Quipu – Eine Milliarde Lichtjahre

Die Struktur des Universums ist schwer zu fassen. Röntgenastronomen haben die bisher größte, sicher vermessene Anordnung von Galaxienhaufen entdeckt. Trotzdem sprechen die Autoren vom nahen Universum.
Von Robert Seeberger
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Versuchen wir diese neue Entdeckung einer Superstruktur im nahen Universum einzuordnen. Beim Betrachten des Nachthimmels über Vorarlberg fallen uns der Mond, ein paar Planeten, wenn es gut geht 2000 Sterne sowie das Band der Milchstraße auf. Bis auf den Andromedanebel liegt alles, was wir von freiem Auge sehen können, innerhalb unserer Welteninsel, unserer Milchstraße. Sie ist eine flache Scheibe von 100.000 Lichtjahren Durchmesser und beheimatet neben unserer Sonne noch weitere 100 bis 200 Milliarden Sterne. Um Milchstraßen bzw. Galaxien in großer Zahl und um ihre räumliche Verteilung geht es bei dieser neuen Entdeckung.
Wie Astrophysiker das Universum vermessen
Astrophysiker nutzen unterschiedliche Koordinatensysteme für die Orientierung am Himmel. Sie zählen Winkelgrade entlang zweier Koordinaten, haben aber ganz unterschiedliche Nullpunkte. Die Koordinatensysteme lassen sich ineinander umrechnen. Amateure bezeichnen Orte am Himmel auch durch die Lage der Sternbilder. Man sagt, der Planet Jupiter steht in den Zwillingen, wie es zurzeit der Fall ist. Die Sternschnuppenströme werden nach dem Sternbild, in dem sie den Ausstrahlungspunkt haben, bezeichnet. Der bekannteste Strom sind die Perseiden, die aus der Richtung des Perseus kommen.
Raumtiefe
Nun kennen wir die Himmelsrichtung der Objekte, wissen wir ohne weitere Messungen nicht, wie weit sie entfernt sind. Weit außerhalb der Milchstraße, die wir bekannterweise als helles Band am Himmel sehen, tut sich eine Welt aus Galaxien auf. In kleinen Teleskopen sind sie unscheinbare, nebelige Flecken. Erst vor gut 100 Jahren erkannten Edwin Hubble und andere, dass diese Nebel weit entfernte Galaxien wie unsere Milchstraße sind. Eine Veröffentlichung darüber titelte Hubble mit „Das Königreich der Nebel“.
Bald erkannte man, dass diese Galaxien nicht für sich alleine stehen, sondern Haufen und Superhaufen bilden. Auch in der Fachwelt werden Galaxienhaufen zusätzlich zu Katalognummern nach ihrer Richtung am Himmel Perseus-Haufen oder Virgo-Haufen genannt. Während die Sternschnuppen der Perseiden in zirka 100 Kilometern über der Erdoberfläche verglühen, ist der Perseus-Haufen 240 Millionen Lichtjahre entfernt. Die Entfernungsmessung ist eine der schwierigen Aufgaben der Astrophysik und immer mit gewissen Fehlern behaftet.
Superstrukturen im Kosmos: Von der Großen Mauer bis zum Attraktor
Da sich das Universum mit einer halbwegs genau bekannten Rate ausdehnt, kann man aus der Messung der Fluchtgeschwindigkeit von Galaxien ihre Distanz berechnen. Das Universum beseht aus Galaxienhaufen und -superhaufen, dazwischen sind große Leerräume, in denen es kaum Galaxien gibt. Unsere Milchstraße liegt am Rande des Virgo-Superhaufens. Doch es gibt noch größere Strukturen. Die Große Mauer hat eine Dimension von 500x200x15 Millionen Lichtjahren. Der große Attraktor ist 150 bis 200 Millionen Lichtjahre entfernt und hat eine Masse von 10 Billiarden (1 mit 16 Nullen) Sonnenmassen. Das ist nur eine kleine Auswahl der Superstrukturen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten entdeckt wurden.
Neue Entdeckung: „Quipu“
Die größte Superstruktur des „nahen“ Universums wurde kürzlich von Astrophysikern des MPI Garching veröffentlicht. Galaxienhaufen enthalten extrem heißes Gas, das Röntgenstrahlung aussendet. Mit Daten des Röntgensatelliten fanden die Forscher eine 1,4 Milliarden Lichtjahre lange Superstruktur. Sie enthält 68 Galaxienhaufen, deren Anordnung die Entdecker an die Knotenschrift der Inka, Quipu genannt, erinnerte. Der überwiegende Teil der Masse besteht aus Dunkler Materie. Diese Entdeckung ist auch für Kosmologen, die sich mit der Entstehung des Universums befassen, interessant.