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Ein rechtliches Wald- und Wiesenthema

09.09.2023 • 22:28 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
<span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Klaus Hartinger

Nach 314 Tagen hat die BH Feldkirch eine ­Anfrage der NEUE am Sonntag im ­Feldkircher Agrarstreit beantwortet.

Vor über einem Jahr wandte sich die Stadt Feldkirch hilfesuchend an die Bezirkshauptmannschaft. In der Stadtvertretungssitzung am 12. Oktober 2022 sollte darüber abgestimmt werden, wie man im schwelenden Streit mit den Agrargemeinschaften weiter verfahren sollte. In diesem Gremium sitzen aber selbst etliche Agrarier.

Daher – so lautete die am 7. September 2022 telefonisch und am 4. Oktober schriftlich ergangene Bitte der Stadtverwaltung – sollte die Gemeindeaufsicht der BH klären, ob die Agrargemeinschaftsmitglieder an der Abstimmung teilnehmen dürften oder befangen waren.

Zwei verschiedene Fälle

Die Frage war auch deshalb heikel, weil die Behörde in einem ähnlich gelagerten Fall auf Befangenheit entschieden hatte – nämlich bei der Abstimmung zu einem Grundstückstausch im Zusammenhang mit dem Rheinregulierungsprojekt „Rhesi“ in Koblach. Das Land Vorarlberg hatte an diesem Geschäft ein hohes Interesse. Durch die Befangenheit der betroffenen Bauern in der Gemeindevertretung wurde auch die Zustimmung zum Grundstücksdeal sichergestellt.

In Feldkirch droht hingegen durch den Agrarstreit ein jahrelanger Streit, dessen Ausgang auch Auswirkungen auf andere Gemeinden haben kann. Außerdem wird die Landesregierung als Agrarbehörde eine heikle Entscheidung in einer Sache zu treffen haben, an der sie selbst wenig Interesse hat. In Feldkirch, so entschied die Bezirkshauptmannschaft, seien die Mitglieder der Stadtvertretung, die auch Bezugsrechte bei Agrargemeinden haben, nicht befangen. Sie durften in der Stadtvertretung daher gegen die Bestellung eines Anwaltes im Streit mit jenen Organisationen stimmen, in denen sie selbst Mitglieder waren.

Langes Warten

Die NEUE am Sonntag interessierte sich daher für die Begründung dieser Entscheidung. Was hatte die Bezirkshauptmannschaft dazu bewogen, in Feldkirch so anders zu entscheiden als in Koblach? In der Stadtvertretung waren die Erwägungen der Behörde nur zusammengefasst worden. Deren Stellungnahme wurde aber nicht veröffentlicht. Noch am Tag der Stadtvertretungssitzung wurde eine Anfrage an die BH gestellt, deren Beantwortung von dieser auch zugesichert wurde. Doch dann geschah acht Wochen lang nichts.

Nach Ablauf der gesetzlichen Frist für die Auskunftserteilung wurde ein Bescheid beantragt. In diesem hätte die Behörde erklären müssen, warum sie keine Antwort erteilen kann. Doch auch der Bescheid kam nicht. Nach sechs Monaten in denen die Bezirkshauptmannschaft Zeit gehabt hätte, ihre Auskunftsverweigerung zu begründen, erging daher am 7. Juni 2023 eine Säumnisbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht – dieses kann angerufen werden, wenn Behörden wie im vorliegenden Fall ihre Entscheidungspflicht verletzen. Die BH hatte danach erneut drei Monate Zeit, um auf die Säumnisbeschwerde zu reagieren. Knapp zwei Wochen vor Ablauf der letzten Frist entschied sich die BH, die Anfrage nach 314 Tagen doch noch zu beantworten. Man entschuldigte sich für das Säumnis, diese habe aber nichts mit dem Inhalt der Anfrage zu tun. „Es gab nie die Absicht die Auskunftserteilung zu verweigern. Diesbezüglich liegen auch keine Gründe vor.“

Wald und Wiesen

In der nun vorliegenden Stellungnahme führt die BH aus, was in Koblach für eine Befangenheit der Mandatare sprach: „Maßgeblich war der Umstand, dass der Flächentausch in der Gemeinde Koblach eine Veränderung der Lage und der Bodenqualität der zum Gemeindegut gehörenden Grundstücke zur Folge hatte und sich der Flächentausch unmittelbar auf die Bewirtschaftbarkeit der betroffenen landwirtschaftlichen Grundflächen auswirken konnte.“ Die Gemeindevertreter seien dadurch „unmittelbar selbst betroffen“. Im Vergleich zu Feldkirch sei anzumerken, dass diese Betroffenheit „bei der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Grundstücke relevanter ist, als bei einem Holzbezugsrecht.“

Wald und Wiese sind demnach unterschiedlich zu behandeln. Die Mitglieder der Agrargemeinschaften erhalten aber nicht nur Holz, sondern mitunter auch Geld, das aus Holz- oder Christbaumverkäufen, mehr noch aber aus Kiesabbaurechten stammt. Der Beschluss der Stadtvertretung hätte sich „zwangsläufig auf einen größeren Adressatenkreis“ bezogen und „bloße Rückwirkungen auf die Interessen des Einzelnen“ gehabt, erklärte die BH. Auch sei der Antrag auf Bestellung eines Rechtsanwaltes nur allgemein gehalten. Persönliche Befangenheiten müssten aber im Einzelfall geprüft werden.

Agrarstreit

Im Feldkircher Agrarstreit geht es um Grundstücke, die den, von den Nazis nach dem Anschluss 1938 aufgelösten Agrargemeinden sowie der Stadt Feldkirch gehört hatten. Diese waren in der Zweite Republik auf die neugegründete Agragemeinschaft Altgemeinde Altenstadt übertragen worden. Auch in Tisis und Tosters wurden wieder Agrargemeinschaften errichtet. Im Fall Altenstadt will die Stadt nun einerseits ihre früheren Grundstücke zurück, die damals in einer möglicherweise nicht rechtswirksamen Hauptteilung übertragen wurden. Gleichzeitig will sie, entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, jene Überschüsse der Agrargemeinschaften, die deren Mitglieder nicht für den Eigenbedarf benötigen. Darüber entscheidet zunächst die Landesregierung als Agrarbehörde in weiterer Folge die Gerichte.

Gemeinsamer Beschluss

In der betreffenden Sitzung der Feldkircher Stadtvertretung am 12. Oktober des Vorjahres erklärte sich bei dieser Abstimmung nur Vizebürgermeister Daniel Allgäuer für befangen. ÖVP und FPÖ erklärte, es müssten noch weitere Gespräche geführt werden und lehnten den Antrag ab. Die ÖVP Feldkirch versuchte in der Folge, die drei Agrargemeinschaften Altenstadt, Tisis und Tosters zur Fusion zu bewegen und einen Kompromiss bei der Gewinnaufteilung zu finden, was aber scheiterte.

Nachdem insbesondere die vermögendste der drei Feldkircher Agrargemeinschaften, jene der Altgemeinde Altenstadt, zu keinen substanziellen Verhandlungen mit der Stadt bereit war, einigten sich alle im Rathaus vertretenen Parteien darauf, doch den Rechtsweg zu beschreiten. Bei dieser Entscheidung zogen in der Stadtvertretung auch Mitglieder der Agrargemeinschaften mit. In dem am 6. Juli 2023 gefassten Beschluss machte die Stadt keine halben Sachen mehr: Sie fordert darin unter anderem ein Anteilsrecht an den Überschüssen der Altenstädtner Agrar, sämtliche Rücklagen, sowie 1,7 Millionen Euro plus Zinsen und sieben Grundstücke. Auch bei den Agrargemeinschaften Tisis und Tosters will die Stadt auf die Rücklagen zugreifen. Von allen dreien verlangt sie, dass ihr künftig „alle Nutzungen des Gemeindegutes zustehen, soweit diese das durchschnittliche Ausmaß der tatsächlichen Realnutzung beziehungsweise – in Ermangelung der Feststellbarkeit – den Haus- und Gutsrealbedarf der übrigen Anteilsrechte übersteigen“. Die Agrargemeinden haben nun bis 29. September Zeit, auf diese Forderungen zu reagieren. Ein jahrelanger Rechtsstreit gilt als wahrscheinlich.