Weitere Anzeigen in Kies-Causa: Haben Gemeinde Altach und Pächter gegen Auflagen verstoßen?

Mehrere Dutzend verwaltungsstrafrechtliche Anzeigen eingebracht. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch reagierte bereits und schickte einen Bagger zur Kiesgrube, bei der einiges im Argen liegen dürfte. Kiesabbau-Pächter Franz Kopf spricht von „teilweise wilden Spekulationen“.
Das Ausbaggern von Kies aus dem Grundwasser und das anschließende Verfüllen der Gruben mit Aushubmaterial ist eine heikle Angelegenheit. Zum einen besteht die Gefahr, dass durch die Entfernung des Bodenfilters Schadstoffe ins Grundwasser gelangen, zum anderen kann sich die Verfüllung negativ auf den Grundwasserspiegel und die Fließrichtung auswirken. Um dies möglichst zu verhindern, sind Genehmigungen mit strengen gewässerschutztechnischen Auflagen verbunden. Außerdem wird im so genannten Gewinnungsbetriebsplan unter anderem festgelegt, wie viel Kies abgebaut werden darf, wie zum Beispiel die Böschungen beschaffen sein müssen und wie groß die offene Wasserfläche sein darf. Recherchen der NEUE am Sonntag legen nun den Verdacht nahe, dass die alteingesessene Altacher Firma Kopf Kies + Beton GmbH, aber auch die Gemeinde als Bescheidinhaberin gegen mehrere Auflagen und Vorschriften verstoßen haben könnten.

Der Familienbetrieb Kopf baut seit Mitte der 1990er Jahre im Auftrag der Gemeinde Kies am Alten Rhein ab. Die nun eingebrachten Anzeigen beziehen sich allesamt auf ein Kiesabbauvorhaben, das 2009 genehmigt wurde und bis mindestens 2020 lief, sowie auf die Betriebsanlage der Firma Kopf. Geschäftsführer ist bekanntlich Franz Kopf, der bis 2019 ÖVP-Vizebürgermeister von Altach war, als Gemeindevertreter weiterhin dem Wirtschaftsausschuss vorsteht und Innungsmeister des Baunebengewerbes ist. Bürgermeister Markus Giesinger (ÖVP) war zur fraglichen Zeit Amtsleiter der Gemeinde Altach.
Anzeigenflut
Die Kopf Kies GmbH und die Gemeinde Altach sehen sich nun mit einer ganzen Reihe von Anzeigen konfrontiert. Neben mutmaßlichen Verstößen gegen das Gewerberecht (die NEUE berichtete vor zwei Wochen) wurden der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch kürzlich rund 60 weitere konkrete Verdachtsmomente samt umfangreichem Geodaten- und Bildmaterial übermittelt.

Demnach soll unter anderem die maximal zulässige Wasseroberfläche über viele Jahre um bis zu 93 Prozent überschritten worden sein. Weiters wird dem Unternehmen vorgeworfen, die Abbaugrenzen illegal erweitert und deutlich mehr Kies abgebaut zu haben, als genehmigt war. Außerdem sollen die Böschungen der Kiesgrube nicht ordnungsgemäß errichtet worden sein, wodurch Humus eingebrochen und Schadstoffe ins Grundwasser gelangt sein könnten. In dem Schreiben an die BH, das der NEUE am Sonntag vorliegt, werden „umweltrelevante Übertretungen“ vermutet.
Auch der behördlich festgelegte Abstand zur Leitung des Trinkwasserverbandes Rheintal soll nicht eingehalten worden sein. Aus dem der Anzeige beigelegten Datenmaterial geht hervor, dass zwischen Abbaugrenze und Wasserleitung nur rund fünf Meter statt der im Bescheid vorgeschriebenen 9,5 Meter liegen. Insgesamt werden acht Gemeinden, darunter Dornbirn, Lustenau, Götzis und Alberschwende, über die gegenständliche Leitung mit Trinkwasser versorgt.

Das sagen die Gemeinde und Kopf Kies
In der Gemeinde Altach bestätigt man den Eingang der Anzeigen. Bürgermeister Markus Giesinger will sich aber – mit Verweis auf das laufende Verfahren – nicht im Detail zu den Vorwürfen äußern. Nur so viel: „Nach derzeitigem Stand kann jedenfalls mit Sicherheit gesagt werden, dass es zu keinen umweltrelevanten Schäden gekommen ist“. Die Anzeigen werden laut Giesinger von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch geprüft. Die Gemeinde sei zu entsprechenden Stellungnahmen aufgefordert worden, so der Bürgermeister auf NEUE-Anfrage.

Auch Kiesunternehmer Franz Kopf will wegen des laufenden Verfahrens nicht näher auf die Vorwürfe eingehen. Für ihn steht aber schon jetzt fest: „Viele dieser Anzeigen laufen ins Leere und basieren auf Mutmaßungen, Unterstellungen und teilweise wilden Spekulationen.“
Dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sein dürften, hat sich in der vergangenen Woche gezeigt. Da fand nämlich ein Lokalaugenschein der BH Feldkirch bei der Kiesgrube in Altach statt. Wenige Tage später rollte auch schon ein Bagger an. Es seien „Maßnahmen zur Sicherung der Böschung“ vereinbart worden, bestätigt Giesinger.

Der Anzeiger
Hinter den Anzeigen steht der Unternehmer Patrik Nickel. Wie schon mehrfach berichtet, will der Götzner mit seiner Projektgesellschaft Rero-Pro in dem Gebiet ebenfalls Kies abbauen. Seit Jahren versucht er, beim Kiesabbau im sogenannten Sauwinkel einen Fuß in die Tür zu bekommen. Wie berichtet wurde das Projekt im Jahr 2019 genehmigt, Kiesabbau-Pächter soll wieder Kopf werden. Es gibt aber noch immer keinen Vertrag zwischen der Gemeinde Altach, die den Bescheid innehat, und der Marktgemeinde Götzis, die Eigentümerin des Grundstücks ist. Mit seiner – nach eigenen Angaben – ökologischeren und nachhaltigeren Abbauvariante stieß Nickel von Anfang an auf taube Ohren. Längst gilt er bei den schwarzen Bürgermeistern als rotes Tuch, weil er – gemeinsam mit den Grünen in Götzis und Altach – das Vorhaben torpediert und auf nach wie vor auf ein faires Verfahren pocht .

Fairer Wettbewerb gefordert
Wer nun vermutet, dass die Anzeigen aus Rache oder Neid eingereicht wurden, liegt falsch – zumindest wenn es nach Nickel geht. Er wolle in erster Linie faire Wettbewerbsbedingungen erreichen, sagt der Unternehmer im NEUE-Gespräch. „Sollte sich die Verdachtsmomente bestätigen, hätte sich die Firma Kopf massive Vorteile gegenüber ihren Mitbewerbern verschafft.“ Er habe Kopf und Giesinger mehrfach um ein persönliches Gespräch gebeten, erzählt Nickel. „Wir wollten unsere Sicht der Dinge darlegen, auch im Hinblick auf mögliche Verstöße.“ Die Ablehnung unzähliger Terminanfragen und Anzeigen von Kopf gegen ihn hätten ihn schließlich dazu bewogen, die Verdachtsmomente bei der Behörde anzuzeigen. Ein fairer Wettbewerb, so Nickel, sollte auch im Interesse von Franz Kopf als Innungsmeister des betreffenden Gewerbes liegen.

Fragen
Der Fall wirft viele Fragen auf: Wer hat in einem solchen Fall für die Einhaltung der Auflagen zu sorgen, der Bescheidinhaber oder der Pächter? Wer kann verwaltungsstrafrechtlich belangt werden und muss für eine allfällige Sanierung oder den Rückbau der Kiesgrube aufkommen, die öffentliche Hand oder der Unternehmer? Und was, wenn aus der Grube tatsächlich mehr Kies als genehmigt entnommen wurde, ohne dafür die Landschafts- und Naturschutzabgabe ans Land zu entrichten? Das sind nur ein paar jener Fragen, die die NEUE vor mehr als zehn Tagen an die BH Feldkirch gestellt hat, aber bis heute unbeantwortet blieben. Wobei letzteres wohl eher ein Fall für die Staatsanwaltschaft wäre.