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“Das hier ist unsere Rettung”

24.02.2023 • 20:46 Uhr
Im Bregnezer Begegnungscafé wird unter anderem eifrig Deutsch gelernt.
Im Bregnezer Begegnungscafé wird unter anderem eifrig Deutsch gelernt.

Das Begegnungscafé für ukrainische Flüchtlinge in Bregenz ist ein Ort des Lernens, des Austauschs und des Miteinanders. Ein Besuch am Jahrestag des russischen Angriffkriegs


Am gestrigen Freitag jährte sich der Beginn des Ukraine-Kriegs zum ersten Mal. Ein Tag, der die Welt und das Leben von Millionen Menschen veränderte. Mehr als 2500 Ukrainer sind in Vorarlberg gelandet.

Die meisten können erst einmal nicht zurück, weil ihre Wohnungen zerstört wurden. So wie Zoya (70) und Mykola Dubovyk (73). Sie kommen aus der Stadt Charkiw, die vom russischen Militär schwer beschossen wurde. Gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter Iryna (52) besuchen sie regelmäßig das Begegnungscafé in Bregenz, um etwas Kraft zu tanken, Deutsch zu lernen und sich mit Landsleuten auszutauschen. Dieser Ort, sagt Zoya, „ist unsere Rettung“.

Mykola (73) und Zoya (70) Dubovyk mit Schwiegertochter Iryna (52) flüchteten aus Charkiw. <span class="copyright">hartinger</span>
Mykola (73) und Zoya (70) Dubovyk mit Schwiegertochter Iryna (52) flüchteten aus Charkiw. hartinger

Nachvollziehbar

Das Begegnungscafé im interkulturellen Lokal in der Bahnhofstraße 47 gibt es seit Mai 2022. Geleitet wird es von Alona Neuberger. Auch sie kommt aus der Ukraine, lebt allerdings schon seit mehr als zehn Jahren in Vorarlberg. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mit Flüchtlingen arbeitet. Früher unterrichtete Neuberger minderjährige Asylwerber aus Afghanistan. „Wie schwer es ist, sich in einem fremden Land ein neues Leben aufzubauen, kann ich aber erst so richtig nachvollziehen, seit es meine Landsleute betrifft“, gibt sie offen zu.

Alona Neuberger von der Caritas leitet das Begegnungscafé.<span class="copyright">hartinger</span>
Alona Neuberger von der Caritas leitet das Begegnungscafé.hartinger

Deutsch lernen, tanzen, malen

Aufgrund der Hilfe von Ehrenamtlichen ist der kleine Raum, in dem sich am Freitag zwischen 9 und 11 Uhr regelmäßig um die 20 Menschen tummeln, längst mehr als ein Ort des Austauschs bei Kaffee und Kuchen. Neben Deutsch-Nachhilfe werden verschiedene Ausflüge organisiert sowie Mal- und Tanzstunden angeboten. Großes freiwilliges Engagement zeigt auch Annette Thauwald-Klitzsch von der Organisation Soroptimist International, die sich weltweit für bessere Lebensbedingungen für Frauen und Mädchen einsetzt. „Es ist unfassbar, wie sich das hier entwickelt hat. Wir sind wie eine große Familie – vom Baby bis zu den Großeltern“, so die ehemalige Präsidentin des Soroptimisten-Clubs Bregenz/Rheintal.

Soroptimistin Anette Thauwald-Klitzsch organisiert Ausflüge und Dinge des täglichen Bedarfs.<span class="copyright">Hartinger</span>
Soroptimistin Anette Thauwald-Klitzsch organisiert Ausflüge und Dinge des täglichen Bedarfs.Hartinger

Unternehmungen

Thauwald-Klitzsch organisiert Dinge des täglichen Bedarfs und regelmäßig auch Ausflüge. „Wir haben unter anderem schon eine Schifffahrt am Bodensee gemacht, sind am Pfänder gewandert, waren bei den Bregenzer Festspielen und mit den Kindern im Zirkus.“ Die Hilfsbereitschaft und Solidarität sei groß, freut sich die Ehrenamtliche über die Unterstützung von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand.

Der kleine Raum im Gebäude des Jugendhauses „Between“ in der Bahnhofstraße 47 ist mehr als ein Ort der Begegnung. <span class="copyright">hartinger</span>
Der kleine Raum im Gebäude des Jugendhauses „Between“ in der Bahnhofstraße 47 ist mehr als ein Ort der Begegnung. hartinger

Am wichtigsten ist Thauwald-Klitzsch, dass die vertriebenen Familien wieder etwas Mut schöpfen und Kraft tanken. „Wenn sie irgendwann zurück in ihre Heimat gehen, können sie dann vielleicht jenen helfen, die vom Krieg ausgelaugt sind.“ Hilfe zur Selbsthilfe, nennt die Ehrenamtliche ihr Motto.

Viktor und Nadiia Piddubnyy (beide 64) mit Tochter Viktoria (39). EIne weitere Tochter und der Sohn sind in der Ukraine, letzterer kämpft als Soldat.<span class="copyright">Hartinger</span>
Viktor und Nadiia Piddubnyy (beide 64) mit Tochter Viktoria (39). EIne weitere Tochter und der Sohn sind in der Ukraine, letzterer kämpft als Soldat.Hartinger

Wohnung zerstört

Zoya und Mykola Dubovyk sind jedenfalls sehr froh um das Angebot. Als sie Ende Februar des vergangenen Jahres von einem Tag auf den anderen ihre Heimat verlassen mussten, konnten sie nicht viel mehr mitnehmen als die Kleider, die sie am Leib trugen. Zwei Wochen später flog eine Rakete in das Wohnhaus, in dem die Dubovyks lebten. Mit einem Schlag war alles, was sich die Familie ein Leben lang zusammengespart hatte, zunichte. „Nicht in unseren schlimmsten Träumen hätten wir uns vorstellen könne, dass es zu einer solchen Wende in unserem Leben kommen könnte“, sagt die 70-Jährige. Irgendwann möchten die Dubovyks wieder in die Ukraine zurück. Wohin genau, das wissen sie noch nicht. Die beiden Söhne leben mittlerweile in Kiew.

Viele Wohnungen sind zerstört. Auch in das Haus, in dem Iryna wohnte,  flog eine Rakete. <span class="copyright">Hartinger</span>
Viele Wohnungen sind zerstört. Auch in das Haus, in dem Iryna wohnte, flog eine Rakete. Hartinger

Der Sohn im Krieg

Ebenfalls aus Charkiw – mit einst rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine – kommen Viktor und Nadiia Piddubnyy (beide 64) und ihre Tochter Viktoria (34). Sie konnten damals nicht glauben, dass Russland die Ukraine angreift. „Mein Vater ist Russe, wir haben Verwandte dort, wir sind zum Einkaufen rübergefahren und sie kamen zu uns“, erzählt Nadiia mit Tränen in den Augen. Ihr Mann schildert, wie sie auf der Flucht einem Konvoi russischer Panzer begegneten. „Sie richteten ihre Geschütze auf die Autos der Flüchtenden, um Angst zu verbreiten.“

Trotzdem war sich Viktor damals noch sicher, dass er schon bald wieder in die Heimat zurückkehren würde. Kurz bevor er mit seiner Familie die Flucht antrat, hatte er die kaputten Fenster noch mit Plastikfolie abgeklebt. Mittlerweile kann man dort nicht mehr wohnen. Doch die Piddubnyys wollen wieder zurück. Zurück in die geliebte Heimat, wo ihr Sohn derzeit noch als Soldat im Krieg kämpft.