“Das hier ist unsere Rettung”

Das Begegnungscafé für ukrainische Flüchtlinge in Bregenz ist ein Ort des Lernens, des Austauschs und des Miteinanders. Ein Besuch am Jahrestag des russischen Angriffkriegs
Am gestrigen Freitag jährte sich der Beginn des Ukraine-Kriegs zum ersten Mal. Ein Tag, der die Welt und das Leben von Millionen Menschen veränderte. Mehr als 2500 Ukrainer sind in Vorarlberg gelandet.
Die meisten können erst einmal nicht zurück, weil ihre Wohnungen zerstört wurden. So wie Zoya (70) und Mykola Dubovyk (73). Sie kommen aus der Stadt Charkiw, die vom russischen Militär schwer beschossen wurde. Gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter Iryna (52) besuchen sie regelmäßig das Begegnungscafé in Bregenz, um etwas Kraft zu tanken, Deutsch zu lernen und sich mit Landsleuten auszutauschen. Dieser Ort, sagt Zoya, „ist unsere Rettung“.

Nachvollziehbar
Das Begegnungscafé im interkulturellen Lokal in der Bahnhofstraße 47 gibt es seit Mai 2022. Geleitet wird es von Alona Neuberger. Auch sie kommt aus der Ukraine, lebt allerdings schon seit mehr als zehn Jahren in Vorarlberg. Es ist nicht das erste Mal, dass sie mit Flüchtlingen arbeitet. Früher unterrichtete Neuberger minderjährige Asylwerber aus Afghanistan. „Wie schwer es ist, sich in einem fremden Land ein neues Leben aufzubauen, kann ich aber erst so richtig nachvollziehen, seit es meine Landsleute betrifft“, gibt sie offen zu.

Deutsch lernen, tanzen, malen
Aufgrund der Hilfe von Ehrenamtlichen ist der kleine Raum, in dem sich am Freitag zwischen 9 und 11 Uhr regelmäßig um die 20 Menschen tummeln, längst mehr als ein Ort des Austauschs bei Kaffee und Kuchen. Neben Deutsch-Nachhilfe werden verschiedene Ausflüge organisiert sowie Mal- und Tanzstunden angeboten. Großes freiwilliges Engagement zeigt auch Annette Thauwald-Klitzsch von der Organisation Soroptimist International, die sich weltweit für bessere Lebensbedingungen für Frauen und Mädchen einsetzt. „Es ist unfassbar, wie sich das hier entwickelt hat. Wir sind wie eine große Familie – vom Baby bis zu den Großeltern“, so die ehemalige Präsidentin des Soroptimisten-Clubs Bregenz/Rheintal.

Unternehmungen
Thauwald-Klitzsch organisiert Dinge des täglichen Bedarfs und regelmäßig auch Ausflüge. „Wir haben unter anderem schon eine Schifffahrt am Bodensee gemacht, sind am Pfänder gewandert, waren bei den Bregenzer Festspielen und mit den Kindern im Zirkus.“ Die Hilfsbereitschaft und Solidarität sei groß, freut sich die Ehrenamtliche über die Unterstützung von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand.

Am wichtigsten ist Thauwald-Klitzsch, dass die vertriebenen Familien wieder etwas Mut schöpfen und Kraft tanken. „Wenn sie irgendwann zurück in ihre Heimat gehen, können sie dann vielleicht jenen helfen, die vom Krieg ausgelaugt sind.“ Hilfe zur Selbsthilfe, nennt die Ehrenamtliche ihr Motto.

Wohnung zerstört
Zoya und Mykola Dubovyk sind jedenfalls sehr froh um das Angebot. Als sie Ende Februar des vergangenen Jahres von einem Tag auf den anderen ihre Heimat verlassen mussten, konnten sie nicht viel mehr mitnehmen als die Kleider, die sie am Leib trugen. Zwei Wochen später flog eine Rakete in das Wohnhaus, in dem die Dubovyks lebten. Mit einem Schlag war alles, was sich die Familie ein Leben lang zusammengespart hatte, zunichte. „Nicht in unseren schlimmsten Träumen hätten wir uns vorstellen könne, dass es zu einer solchen Wende in unserem Leben kommen könnte“, sagt die 70-Jährige. Irgendwann möchten die Dubovyks wieder in die Ukraine zurück. Wohin genau, das wissen sie noch nicht. Die beiden Söhne leben mittlerweile in Kiew.

Der Sohn im Krieg
Ebenfalls aus Charkiw – mit einst rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine – kommen Viktor und Nadiia Piddubnyy (beide 64) und ihre Tochter Viktoria (34). Sie konnten damals nicht glauben, dass Russland die Ukraine angreift. „Mein Vater ist Russe, wir haben Verwandte dort, wir sind zum Einkaufen rübergefahren und sie kamen zu uns“, erzählt Nadiia mit Tränen in den Augen. Ihr Mann schildert, wie sie auf der Flucht einem Konvoi russischer Panzer begegneten. „Sie richteten ihre Geschütze auf die Autos der Flüchtenden, um Angst zu verbreiten.“

Trotzdem war sich Viktor damals noch sicher, dass er schon bald wieder in die Heimat zurückkehren würde. Kurz bevor er mit seiner Familie die Flucht antrat, hatte er die kaputten Fenster noch mit Plastikfolie abgeklebt. Mittlerweile kann man dort nicht mehr wohnen. Doch die Piddubnyys wollen wieder zurück. Zurück in die geliebte Heimat, wo ihr Sohn derzeit noch als Soldat im Krieg kämpft.