Talentierte Lehrlinge vor den Vorhang

Bei einem Projekt der Landesberufsschule 2 in Dornbirn wurden talentierte Lehrlinge gesucht, vorgestellt und ausgezeichnet.
Bruno Bereuter, Direktor der Landesberufsschule 2 in Dornbirn, ist überzeugt: „Vorarlberg kann es sich nicht leisten, Talente und Kompetenzen zu verschenken. Das passiert aber, wenn Talente nicht erkannt und gefördert werden.“ Deshalb wurde an der Landesberufsschule das Projekt „Latente Talente“ ins Leben gerufen und durchgeführt. Genauer gesagt waren es die Klassen B2a und B2b, die das gesamte Projekt, bei dem Talente vor den Vorhang geholt wurden, umgesetzt haben.
„Vorarlberg kann es sich nicht leisten, Talente und Kompetenzen zu verschenken. Das passiert aber, wenn Talente nicht erkannt und gefördert werden.“
Bruno Bereuter
Sie suchten die talentierten Lehrlinge in der gesamten Schule und fanden schließlich 23. Diese 23 jungen Menschen wurden im Rahmen des Projektes vorgestellt und ausgezeichnet.
Die Palette der Begabungen reichte von Kunst, Literatur über Musik und bildnerisches Gestalten bis hin zu Sport. So waren etwa ein Freerider und ein Motocrosser unter den Talenten genauso wie eine Zeichnerin, eine Autorin oder eine junge Frau, die Körperteile herstellt und bemalt. Die besondere Fähigkeit hat meist nichts mit dem Lehrberuf zu tun und wird im Unterricht auch nicht gesehen.
Viel Arbeit
Im Oktober starteten die Klassen mit der Projektarbeit. Die Schülerinnen und Schüler mussten überlegen, wie sie die Talente an der Schule finden und ansprechen, sie erstellten Teilnehmerformulare, bewarben ihre Aktion in den sozialen Medien und organisierten die Abschlussveranstaltung, die Anfang Februar im Kulturhaus in Dornbirn stattgefunden hat.
Bei der Veranstaltung wurden die talentierten Lehrlinge anhand von Videos vorgestellt – diese waren von einem professionellen Videofilmer gedreht worden –, sie bekamen ihre Förderbeiträge überreicht und zum Abschluss sangen alle gemeinsam ein eigenes Talente-Lied, das Lehrer Manuel Zelzer komponiert hatte. Die Preise waren – neben einem Geldbetrag – für jedes Talent angepasst; so erhielt eine junge Zeichnerin zum Beispiel einen Gutschein für einen Künstler-Workshop oder eine Gestalterin die Möglichkeit, ein Filmstudio zu besuchen.

Abschlussbesprechung
Am vergangenen Freitag war die Abschlussbesprechung des Projektes in der Schule. „Euer Projekt wurde sogar im Landhaus behandelt. Die Wirtschaftskammer und einzelne Landtagsabgeordnete haben sich auch dafür interessiert“, sagte der Direktor zu den Schülerinnen und Schülern. „Ihr habt super Arbeit geleistet und einen großen Stein ins Rollen gebracht. Euer Projekt lebt weiter.“ Denn die Talenteförderung an der Landesberufsschule werde weitergeführt, so Bereuter.
Der Direktor selbst war Initiator, Projektleiter und für die Finanzen zuständig. Rund 10.000 Euro wurden für „Latente Talente“ aufgebracht. Abgedeckt wurden diese Kosten durch einen Teil einer Förderung, die die Arbeiterkammer an Berufsschulen ausbezahlt hatte.

Beweggründe
Zu den Beweggründen, dieses Projekt umzusetzen, erklärt Bereuter: „Wir merken, dass die Jugendlichen angeschlagen sind. In den vergangenen 15 Jahren gab es immer wieder Krisen, angefangen von der Finanzkrise 2008 über die Pandemie und den Ukraine-Krieg. Diese jungen Menschen müssen mit Krisen umgehen können.“ Ein Weg, wie das gelingen könne, seien Talente. Zudem seien Talente ein Teil der Persönlichkeit, und wenn mit diesen Begabungen gearbeitet werde, brauche es bestimmte Eigenschaften: Ausdauer, Konzentration, die Fähigkeit, Ziele zu setzen und zu erreichen oder, wenn es sich zum Beispiel um Sport handelt, den Willen und die Konsequenz, sich gesund zu ernähren. „Außerdem müssen diese Menschen auch mit Krisen umgehen können, wenn innerhalb ihres Talents etwas nicht so läuft wie geplant“, erklärt Bereuter. Er ist der Überzeugung, dass durch die Förderung von Talenten gleichzeitig die Persönlichkeit gestärkt wird.
Auf die Persönlichkeitsbildung wird an der Landesberufsschule generell großen Wert gelegt, so Bereuter. Wenn zur Persönlichkeit bei den Lehrlingen gute Kenntnisse über die Digitalisierung hinzukommen sowie die Leidenschaft für ihren Beruf, seien sie für das künftige Arbeitsleben gut gewappnet.
Stillstand
Noch etwas gibt der Pädagoge zu bedenken, und kehrt damit zum Thema Talente zurück: Im Alter zwischen 15 und 19 Jahren gebe es, was die Begabungen anlangt, oft einen Stillstand. „In der Mittelschule werden die jungen Menschen noch gefördert, aber dann passiert nichts mehr.“ Das könne dazu führen, dass die Lehrlinge mit ihrem Talent auf der Stelle treten. Eine Schülerin etwa zeichne sehr schöne Gesichter, aber immer ohne Haare. Auf die Frage, weshalb sie diese weglasse, sagte sie, dass sie sie schlicht nicht zeichnen könne. „Diese junge Frau schicken wir nun in einen Workshop, bei dem sie das lernt und helfen ihr dadurch über diese Schwelle. Das ist für sie auch Inspiration, weiterzumachen.“
Buch wird veröffentlicht
Mit 14 Jahren entdeckte die heute 23-jährige Zülal Tasdemir aus Bregenz, dass sie gut und gerne schreibt. Seither verfasst die angehende Bürokauffrau vor allem Fantasygeschichten, aber auch Jugendliteratur. Über die Plattform „Wattpad“ hat sie vieles von dem, was aus ihrer Feder floss, in Deutsch veröffentlicht. Als sie von „Latente Talente“ hörte, sagte sie sich: „Ich muss diese Chance ergreifen, sonst schaffe ich es nicht.“ Dank dieser Talenteförderung kann sie nun an einem Workshop teilnehmen und eines ihrer Fantasybücher wird veröffentlicht.

“Abschluss war cool”
Cansu Sahin, 20 Jahre alt und aus Bregenz, macht die Lehre zur Immobilienkauffrau und war in der Organisation von „Latente Talente“ beschäftigt. Und: Eineinhalb Tage vor der Abschlussveranstaltung im Kulturhaus erkrankte die geplante Moderatorin, sodass sie diese Aufgabe übernahm. „Bombastisch“ und „cool“ – mit diesen Worten beschreibt die 20-Jährige die Veranstaltung. Ihre Aufgaben in der Organisation umfassten die Auswahl und Beschaffung der Gastgeschenke zur Abschlussveranstaltung sowie das Erstellen der Eintritts- und Programmkarten.

Er darf ins Tonstudio
Der 22-jährige Nico Marinkovic aus Götzis absolviert eine Lehre zum Bürokaufmann. Seit rund fünf Jahren macht er „Digital Music Production“, das ist im Prinzip das, was auch ein DJ tut. Der junge Mann wurde bei „Latente Talente“ vor den Vorhang geholt. Einige seiner Mitschüler motivierten ihn, daran teilzunehmen. Als Preis winkt ihm nun, dass er Verbindung mit einem Tonstudio aufnehmen kann. Neben seiner Arbeit will er sein Talent weiterpflegen, sodass er vielleicht bald in einem Club auflegen kann.
