtet. Diese wurden mit Spenden aus dem Vorjahr finanziert und können demnächst bezogen werden. „Leider kann ich die Häuser dieses Mal nicht selbst einweihen. Die Begegnungen mit den Begünstigten haben mir immer viel Kraft für meine Arbeit als Seelsorger gegeben“, bedauert der 61-Jährige, der sich seit über 30 Jahren für die Ärmsten in Kerala engagiert.

Wie viele andere wohltätige Organisationen ist auch „Dach überm Kopf“ durch die Corona-Krise von einem Spendenrückgang betroffen. Der Verein konnte weder Infoveranstaltungen noch Benefiz-Veranstaltungen durchführen. „Was den Bau von neuen Häusern betrifft, können wir den Bittstellern derzeit keine Zusagen machen“, sagt Pfarrer Georg.

Großes Herz

Vor Kurzem wurden die Spender und Spenderinnen mittels Briefen über die neusten Entwicklungen der Projekte informiert. Als Antwort darauf gingen dann auch Spenden auf dem Konto von „Dach über Kopf“ ein. „Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger haben wieder einmal bewiesen, dass sie ein großes Herz haben und in der eigenen Not das Leid anderer nicht vergessen“, zeigt sich der Göfner Pfarrer dankbar. Für das neue Jahr wünscht er sich, dass er noch möglichst vielen Bedürftigen in seiner alten Heimat ein besseres Leben ermöglichen kann. Und natürlich freut sich Pfarrer Georg darauf, seine Familie bald wieder in den Arm schließen zu können.

Gertraud Höfle-Peter