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Lebensadern des Cinema Dornbirn

11.12.2022 • 15:15 Uhr
Norbert Fink hofft auf das Überleben des Dornbirner Kinos.<br><span class="copyright">Hartinger</span>
Norbert Fink hofft auf das Überleben des Dornbirner Kinos.
Hartinger

Mit Filmkulturclub beschert Norbert Fink regelmäßig Zuschauer.

Im Anfang war das Popcorn. Das Marinko Debeljak am Ende wieder zwischen den Kinosesseln heraus in den Müllkübel klaubt. Debeljak ist eine „One-Man-Show“, wie er seine Funktion im Cinema Dornbirn selbst bezeichnet. Michael Wieser ist zwar der Mieter des Gebäudes und der Kinobetreiber – er programmiert die Filme. Aber Debeljak legt die Filme ein. Er macht das Popcorn. Und vor allem ist er zuverlässig da. Dabei geht es so wenig um ihn als Person, dass er verblüfft ist, gefragt zu werden. „Mein Lieblingsfilm? Dramen. Forrest Gump vielleicht.“
Debeljak verkauft auch die Karten. An diesem Tag verkauft er wenige. Zwei, um genau zu sein. Norbert Fink, Obmann des Filmkulturclubs, der auch im Cinema Dornbirn zu Hause ist, steht neben ihm. „Wir haben auch schon mal im Sommer bei Badewetter zu zweit dagesessen“, bemerkt er. Das Cinema Dornbirn kann froh sein, dass es den Filmkulturclub gibt, sagt Fink, dann kommen wenigstens ein paar Leute. Wie lange das noch der Fall sein wird, steht allerdings noch nicht fest.

Zukunft ungewiss

Seit 22 Jahren ist Debeljak vor und hinter der Kasse zu finden. Was, wenn er weg wäre? Auf der anderen Seite ist völlig offen, wie es mit dem Kino an sich weitergeht. Der Mietvertrag läuft nur bis Ende März 2023. Danach hoffen die Betreiber des Kinos auf einen neuen Mietvertrag und darauf, dann weniger zahlen zu müssen – wegen der seit Corona noch schwierigeren Lage mit geschätzt 40 Prozent weniger Besuchern. Die Vermieter wollen naturgemäß eher mehr Miete. Aber selbst wenn der Vertrag verlängert wird: 2025 ist an Ort und Stelle in jedem Fall Schluss. Da soll das Gebäude samt Kinosälen abgerissen und neu gebaut werden.

Ob dann wieder ein Kino vorgesehen ist, ist indes mehr als fraglich. Daher gab es in dem kleinen Saal des Dornbirner Kulturhauses vor einiger Zeit einen Probedurchlauf mit Kinosimulation. Es müsste ein Projektor eingebaut werden und es wären Investitionen der Stadt erforderlich, noch bevor man feststellen könnte, ob das Publikum diese Lösung annimmt. Von der Bestuhlung und dem Raum her wäre es machbar. Das hat der Probedurchlauf ergeben, wie Fink sagt. „Technisch gesehen geht es.“ Bleibt die Frage, ob es auch gewollt ist.

Einschnitt Corona

Seit Corona kommen deutlich weniger Besucher ins Cinema Dornbirn. Das ist rational nicht begründbar: In den Kinosälen ist so viel Platz, dass man viel Abstand halten kann. Es ist möglicherweise eher eine Frage der Gewohnheiten. Wer sich angewöhnt hat, zu Hause Filme zu streamen, wird auch ins Kino gehen, aber seltener. Wer mehr Geld für Lebensmittel und Strom ausgeben muss, wird dort sparen, wo es am wenigsten wehtut: am Kinobesuch. Bis zu einem vielleicht düsteren Ende pulsieren aber noch die Lebensadern im Cinema Dornbirn. Fink ist seit 42 Jahren Obmann des Filmkulturclubs, dass es ihn noch geben wird, wenn der 68-Jährige aufhört, ist kaum anzunehmen. „Wir alle sind mit dem Filmkulturclub zusammen in die Jahre gekommen“, sagt Fink augenzwinkernd.

Ein Alt-Herren-Verein, der nach wie vor goutiert, was ihm geboten wird: Adrian Goiginger wird Anfang des neuen Jahres mit seinem neuen Film „Der Fuchs“ durch die Lande tingeln und auch in Dornbirn Halt machen. Reinhold Messmer wird seinen Bergsteiger-Film „Sturm am Manaslu“ präsentieren. Dazu wird eine Diskussion stattfinden. Außerdem wird es eine Tarkowski-Retrospektive geben. Denn die Stadt Dornbirn hat zu den Klassik-Abokonzerten mehrfach das Duo Gazzara eingeladen. Der Sohn von Tarkowski ist mit einer Musikerin des Duos verheiratet, und so wird es Musik aus Tarkowskis Filmen spielen, untermalt von Filmausschnitten. Im Flatz-Museum wird passend dazu eine Ausstellung über Tarkowski eröffnet, und im Kino werden seine drei bekanntesten Filme gezeigt: Stalker, Solaris und Nostalghia. Auch Tardowski selbst wird anwesend sein. „Die Stadt braucht uns für die Filme. Was wären ein Tardowski-Filmmusikkonzert und eine Ausstellung ohne seine Filme?“, fragt die Vorankündigung.

Wichtige Stimme. Parallel sollen wieder wie früher üblich im 14-Tage-Rhythmus spezielle Filme am Mittwoch um 18 Uhr und am Donnerstagabend um 19 Uhr 30 gezeigt werden. Heuer werden es am Ende 37 Filme gewesen sein.
Nach wie vor fahren Fink und andere aus dem Klub zudem zu Filmfestivals: nach Linz, zur Diagonale Graz, nach Innsbruck und Saarbrücken. „Drei Filme schaffe ich noch am Tag, früher waren es vier oder fünf. Aber man muss das ja auch noch alles verarbeiten“, bemerkt Fink. Er glaubt nicht, dass das Kino als Institution sich schon überlebt hat. „Wir zeigen Filme wie ,Hinterland‘ von Stefan Ruzowitzky oder ,Madres Paralelas’ von Pedro Almodovar, die bekommt man auf Netflix gar nicht.“ Zugleich sind das zwei Lieblingsfilme des Obmanns. Gutes Kino hat sehr wohl noch immer viel zu sagen, und zu sagen gibt es immer noch viel, findet er.

Dann erinnert er sich zurück an die goldenen Zeiten. „Maskenbälle haben wir veranstaltet, und wir haben unser eigenes Filmmusik-Potpourri hergestellt und dann dazu in römischen Togas eine einstudierte Choreografie aufgeführt.“ Außerdem gab es Stummfilme mit Musik dazu. Und immer wieder Regisseure, die den Weg nach Dornbirn gefunden haben, was auch in der Erinnerung noch Stolz weckt. Teilweise kam gleich eine ganze Truppe samt Schauspielerinnen. „Da war es manchmal richtig peinlich, wie schlecht besucht die Vorführungen dann waren“, blickt Fink zurück.

Die Großen

Im Schnitt, erzählt er, kommen 30 Leute pro Vorführung. Eine bestimmte, Anfang nächsten Jahres, ist bereits ausverkauft. Gezeigt wird „Für die vielen“, ein Dokumentarfilm über die Arbeiterkammer Wien. Die hiesige Arbeiterkammer hat das Kartenkontingent aufgekauft. So etwas ist im Cinema Dornbirn allerdings die Ausnahme.

Gefragt nach großen Filmemachern, nennt Fink ohne Zögern die beiden Regisseure Luis Buñuel und Federico Fellini. „Beide sind ja leider schon seit Längerem gestorben. Aber zum Beispiel ,Roma‘ von Fellini ist nach wie vor grandios. In dem Episodenfilm besteht eine Szene aus einer klerikalen Modeschau. So etwas würde sich heute kein Regisseur mehr trauen“, bedauert Fink und bezeichnet „Roma“ als „revolutionärsten“ Film. „Heute kommt die strengste Zensur für die Filmregisseure, wie ich das wahrnehme, nicht von außen. Vielmehr sitzt sie bei den Regisseuren selbst im Kopf. Heute gibt es teils große Sponsoren, da will man nur ja nicht anecken. Das ist schade, und heraus kommt am Ende manchmal halbherziges Zeug.“

Inzwischen sitzt Fink in einem der 240 Kinosessel von Kino 1 in samtiggrüner Halbschwärze. Fürs Foto soll er sich einen schattenwerfenden Filmstreifen übers Gesicht halten. Solche Filmstreifen muss man inzwischen suchen im Kino, sie werden mehr aus Nostalgie aufbewahrt. Die Technik ist heute eine ganz andere als vor 42 Jahren, als der Filmkulturclub gegründet wurde. Aber der 68-jährige Fink ist mit der Zeit gegangen, eine Abspielmöglichkeit für alte Bänder hat er zu Hause gar nicht mehr. Keine Frage: Das Kino hält ihn jung. Doch er allein wird das Dornbirner Kino nicht jung genug halten können.