Rechnungshof kritisiert Pestizid-Einsatz in heimischer Landwirtschaft
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STERREICH: ZU APA-TEXT CI – THEMENBILD – Illustration zum Thema “Pestizide”: Ein Landwirt versprht am 26.04.2011 auf einem Feld mit Wintergerste ein Pflanzenschutzmittel (ARCHIVBILD). Pestizide wie z.b. Neonicotinoide sind Pflanzenschutzmittel, die seit den 1990er-Jahren auf dem Markt sind bzw. deren Verbreitung seit damals sukzessive zugenommen hat. Sie wirken systemisch […]](/2024/07/ABD0003-20130503-1-768x511.jpg)
In einem heute veröffentlichten Bericht zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft kritisiert der Rechnungshof Österreich.
Über vier Jahre (von 2017 bis 2021) hat sich der Rechnungshof den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der österreichischen Landwirtschaft angeschaut. Der RH kam zu dem Schluss, dass es in dem Zeitraum mehr Notfallzulassungen als in anderen EU-Mitgliedsstaaten gab und die Kontrolle nicht objektiv sei.
EU-Zielrichtlinie für die Landwirtschaft
Die EU zielt darauf ab, bis 2030 chemische Pflanzenschutzmittel um die Hälfte zu reduzieren. Nach der sogenannten Farm-to-Fork-Strategie sollen bis dahin zumindest 25 Prozent der Äcker und Wiesen in der EU biologisch bewirtschaftet werden. In Österreich sei noch nicht genug umgesetzt worden, um dieses Ziel zu erreichen – so die Kritik im heute veröffentlichten RH-Bericht.
Rechnungshof kritisiert
2021 wurden laut RH bei Pestizidrückstandskontrollen von Lebensmitteln von 1798 untersuchten Proben 32 als gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet bewertet, zwei Proben stammten aus inländischer Produktion. Landwirte führen in Österreich selbst Aufzeichnungen über ihren Pestizid-Einsatz. Das Landwirtschaftsministerium und das Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) veröffentlichten jedes Jahr Daten zu den in Umlauf gebrachten Pestiziden. Der Rechnungshof kritisiert, dass die tatsächlich eingesetzte Menge nicht aus den Daten abzulesen sei. Die Instanz weist auch darauf hin, dass Wirkstoffe in Österreich zum Einsatz kamen, bei denen Gesundheitsbedenken bestehen.
Der Rechnungshof stellt fest, dass im EU-Vergleich eine große Anzahl von Notfallzulassungen in Österreich ausgestellt wurde. Eine solche tritt für 120 Tage in Kraft, wenn ein Schädlingsbefall nicht mehr anders zu kontrollieren ist. Das BAES hat von 2017 bis 2021 für 49 Pflanzenschutzmittel wiederholt eine Notfallzulassung in zumindest drei aufeinanderfolgenden Jahren ausgestellt. Das heißt, die Notfallzulassungen wurden nicht begrenzt. 21 Pflanzenschutzmittel erhielten sogar eine Notzulassung in allen fünf Jahren.
Im 132-seitigen Bericht heißt es: „Laut Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums sei eine Begrenzung von Anträgen auf Notallzulassungen nicht möglich“.
Ein Beispiel
Österreich hat 2018 auf EU–Ebene für ein Teilverbot von drei besonders für Bienen schädlichen Neonicotinoid–Wirkstoffen gestimmt, das Bundesamt für Ernährungssicherheit hat aber zwischen 2019 und 2022 Notfallzulassungen erteilt für Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Clothianidin bzw. Thiamethoxam (gehören zur Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide). Der Europäische Gerichtshof hat Notfallzulassungen für solche Pflanzenschutzmittel zur Behandlung von Saatgut im Freiland 2023 für unzulässig erklärt.
Der Bund regelt zwar die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, aber der Rechnungshof kritisiert, dass in Österreich neun Landesgesetze mit verschiedenen Vorgaben zu keiner einheitlichen Kontrolle beitragen. Die nationale Zulassungsstelle für Pflanzenschutzmittel in Österreich ist, wie gesagt, das Bundesamt für Ernährungssicherheit. Diese Stelle ist dem Landwirtschaftsministerium zugeordnet. Bei der Zulassung wird mit der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) zusammengearbeitet. Die AGES wiederum gehört zu 100 Prozent dem Bund, die Anteile werden von Landwirtschaftsministerium und Gesundheitsministerium verwaltet.
Drei Kritikpunkte
Der RH kritisiert hier eine fehlende Unabhängigkeit. Gegenseitige Einflussnahmen können nicht ausgeschlossen werden, heißt es. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie „kritische Fachbeurteilungen der AGES durch Risikominimierungsmaßnahmen so weit ausgeglichen werden konnten, dass eine sichere Verwendung der Pflanzenschutzmittel gewährleistet war“.
Erstens bräuchte es laut Rechnungshof „zeitnahe, verfügbare Daten“ über die Einsatzmengen von Pflanzenschutzmitteln.
Zweitens wird ein Kontrollsystem empfohlen, das bundesweit einheitlichen Standards entspricht. Das Land sollte dann verbindliche Kriterien für den integrierten Pflanzenschutz bewirken.
Drittens empfiehlt der RH, dass das Bundesamt für Ernährungssicherheit, wenn eine Notfallzulassung wiederholt beantragt wird, eine „vertiefte Alternativenprüfung“ einfordern soll. Wenn der Antragsteller keine Alternativen vorlegt, soll die AGES solche Alternativen prüfen.