Viktor Orbán, Ungarns Polit-Satellit auf Kollisionskurs

Zuerst Treffen mit Putin und Xi, ohne Zustimmung oder Auftrag der EU: Ungarns Präsident Viktor Orbán, dessen Land gerade die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat.
Umstritten war die ungarische EU-Ratspräsidentschaft schon im Vorfeld, und die „Erwartungen“ wurden nicht enttäuscht.
Kurz nach deren Antritt reiste Ungarns Präsident Viktor Orbán erstmals seit Kriegsbeginn nach Kiew, lobte dort schon auch die ukrainischen Friedensbemühungen, forderte vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor allem aber einen Waffenstillstand ein. Weniger später, am fünften Tag der EU-Ratspräsidentschaft, war Orbán bei Wladimir Putin, der im Februar 2022 den Befehl zum Einmarsch in der Ukraine gegeben hatte. Vermutlich, ohne Forderung nach vorübergehender Einstellung der Kampfhandlungen. Quasi parallel zur „Friedensmission 3.0“ Orbáns wurde in Kiew ein Kinderkrankenhaus von einer russischen Rakete verwüstet.
Danach Treffen in Peking mit Chinas Präsidenten Xi Jinping`: Der ließ ihn wissen, dass die Lage in der Ukraine „so weit wie möglich abgekühlt“ werden müsse. „China ist eine entscheidende Macht, um die Bedingungen für Frieden im Russland-Ukraine-Krieg zu schaffen. Deshalb bin ich gekommen, um Präsident Xi in Peking zu treffen“, so Orbán. Es ist das gleiche China, das Russland nach wie vor wesentlich im Krieg gegen die Ukraine unterstützt: Putin braucht China, China braucht im geostrategischen Ringen mit den USA um Macht und Einfluss in der Welt Russland – und Orbán ging Xi auf den Leim, wie er zuvor Putin auf den Leim ging.
Orbán auf Solopfaden
Das Problem ist nicht nur die Auswahl der Gesprächspartner Orbáns. Das Problem ist auch, dass er bei seinen Reisen absichtlich viele Unklarheiten gelassen hatte, ob er die EU, sein eigenes Land oder in Wahrheit nur seine eigene agitative, politische Agenda vertrete. Klar ist: Ungarns Präsident war gegen den Willen des EU-Parlaments und der europäischen Institutionen und ohne offizielles Mandat der EU unterwegs. Trotzdem dürfte in Moskau und Peking kleben bleiben, dass er dort als Gesicht Europas auftauchte.
Jetzt will Orbán offenbar auch noch ein Gipfeltreffen mit Donald Trump – den tatsächlich amtierenden US-Präsidenten Joe Biden klammerte er in Washington aus: Vom dortigen Nato-Gipfel soll es noch weiter zu Trumps Residenz nach Mar-a-Lago in Florida gehen, melden „Bloomberg“ und der „Guardian“. Trump, dessen Rolle im Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021 bis heute nicht juristisch aufgearbeitet wurde, sei ein „Mann des Friedens“, ist sich Serien-Alleingänger Orbán, der schon mehrfach helle Bewunderung für den Republikaner aufbrachte, sicher.
Nächster Halt Mar-a-Lago
Orbáns „Friedensmission 3.0“ führt jedenfalls bislang nirgendwohin. Oder wie es „La Repubblica“ treffend formulierte: „Er riskiert, den Krieg in der Ukraine zu verlängern, indem er illusorische Botschaften über die Uneinigkeit des Westens sendet. Und öffnet ein neues Kapitel in dem Krieg, den Putin den europäischen Demokratien erklärt hat.“