Allgemein

„Als ob einem der Stecker gezogen wird“

11.08.2024 • 10:00 Uhr
Interview Bettina Todorovic LONG COVID-Patientin
Long Covid hat das Leben von Bettina Todorovic auf den Koft gestellt. Nun kämpft sie für Akzeptanz. Stiplovsek (6)

Long Covid: Bettina Todorovic (48) aus Hard kämpft mit den Folgen von Corona und für Akzeptanz gegenüber einer Krankheit, die von vielen zu Unrecht belächelt wird.

Wir befinden uns in Hard, wo wir freundlich von Bettina Todorovic und ihrem Mann Nenad in Empfang genommen werden. Inzwischen hat sich das Haus des Ehepaars zum Rückzugsort für die mit den Folgen einer Corona-Infektion kämpfenden Mutter verwandelt. Jede Anstrengung, jeder Schritt, jede Bewegung und auch jeglicher Besuch stellen die sichtlich von der Krankheit gezeichnete Zahnarztassistentin vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Umso deutlicher zeigt sich aber ihr Wille, die Bevölkerung auf die schweren Folgen einer vermeintlichen „Grippe“ aufmerksam zu machen.

Interview Bettina Todorovic LONG COVID-Patientin
Bettina Todorovic leidet unter den Symptomen vom sogenannten “Long Covid”.

„Zunächst dachte ich, dass ich es nach der Infektion mit einem durchschnittlichen Verlauf zu hätte. Und zuerst stellte sich auch Besserung ein, obgleich ich mit anhaltender Müdigkeit zu kämpfen hatte“, erzählt die Harderin im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Die Symptome zeigten sich in vielerlei Form, Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit und Schwäche sollten aber zum ständigen Begleiter der ansonsten so lebensfrohen Frau werden. „Nach und nach habe ich bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich wandte mich an verschiedene Ärzte, auch bei der Post-Covid-Einrichtung in Hohenems konnte man mir nicht weiterhelfen“, führt die an den Langzeitfolgen des Virus Leidende weiter aus. Auf kurzzeitige Zeichen der Besserung folgte wieder Ernüchterung, auf einen „Crash“ ihrer Immunabwehr folgte der nächste – fortlaufende Ermüdung und Erschöpfung begleiten Bettina in all ihrem Tun.

Interview Bettina Todorovic LONG COVID-Patientin
Obwohl sie kurzzeitige Ziechen der Besserung zeigt, folgt darauf einen sogennanten “Crash”.

Schwierige Diagnostik

Es folgten unzählige Termine bei verschiedenen Fachärzten, in Innsbruck wurde sie dann mit dem „Verdacht“ auf ME/CFS, eines chronischen Erschöpfungssyndroms, an dem viele Long-Covid-Patienten leiden, geschickt. Zwar wurde die Diagnose bis heute nicht bestätigt, das Leben der Mutter und ihrer Familie war damit aber auf den Kopf gestellt.

Interview Bettina Todorovic LONG COVID-Patientin
Nenad und Bettina Todorovic in Hard.

„Am besten lässt sich das Krankheitsbild mit einem alten Handy vergleichen. Man lädt seinen Akku auf und kurze Zeit später ist man wieder leer. Als ob einem der Stecker gezogen wird.“ Das Sprechen fällt der 48-Jährigen schwer, zu den beschriebenen Symptomen kommen Gedächtnisverlust und Konzentrationsschwierigkeiten hinzu, von der psychischen Belastung, die so eine Erkrankung mit sich bringt, ganz zu schweigen. Einfache Tätigkeiten wie Duschen oder die Zubereitung von Essen werden zu Mammutaufgaben. Besuche von den Liebsten können das Nervensystem überlasten, die damit verbundene Isolation führt zu sozialer Ausgrenzung.

Selbsthilfegruppe

Trotzdem möchte Bettina Todorovic an die Öffentlichkeit, weswegen sie sich auch an die NEUE am Sonntag wandte. „Ich möchte auf meine Situation und die jener, die an denselben Beschwerden leiden, aufmerksam machen. Leider zeigen die Gesellschaft und auch die Politik wenig Verständnis für uns.

Informationen für Betroffene:

Interessengemeinschaft Soziale Absicherung für Erkrankte (IGsafe)
Österreichweit eingetragener Verein für Betroffene (Long Covid, ME/CFS)
Kontakt: www.igsafe.at

Zuspruch habe ich dann in unserer Selbsthilfegruppe gefunden. Über Whatsapp tauschen wir uns regelmäßig aus, sprechen über Symptome und über Behandlungen oder Mittel, die Linderung versprechen. Sowohl die Diagnose als auch die Behandlung ist schwierig“, zeigt sich die Mutter einer Tochter und eines Sohnes kritisch.

Interview Bettina Todorovic LONG COVID-Patientin
Duschen wird zur Herausforderung und lässt sich nur noch mit einem Hocker bewerkstelligen.

Aus dem System?

Noch erhalte sie finanzielle Unterstützung vom Gesundheitswesen und befinde sich im Krankenstand, auch wenn vonseiten des Systems die Mittel endend seien. Spezielle Nahrungsergänzungsmittel oder Aufbau-Präparate auf Empfehlung von Spezialisten müsse sie aus eigener Tasche bezahlen, auch der Anspruch auf Gelder für eine etwaige Rehabilitation sei noch nicht geklärt.

Austausch mit Erkrankten

„Im Austausch mit Betroffenen wird deutlich, dass erst nach einem Gutachten der Anspruch geklärt wird. Und wenn einem die Krankheit nicht anerkannt wird, fällt man aus dem System“, erläutert die Unterländerin eine weitere Hürde im schwierigen Alltag der Erkrankten. Deswegen möchte sie ihre Geschichte erzählen, Mut machen und aufrütteln. Auch wenn es oft genug schwerfalle, positiv bleiben.

Interview Bettina Todorovic LONG COVID-Patientin
Im Gespräch mit der NEUE am Sonntag schildert Bettina ihren Alltag.