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Der Bodensee als Heizung und Klimaanlage

11.03.2024 • 14:41 Uhr
Heribert Hehle, Daniel Zadra und Markus Frei (v.l.) präsentierten die Studie.   <span class="copyright">Land Vorarlberg/Hämmerle</span>
Heribert Hehle, Daniel Zadra und Markus Frei (v.l.) präsentierten die Studie. Land Vorarlberg/Hämmerle

Über 3400 Gebäude in Bregenz, Lochau und Hard könnten mit Wasser aus dem Bodensee geheizt und gekühlt werden.

Daniel Zadra hat vor ein paar Tagen im Bodensee gebadet. Die Wassertemperatur hätte nicht unbedingt darauf schließen lassen, dass man damit auch heizen kann, erzählte der Energielandesrat. Kann man aber und das gar nicht so schlecht, wie eine gestern präsentierte Studie ergab, deren Resultate Zadra als „sehr vielversprechend“ bezeichnete.

Das Land hat im Frühjahr 2023 in Kooperation mit Bregenz, Lochau und Hard eine Untersuchung in Aufrag gegeben, ob und wie für diese Gemeinden Heizung und Kühlung mit Energie aus dem Bodensee möglich ist. Erstellt wurde die Studie vom Schweizer Büro PG-Ingenieure mit Beteiligung der deutschen Ingenieurgesellschaft Prof. Kubus und Partner und des Energieinstituts Vorarlberg.

Energiebedarf

Das Energieinstitut berechnete zunächst den Energiebedarf der Gemeinden beziehungsweise der einzelnen Gebäude, wie Projektleiter und Studienautor Markus Frei von Pb-Ingenieure gestern informierte. Im Endausbau könnten über 3400 Gebäude in den drei Kommunen geheizt und gekühlt mit Seewasser werden, so das Ergebnis.

Das sind Tausende Wohneinheiten, erklärte Zadra oder 240.000 Gigawattstunden umgerechnet in 24 Millionen Liter Öl pro Jahr beziehungsweise 750 vollbeladene Tanklastwägen, wie Frei verdeutlichte. Fußach, Höchst und Gaißau, die ja auch am Bodensee liegen, seien indes eher ungeeignet für eine thermische Seeenergienutzung, erläuterte Frei. Dafür gibt es mehrere Gründe, unter anderem die Seetiefe und größere Distanzen.

Das Wasser des Bodensees könnte zum Heizen und Kühlen verwendet werden. <span class="copyright">Philipp Steurer </span>
Das Wasser des Bodensees könnte zum Heizen und Kühlen verwendet werden. Philipp Steurer

Laut Studie gibt es sieben mögliche Standorte für sogenannte See-Energiezentralen, also Entnahme- und Rückgabestellen: zwei in Lochau, vier in Bregenz und einer in Hard. Dabei wird das Wasser aus einer Tiefe von 25 Metern entnommen und in 30 Metern Tiefe wieder rückgeführt – und dazwischen je nachdem Wärme oder Kälte entzogen.

Negative Auswirkungen für die Ökologie gebe es nicht, wie Zadra und Frei betonten. Im Winter komme es rechnerisch zu einer etwas stärkeren Abkühlung der Flachwasserbereiche, was hinsichtlich Durchmischung aber positiv sei. Auf die Trinkwassernutzung – wie sie in Süddeutschland in größerem Ausmaß passiert – habe die Energiegewinnung keinen Einfluss. Auch die Badestellen blieben davon unberührt.

Auch Gas noch notwendig

Ein derartiges Seewärmesystem besteht aus einer See-Energiezentrale mit Wärmetauscher und einem Verteilnetz, wobei da ein „warmes“ (zentrale Wärmepumpe und Gasnacherwärmung) oder ein „kaltes“ (dezentrale Wärmepumpe und Gasnacherwärmung) Verteilungskonzept möglich sei, erläuterte der Projektleiter. Beide Systeme hätten Vor- und Nachteile. Um Gas kommt man nicht ganz herum. Da der Heizungsbedarf übers Jahr sehr unterschiedlich sei, so Frei, sei es sinnvoll, Spitzen aus Kostengründen mit Gas, möglichst erneuerbarem, abzudecken. Preislich könne die Seewärme durchaus mit anderen Energieträgern mithalten, sagt er. Frei sprach von 17 bis 21 Cent pro Kilowattstunde.

„Im Endausbau wird erneurbare Heizenergie im Gegenwert von 35 Millionen Euro pro Jahr umgesetzt“

Markus Frei, Projektleiter und Studienautor

Im Endausbau werde erneuerbare Heizenergie im Gegenwert von 35 Millionen Euro pro Jahr umgesetzt, so die Prognose des Experten. Kosten werde das Projekt „mehrere hundert Millionen Euro“, wie er sagte. Der lokale CO2-Ausstoß werde indes bei voller Ausschöpfung um circa 60.000 Tonnen pro Jahr reduziert. Das Potenzial von Heizen im Vergleich zu Kühlen bezeichnete Frei als Eins zu Zehn – zumal der Kälteentzug eine sensiblere Frage sei.

Daniel Zadra, Heribert Hehle und Markus Frei (4., 5. und 6. von links) mit Vertretern der Gemeinden und Beteiligten an der Studie.  <span class="copyright">Land Vorarlberg/Hämmerle</span>
Daniel Zadra, Heribert Hehle und Markus Frei (4., 5. und 6. von links) mit Vertretern der Gemeinden und Beteiligten an der Studie. Land Vorarlberg/Hämmerle

Als Vertreter der Gemeinden war der Bregenzer Stadtrat Heribert Hehle (Grüne) anwesend. In der Landeshauptstadt werden derzeit rund 90 Prozent aller Gebäude mit Öl oder Gas geheizt, wie Zadra informierte. Dort wird allerdings derzeit auch eine – von PB-Ingenieuren geplante – See-Energiezentrale errichtet. Sie soll in Zukunft das neue Hallenbad und das Festspielhaus heizen und kühlen. 15 Millionen Euro – acht vom Bund, sieben von der Stadt – würden dort investiert, so Hehle. In einem nächsten Schritt soll es dann Richtung Innenstadt gehen. Da gebe es laut Hehle bereits Gespräche mit Interessierten.

Bis zu einer vollständigen Realisierung des gestern präsentierten Projekts wird es aber noch dauern. Ein Ausbau erfolge in Etappen, hieß es von Zadra, und habe in Bregenz schon begonnen. Zudem gebe es in Lochau ein Kleinprojekt und in Hard liefen Planungen für eine See-Energiezentrale. Nun gehe es darum, mit den Gemeinden konkret in Umsetzungsplanungen einzusteigen, sagte der Landesrat.

Markus Frei lieferte zum Zeitrahmen einen Erfahrungsbericht: Bei einem 2020 begonnenen Projekt am Schweizer Vierwaldstättersee habe man derzeit rund 30 Prozent des Potenzials erschlossen, erzählte er. Er geht davon aus, dass man vom Start bis zum Endausbau in einem Gebiet mit rund 15 Jahren rechnen müsse. So würden etwa Leitungen verwendet, die für 80 Jahre im Boden bleiben und auch die See-Energiezentrale selbst müsse mindestens 80 Jahre bestehen, erklärte der Studienautor.