Allgemein

Adrian Newey: Der “Herr der Luft” ist Red Bulls Weltmeistermacher

29.06.2023 • 14:11 Uhr
F1 Grand Prix Of Canada Adrian Newey before the Formula 1 Grand Prix of Canada at Circuit Gilles Villeneuve in Montreal,
F1 Grand Prix Of Canada Adrian Newey before the Formula 1 Grand Prix of Canada at Circuit Gilles Villeneuve in Montreal, (c) IMAGO/NurPhoto (IMAGO/Jakub Porzycki)

Adrian Newey gilt als der beste Formel-1-Designer. Seine Autos gewannen zwölf Fahrer- und zehn Konstrukteurs-WM-Titel. Jedes Team will ihn. Er bleibt aber noch lange bei Red Bull Racing.

Mit 34 Jahren, nach zehn Jahren im Formel-1-Geschäft, quälte sich Adrian Newey erstmals selbst in das Cockpit und hinters Steuer eines seiner Autos. 1993 erlebte der damalige Chefdesigner des Williams-Teams auf dem Circuit Paul Ricard in Südfrankreich alles aus dem Blickwinkel des Fahrers, und erkannte Dinge, auf die er als Ingenieur davor nie so genau geachtet hatte: die Enge und Eingeschlossenheit sowie die Einsamkeit eines Fahrers in einem Formel-1-Cockpit.

Bis heute ist das Aerodynamik-Genie der Formel 1 auch Hobbyrennfahrer geblieben. Hin und wieder holt für ihn der Klagenfurter Hermann Duller einen BMW-Tourenwagen aus der Garage, um unter größter Geheimhaltung für Newey ein paar Runden auf einer kleinen Rennstrecke in Italien zu organisieren.

Vom Motorsportvirus angesteckt wurde Adrian Newey aber schon als Kind und Jugendlicher. Er staunte über die Mini Cooper bei der Rallye Monte Carlo. Die „Autosport“, Englands wöchentlich erscheinende „Motorsportbibel“, wurde zur Pflicht- und Lebenslektüre. Und unmittelbar nach Abschluss des Luftfahrttechnik-Studiums an der Universität Southampton auch zum Lebensinhalt. „Ich habe den Abtrieb als ein aerodynamisches Phänomen studiert. Und das Thema meiner Abschlussarbeit war seine Anwendung im Motorsport“, sagte Newey einst der deutschen „Auto, Motor und Sport“. Und weiter: „Ich brauchte ein Praktikum und im Jahr 1980 habe ich Bewerbungen an fast alle Rennteams geschickt, aber die meisten haben nicht geantwortet. Nur Harvey Postlethwaite von Fittipaldi hat mir einen Job in der aerodynamischen Abteilung angeboten.“ So kam Newey in die Formel 1, von Fittipaldi wechselte er später zu March.

Die ersten WM-Titel gewann er mit Williams (1992 bis 1997), dann mit McLaren (1998, 1999). Ende 2005 wurde Christian Horner, damals noch als Teamchef bei Jaguar, beauftragt, die Weichen für das neue Red-Bull-Racing-Team in der Formel 1 zu stellen. Geld war vorhanden. Und für Chef Dietrich Mateschitz war das Beste gut genug, schließlich wollte und sollte man ganz nach oben. Also stand Adrian Newey als Designer ganz oben auf der Wunschliste. Mit zwölf WM-Titeln war er schon damals „Weltmeistermacher“. Die Alternative wäre eventuell Ross Brawn von Ferrari gewesen, der davor mit Michael Schumacher auch schon bei Benetton die Weichen auf WM-Titel gestellt hatte.

Bis heute hält Adrian Neweys Ehe mit Red Bull

Die Gehaltsverhandlungen überließ Newey seiner Frau – und plötzlich waren auch Ingenieure Millionen wert. Bis heute hält die „Ehe“ mit Red Bull. Nach weiteren sechs Fahrer- und fünf Konstrukteurstiteln kletterte das Gehalt von Newey in den zweistelligen Millionenbereich. Und während Red Bull in Kanada noch seinen 100. Sieg feiern durfte, war es für den 64-jährigen Newey gar schon der 200. Erfolg eines Autos aus seiner Feder.

Nicht nur Erfolge säumten den Weg des besten Designers der Formel 1. In seinem Williams FW16 starb 1994 in Imola auch Ayrton Senna. Williams hatte damals massive Probleme mit der aktiven Aufhängung. Und später gab Newey auch zu, sich bei der Aerodynamik verrechnet zu haben. Die Bodenfreiheit sei zu klein gewesen. Immer wieder riss der Luftstrom im Diffusor ab.

Dennoch gilt Newey bis heute als bester Aerodynamiker und als der Mann, der die Luft „sieht“ und Luftströme besser berechnet als alle anderen. Die Konkurrenz verzweifelt – und wäre wohl bereit, jeden Preis zu bezahlen. Red Bull hat aber schon jetzt bekannt gegeben, dass Newey noch „viele, viele Jahre“ am Reißbrett in Milton Keynes stehen würde.

Und weil auch Verstappen bis Ende 2028 verlängert, ködern Aston Martin (Dan Fallows) und McLaren (Rob Marshall) Ingenieure aus der zweiten Reihe von Red Bull. Für Helmut Marko ist das kein Problem: „Wir haben einen guten Unterbau, sind breit aufgestellt.“

Adrian Neweys großer Traum

Es ist eine jener Geschichten und Gerüchte, die niemals offiziell bestätigt werden und in denen wohl doch ein Körnchen Wahrheit liegt. Das entscheidende Argument, warum Adrian Newey zu Red Bull kam, war letztlich nicht (nur) ein monetäres. Und es war auch nicht die neue Art, mit der Red Bull die Formel 1 aufmischte. In Wahrheit, so munkelt man, habe es mit der Segel-Leidenschaft des Briten zu tun. Der, so erzählt man sich, träumte davon, einmal im Leben ein Boot zu konstruieren, das um den America’s Cup segelt. Auch dort ist Aerodynamik gefragt. Und Red Bull soll ihm die Erfüllung des Traums in Aussicht gestellt haben. Für die kommende Kampagne macht der Konzern mit dem Syndikat Alinghi gemeinsame Sache, entwickelt Komponenten. Mittendrin: Adrian Newey, der vor drei Wochen erst dem Team einen Besuch abstattete.