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Sind wir noch Protestanten?

31.10.2022 • 17:49 Uhr
Frauen schneiden vor laufenden Handykameras ihre Haare ab und verbrennen Kopftücher. Protest für gleiche Rechte.
Frauen schneiden vor laufenden Handykameras ihre Haare ab und verbrennen Kopftücher. Protest für gleiche Rechte. APA/AFP/MATHIEW LEISER

Reformationstag: Wolfgang Rehner denkt nach, was es heißt, Protestant zu sein.

“Eine echte Protestantin.“ Margarete Hoffer, Evangelische Theologin, Gegnerin des Nationalsozialismus, Religionslehrerin in Graz, wurde mit dem Verdienstzeichen des Landes Steiermark geehrt. Während der Feierlichkeiten fiel sie dem Landeshauptmann ins Wort und widersprach. Worauf Josef Krainer der Ältere trocken bemerkte: „Eine echte Protestantin.“ Wenn wir heute, am Reformationstag, in einem Festakt das 75-jährige Bestehen der Superintendenz Steiermark feiern, ist festzustellen: Die Evangelischen in der Steiermark sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sind wir noch Protestanten?

Die aufsehenerregenden Proteste geschehen anderswo: Frauen schneiden vor laufenden Handykameras ihre Haare ab und verbrennen Kopftücher. Protest für gleiche Rechte. Junge Menschen beschütten Kunstwerke und kleben sich fest in Museen, auf Straßen, in Auto-Schauräumen. Protest für Klimagerechtigkeit.

In den letzten Jahren sind immer wieder Frauen aus dem Iran Mitglied bei uns geworden. Wo schlägt ihr Herz? Bei den Protesten in den Städten ihrer Herkunft oder in den protestantischen Gemeinden ihrer Ankunft?

Wie würden wir reagieren, wenn junge Menschen sich heute an die Bänke mit der Aufschrift „Freiheit und Verantwortung“ vor der Heilandskirche klebten, als Mahnung, dass wir ins Verderben laufen, wenn wir weiter machen wie bisher?

Das Thema der Dissertation von Margarete Hoffer war „Metanoia“. Übersetzt bedeutet das „Umkehr“ oder auch „Buße“. Die erste der 95 Thesen Luthers, am 31. Oktober veröffentlicht, beginnt mit dem gleichen Thema: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus sagt: »tut Buße« usw. (Matthäus 4, 17), wollte er, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei.“

Umkehr steht an der Wiege des Protestantismus: In Jesus Christus hat Gott nicht nur gegen die Sackgassen menschlicher Irrwege protestiert, sondern auch den Ausweg eröffnet. Als Protestant sehe ich meine Aufgabe darin, diese Spur aufzuzeigen und ihr zu folgen.

Wolfgang Rehner ist Superintendent der Evangelischen Kirche in der Steiermark.

Wolfgang Rehner
Wolfgang RehnerKleine Zeitung