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Zwischen „Kinderabnahme“- und Servicestelle

25.01.2023 • 18:50 Uhr
Rund 10.000 Kinder und Jugendliche sind jährlich von der Arbeit der KJH betroffen. (Symbolbild) <span class="copyright">Shutterstock</span>
Rund 10.000 Kinder und Jugendliche sind jährlich von der Arbeit der KJH betroffen. (Symbolbild) Shutterstock

Die Zufriedenheit mit der Kinder- und Jugendhilfe ist groß, jedoch gibt es auch “Spannungsfelder”.


Vor zehn Jahren wurde in Vorarlberg ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz eingeführt. Pünktlich zum Geburtstag liegt nun eine Evaluierung vor, die die zuständige Landesrätin Katharina Wiesflecker 2020 in Auftrag gegeben hat. Gestern wurden die Ergebnisse vom Studienautor Olaf Kapella vom Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien gemeinsam mit Wiesflecker präsentiert.

Ergebnis größtenteils sehr positiv

Vorneweg: „Das Ergebnis ist im Großen und Ganzen sehr positiv“, so die Landesrätin, die einige Zahlen zur Kinder- und Jugendhilfe (KJH) im Land lieferte. So wurden laut Leistungsbericht 2021 (der von 2022 liegt noch nicht vor) rund 6000 Verfahren in Unterhaltsangelegenheiten geführt. In 2700 Fällen wurde bei der Erziehung unterstützt – von ambulant bis stationär. „Etwa 10.000 Kinder und Jugendliche profitieren im Jahr von der Kinder- und Jugendhilfe“, schätzt Wiesflecker. Das sind rund zwölf Prozent dieser Altersgruppe in Vorarlberg.

Katharina Wiesflecker und Studienautor Olaf Kapella.<span class="copyright"> Bernd Hofmeister</span>
Katharina Wiesflecker und Studienautor Olaf Kapella. Bernd Hofmeister

Befragung von Fachkräften

Auf die Ergebnisse im Detail ging Studienautor Olaf Kapella ein. Gearbeitet wurde mit Vorarlberg-Daten aus einer Bundesevaluierung sowie der Befragung von Fachkräften der öffentlichen KJH bei den vier Bezirkshauptmannschaften, Fachkräften der privaten KJH (Vorarlberger Kinderdorf, Stiftung Jupident, Ifs, SOS-Kinderdorf und andere) sowie andere Fachkräften aus den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung (Lehrpersonal, Kindergärtnerinnen, Ärzte und Ärztinnen und andere). 416 haben geantwortet. Dazu kommen 108 Eltern, die ebenfalls befragt wurden.

Image

Um das Image abzufragen, konnten die Eltern auf einer zehnteiligen Skala zwischen „Servicestelle“ und „Kinderabnahmestelle“ wählen. Die überwiegende Mehrheit sieht die KJH an der BH als Servicestelle, fast jeder zehnte Elternteil erlebt sie aber als Kinderabnahmestelle. Hohe Zufriedenheit herrscht bei den Eltern in Hinblick auf Kooperation, Hilfeplanung und Angebote der KJH der BH. So sind diesbezüglich zwischen 70 und 80 Prozent eher bis sehr zufrieden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Fachkräften ab. Wobei hier ein knappes Drittel der anderen Fachkräfte die Kooperation mit der öffentlichen KJH kritisch sieht.

Trennung

Trotz guter Ergebnisse in Hinblick auf die Zusammenarbeit gebe es auch „Spannungsfelder“, sagte Studienautor Kapella: „Der Schuh drückt, auch wenn die Zufriedenheit sehr groß ist.“ Anders als in anderen Bundesländern gibt es in Vorarlberg die Trennung zwischen öffentlicher und privater KJH. Die öffentliche ist zuständig für die „Fallsteuerung“, Durchführung und Umsetzung übernehmen die Privaten.

„Der Schuh drückt, auch wenn die Zufriedenheit sehr groß ist.“

Olaf Kapella

Hier gebe es Verbesserungsbedarf in der Kooperation, so Kapella. Eine stärkere Einbeziehung der Fachkräfte der privaten KJH durch die KJH der BH bei der Hilfeplanung wäre hier einer der Vorschläge aus dem Evaluierungsbericht.

Mehr Angebot notwendig

Abgefragt wurden auch 24 Hilfs- und Unterstützungsangebote. Während die Befragten sich mit der Qualität sehr zufrieden zeigten, gab es Kritik an der Quantität – etwa für bestimmte Gruppen. So waren unter anderem nur knapp 44 Prozent überzeugt, dass das Angebot für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge reiche. Auch bei Hilfen für junge Erwachsene gibt es laut Bericht Bedarf. „Wir brauchen mehr Angebot, und das ist durch die Covid-Situation noch einmal deutlicher geworden“, sagte Kapella dazu.

Änderungsbedarf im Pflegekindwesen

Ausgebaut gehöre auch die Prävention. Zudem wünschten sich Fachkräfte, das bei der Gefährdungsabklärung psychische Gewalt stärker berücksichtigt werden müsse, waren weitere Ergebnisse der Untersuchung. Änderungsbedarf wird auch im Pflegekindwesen gesehen. Ein Thema, dessen man sich bewusst war, wie Landesrätin Wiesflecker informierte. Hier werde bereits im Februar ein Reformprozess gestartet.

Katharina Wiesflecker und Studienautor Olaf Kapella mit dem Bericht. <span class="copyright">Bernd Hofmeister</span>
Katharina Wiesflecker und Studienautor Olaf Kapella mit dem Bericht. Bernd Hofmeister

Personelle und finanzielle Ressourcen

Auch die Forderung nach einem Ausbau der personellen und finanziellen Ressourcen war eines der Ergebnisse – „eines von vielen“, wie Kapella sagte. Und nicht überraschend, wie Wiesflecker meinte. Allerdings habe man derzeit wie in vielen Bereichen eher das Problem, Stellen gut nachbesetzen zu können. 97 Menschen arbeiten aktuell in der öffentlichen KJH, 521 sind es in der privaten.

Kinder- und Jugendhilferat

Was den Evaluierungsbericht betrifft, werde dieser im März dem Kinder- und Jugendhilferat vorgelegt, der Empfehlungen und Priorisierungen für das Land erstellen solle, schilderte Wiesflecker das weitere Vorgehen. Einige der angesprochenen Verbesserungspotenziale seien aber schon in Arbeit, so die Landesrätin. So würden unter anderem demnächst zwei neue Einrichtungen mit jeweils 20 Plätzen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge entstehen. Auch sei der KJH-Lehrgang modifiziert worden. Fortbildung würde für private und öffentliche Fachkräfte gemeinsam erfolgen.