„Bandenkriege“ in Wien: Warum Junge zu Gewalt aufrufen

In Wien brodelt es zwischen Gruppen aus Tschetschenien und Syrien. In den sozialen Medien wird zu Gewalt aufgerufen. Die Hintergründe.
„Die Kriege gehen weiter“, steht in dem Telegram-Chat. Dahinter ein Daumen nach oben. In den sozialen Medien heißt es: Junge Tschetschenen gegen junge Syrer. Es wird zu Gewalt aufgerufen, man solle immer ein Messer bei sich tragen, zur Verteidigung. Ein Nutzer bietet Waffen zum Verkauf an, ein Machete zum Beispiel. Mit Videos und Fotos werden Personen geteilt, die jemanden angegriffen haben sollen. Auf der Straße hat sich der Konflikt manifestiert: In letzter Zeit gab es mehrere Schlägereien und Messerstechereien in Wien-Brigittenau und Meidling mit einigen Schwerverletzten.
Der Konflikt im Speziellen reiche ein paar Monate zurück, erklärt Ahmed auf der Plattform TikTok. Er ist selbst tschetschenischer Herkunft und bemüht sich seit Jahren gemeinsam mit Polizist Uwe um Aufklärung. Der Konflikt in aller Kürze: Junge Männer aus Syrien haben sich zu einer Bande namens „505/515“ zusammengeschlossen. Sie hätten es gezielt auf Tschetschenen abgesehen. Deswegen wiederum der Widerstand von dieser Seite. Die Polizei ermittelt auf Hochtouren.
Keine organisierte Bandenkriminalität, sondern Einzeltäter
Doch von organisierter Bandenkriminalität könne in Wien keine Rede sein, sagt Christian Reiner von „Rettet das Kind“. Jahrelang ist er in der Straßensozialarbeit tätig. Er spricht von ein paar Personen, die Konflikte befeuern. Junge Menschen, die Gewalt anwenden, „sind selbst damit aufgewachsen“, häufig in bildungsfernen und sozial-ökonomisch benachteiligten Milieus. Auch fehlende Integration und patriarchale familiäre Strukturen, von denen Kinder sich schwer lösen können, spielen eine Rolle. „Sie sprechen vielleicht die Sprache nicht, finden keinen Anschluss. Sie stehen unter Druck. Würden sie Wertezwänge ablegen, würden sie sich von der Familie abwenden, aber sie haben ja sonst niemanden.“
Gesellschaftliche Faktoren
Aber: Es wäre zu einfach, zu sagen, dass es solche Konflikte zwischen Migrantengruppen schon immer gegeben habe, sagt Reiner. Denn: „Die Welt wird zunehmend beängstigender für junge Menschen, das bewirkt etwas.“ Kriege, Klimakrise und Teuerung schaffen „große Frustration“. Deswegen seien Junge „erreichbarer“ für Konflikte.
Aufruf zum Frieden
Christian Dworzak-Jungherr vom Wiener Verein Cult weiß: Viele aus der tschetschenischen und der syrischen Community würden die aktuelle Gewalt ablehnen. „Sie müssen jetzt mit der Kriminalisierung leben.“ Ihm fehlt eine langfristige Strategie für Gewaltprävention, „die Politik reagiert nur punktuell“. Ahmed Mitaev ruft indes auf TikTok auf: „Versuchen wir, friedlich miteinander zu leben.“