Immer mehr machen ihre Ideen zum Beruf

Immer mehr Menschen entwickeln ihre eigene Idee zur Selbstständigkeit weiter. In den kommenden Ausgaben der NEUE am Sonntag stellen wir originelle, erfolgreiche und spannende Ein-Personen-Unternehmen (EPU) vor.
Geschäftsmodelle von Ein-Personen-Unternehmern (EPU)zeichnen sich durch eine hohe Spezialisierung und Nähe zum Kunden aus. Ein Überblick über die neuesten EPU-Zahlen der Wirtschaftskammer Vorarlberg und was daraus gefolgert werden kann beziehungsweise sollte, ergibt sich im Gespräch mit der EPU-Sprecherin der WKV, Susanne Rauch-Zehetner.
Rund 60 Prozent aller Unternehmen in Österreich sind Ein-Personen-Unternehmen. Österreich befindet sich dabei in guter Gesellschaft – auch rund 60 Prozent aller Unternehmen in Europa sind Kleinstbetriebe ohne angestellte Beschäftigte. Diese Zahl ist weiter steigend. In Vorarlberg gibt es 14.078 Ein-Personen-Unternehmen – so viele wie nie zuvor. „EPU sind ein wichtiger Faktor in der Vorarlberger Unternehmenslandschaft. Sie sind Kooperationspartner von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), in der Region verwurzelt, innovativ und resilient“, betont die EPU-Sprecherin der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Susanne Rauch-Zehetner. Warum steigt die Zahl der EPU kontinuierlich an?
Einen wesentlichen Grund sieht Rauch-Zehetner in der Lust am selbstständigen Arbeiten und in dem Wunsch vieler, die eigenen Talente und Stärken im Beruf zu verwirklichen. „Die Unternehmensform eines Ein-Personen-Unternehmens trägt diesen Bedürfnissen Rechnung und bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Balance zwischen Beruf und Privatleben individuell zu gestalten.“ Ein eigenes Unternehmen bedeutet Arbeit, allerdings ist es in der Regel Arbeit, die den Unternehmern Spaß macht, und ob sie nachmittags oder nachts arbeiten, können sie sich vielfach selbst einteilen.

Trotz Pandemie geht der Gründungsboom der EPU also weiter – und viele Kleinstunternehmer:innen gehen gestärkt aus der Krise hervor: „Resilienz, also die Fähigkeit, sich anzupassen, ist eines der Erfolgsrezepte von Ein-Personen-Unternehmen. Gerade, weil die Unternehmen klein sind, bleiben sie flexibel und können sich auf neue Situationen rasch einstellen“, sagt die EPU-Sprecherin. Natürlich waren auch EPU von den Corona-Einschränkungen massiv betroffen, ergänzt sie. „Für viele war es aber eine Gelegenheit, ihr Geschäftsmodell neu zu denken, die Möglichkeiten der Digitalisierung intensiver zu nutzen und sich neu zu erfinden.“
Auch generell sind Ein-Personen-Unternehmer:innen wichtige Kreativ-Booster für die Wirtschaft.
„Ich sehe EPU als unverzichtbare Zahnräder im Motor der Wirtschaft.“ Mit ihren Spezialisierungen und ihrem Innovations- und Kreativitätspotenzial seien sie wichtige Zulieferer für Klein- und Mittelunternehmen (KMU). EPU brächten nicht nur Vielfalt in die Wirtschaft, sondern auch neue Zugänge, andere Denkweisen und Methoden.
Ein-Personen-Unternehmen finden sich in beinahe allen Branchen, wobei in der Sparte Gewerbe und Handwerk der EPU-Anteil mit 66,2 Prozent und in der Sparte Information und Consulting mit 57,4 Prozent dominiert. Einen großen Anteil machen auch die Personenbetreuerinnen aus. Die Nachfrage nach 24-Stunden-Betreuung und der Wunsch vieler Menschen, in ihrem eigenen zuhause alt werden zu können, ist weiterhin sehr groß. Und wo die Nachfrage groß ist, entsteht auch ein Angebot. Immer mehr Betreuerinnen, vorrangig aus Rumänien und der Slowakei, würden in Österreich ein Gewerbe als Personenbetreuerin gründen und mit ihrer Dienstleistung ermöglichen, dass der Kunde in seinem eigenen Daheim fachkundig betreut wird, so die WKV-Expertin Rauch-Zehetner. „Das ist eine unverzichtbare Säule in unserer Pflegelandschaft.“
Einzelunternehmer bieten darüber hinaus personenbezogene Dienstleistungen wie etwa Humanenergetik oder psychologische Beratung an. Zum anderen werden kreative Berufe ausgeübt wie Fotografie, Werbung, Mode- und Bekleidungstechnik oder verschiedene Kunsthandwerke. Auch beratende Berufe wie Unternehmensberatung und Buchhaltungsberufe haben laut Rauch-Zehetner einen hohen EPU-Anteil. „Weshalb? Weil EPU es perfekt schaffen, den Wünschen und Sehnsüchten der Kunden mit einer professionellen Dienstleistung zu begegnen – oft lange, bevor große Anbieter dies erkennen.“
Das Durchschnittsalter liegt bei 47,2 Jahren. Denn bevor sie den Schritt in die Selbständigkeit wagen, haben die meisten Ein-Personen-Unternehmer bereits eine erfolgreiche Berufslaufbahn hinter sich. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem sie die eigenen Talente und Ideen unternehmerisch umsetzen und die eigene Work-Life-Balance selbstverantwortlich managen möchten.
Dabei hat sich an den Gründungsmotiven im Zeitverlauf kaum etwas geändert. Der Wunsch, der eigene Chef, die eigene Chefin zu sein, in der eigenen Zeit- und Lebensgestaltung flexibel sein zu können, und das Bedürfnis, selbst Verantwortung zu tragen, sind seit Jahren die Hauptmotive für den Schritt in die Selbstständigkeit. Insbesondere die zeitliche Flexibilität und die Möglichkeit, das Geschäft oder einen Teil davon nach Hause zu verlegen, sind Gründe für den nach wie vor hohen Frauenanteil.
Der Frauenanteil bei EPU liegt in Vorarlberg bei 55,4 Prozent und ist vor allem durch die selbständigen 24-Stunden-Betreuerinnen dominiert – eine Branche, die überwiegend weiblich ist. Ohne Personenbetreuerinnen dürfte der Anteil ungefähr bei 43 Prozent liegen. Der hohe Frauenanteil lässt sich nicht nur dadurch erklären, dass die Unternehmensgröße EPU eine gute Möglichkeit ist, um auch mit Familie im Arbeitsleben zu bleiben, sondern auch mit dem hohen Bildungsniveau von Frauen. 56 Prozent arbeiten hauptberuflich in Vollzeit in ihrem EPU. Teilweise handelt es sich um hybride Arbeitsformen, die neben der selbstständigen Tätigkeit auch noch einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen. Teilweise handelt es sich aber auch um Unternehmer, die neben der selbständigen Tätigkeit Familienbetreuungspflichten haben, studieren oder vielleicht schon eine Pension beziehen. „Generell kann man aber schon sagen, dass es sicher auch interessant ist, vor allem in der Gründungsphase seine Existenzabsicherung auch auf zusätzliche Standbeine zu verteilen, um die Geschäftsidee zunächst zu testen“, sagt Rauch-Zehetner.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten auch auf Kleinunternehmen zugeschnitten sein, meint sie. Das heißt: wenig Bürokratie, eine gute soziale Absicherung für den Fall von Unfall oder Krankheit und eine unkomplizierte Steuergesetzgebung. So brauche man bei der Umsatzsteuer-Kleinunternehmerregelung eine Anhebung der Grenze von derzeit 35.000 auf 85.000 Euro.
Weitere Infos unter:
www.epu.wko.at